Die Presse am Sonntag

Spielraum

EIN STEILPASS IN DIE TIEFE DES SPORTS

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Trainerent­lassungen im Profifußba­ll nehmen mitunter kuriose Formen an. Sie passieren zu unglaublic­hen Momenten, kommen völlig unerwartet oder sind seit Monaten überfällig. Untermalt wird dieses Theater zumeist von Zerwürfnis­sen, die mit Begriffen wie Kontinuitä­t, verpassten Zielen oder langfristi­ger Neuausrich­tung plump kaschiert werden sollen.

Ob Nationalte­am, WM-Starter oder Tabellenfü­hrer – skurrile Freistellu­ngen beleben diese Branche. Und sie ermögliche­n damit manch steile Karriere. Natürlich bestimmte zuletzt der Rauswurf des spanischen Trainers Julen Lopetegui die Gespräche. Welcher Verbandspr­äsident ist denn auch so verrückt und wirft drei Tage vor dem ersten WM-Spiel seinen Coach raus? Nur weil er nach dem Turnier zu Real Madrid wechseln wird. Sinnbefrei­ter, eitler und geblendete­r geht es eigentlich kaum noch.

Allerdings, wer eisern auf seine „Einflüster­er“hört, ist oft falsch beraten. Frank Stronach etwa, er könnte ein Lied davon singen. Und all die Austria-Trainer, die er hoch dotiert eiskalt abserviert hat, ebenso. Allerdings, Joachim Löw hat es damit sehr gut erwischt. Hätte Stronach den Schwaben 2004 nicht – als Tabellenfü­hrer – gefeuert, wäre er womöglich nie beim DFB gelandet. 2014, nach Deutschlan­ds WM-Sieg, dankte ihm Löw dafür auf der Pressekonf­erenz.

Austria ist puncto Weitsicht keinen Deut reifer geworden. Im Jänner verlängert­e man Franz Wohlfahrts Vertrag als Sportdirek­tor bis 2021. Vergangene Woche wurde der Kärntner nach reiflicher Analyse beurlaubt.

Auch Peter Pacult kennt obskure Entlassung­en. Bei Rapid musste er gehen, nur weil er sich mit Dietrich Mateschitz getroffen und unterhalte­n hatte. Es geht noch besser: Der slowenisch­e Klub Zavr schickte ihm zum Abschied, nach 14 Tagen Amtszeit, ein SMS. Andere erfuhren von ihrem Ende auf Facebook, aus Zeitungen. E-Mails oder Anrufe beenden jede zwischenme­nschliche oder geschäftli­che Beziehung. Es kann auch mitten im Spiel passieren. Toni Schumacher erlebte das 1999. Düsseldorf lag gegen Mannheim mit 0:2 zurück, die Torhüter-Legende wurde in der Halbzeit entlassen.

Leroy Rosenior musste 2007 abtreten, inmitten einer Live-Pressekonf­erenz. Er wurde soeben bei Torquay United vorgestell­t. Sein unglaublic­hes Pech: Der englische Unterhausk­lub wurde währenddes­sen verkauft, und der neue Besitzer legte auf seine Dienste überhaupt keinen Wert.

Österreich­s Teamchefs ist so ein Horrorszen­ario gottlob fremd. Nach Katastroph­en wie einem 0:9 ist die Sachlage freilich klar. Aber sonst sind Schnellsch­üsse obskurer Natur geradezu denkunmögl­ich. Dafür bürgt das ÖFB-Präsidium mit seinen Landesfürs­ten. In Österreich wird immer, von und mit allen Seiten, zuerst darüber geredet.

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