Verflochtene Schicksale
»Der Zopf« von Laetitia Colombani: drei Frauen, drei Kontinente, drei Geschichten – und ein wertvolles menschliches Gut, das sie alle verbindet.
Da ist Sarah in Montreal, eine ehrgeizige Anwältin, Partnerin in ihrer Kanzlei. Sie erlaubt sich keine Fehler, arbeitet ohne Unterlass, und abends, nachdem sie ihre drei Kinder versorgt hat, die sie allein erzieht, schläft sie meist auf der Couch ein. Ihr Leben verläuft, oder besser: rennt in geordneten Bahnen, bis sie eines Tages im Gerichtssaal, just bei ihrem Plädoyer, zusammenbricht. So bekommt der Knoten, den sie bereits länger in ihrer Brust spürt, eine konkrete Bedeutung.
Smita gehört zu der indischen Kaste der Unberührbaren. Ihre Aufgabe ist es, den Dreck der höher stehenden Kasten wegzuräumen, und zwar wortwörtlich: Sie muss deren Toiletten putzen, mit bloßen Händen. Um ihrer Tochter dieses Schicksal zu ersparen, will sie ihr Schulbildung ermöglichen; doch der Plan gestaltet sich schwierig. Schließlich wird ihre Haarpracht Mittel zum Zweck.
Giulia in Palermo, Spross einer über Generationen familiengeführten Perückenfabrik, muss von einem Tag auf den anderen plötzlich erwachsen werden. Nach dem Unfall ihres Vaters ist sie, die bisher Teil der Belegschaft war, die neue Verantwortliche. Ein unverhofftes Zusammentreffen lässt sie neue Vertriebswege einschlagen.
Am Ende laufen alle diese Fäden zusammen, verflochten wie in einem Zopf. Klassische feministische Literatur findet man hier keine – dafür Lebensgeschichten, die beeindrucken, und starke Frauen, die selbstbestimmt ihr Leben zu meistern versuchen. Laetitia Colombani: „Der Zopf“, übersetzt von Claudia Marquardt, S. Fischer, 288 Seiten, 20,60 Euro