Fußball im Kino – ein weites, buntes
Keine Lust auf die Fußball-WM? Schauen Sie doch stattdessen einen Film – zum Beispiel einen über Fußball! Denn die Einsatzbereiche des runden Leders im Kino sind vielfältiger als man denkt: Seit jeher dient es auf der Leinwand als Multifunktionsmetapher f
Seit Donnerstagabend haben die Kinos dieser Welt wieder mit einem ihrer härtesten Konkurrenten zu kämpfen: der Fußball-Weltmeisterschaft. Bis 15. Juli bietet nahezu jeder Tag Laufbildunterhaltung in Spielfilmlänge, die ein breit gefächertes Publikum spannender findet als jeden Thriller, spektakulärer als jeden Blockbuster, emotional aufwühlender als jedes Melodram. Man könnte darob fast auf die Idee kommen, Fußball und Film seien sich spinnefeind. Aber weit gefehlt: Kaum eine Sportart genießt größere Leinwandpräsenz. In erster Linie liegt das an der globalen Popularität und den unvergleichlichen Schauwerten des „schönen Spiels“. Aber auch daran, dass sich mit Fußball so vieles erzählen lässt: Im Orbit des Fetzenlaberls kreisen kleine Geschichten, ganz große Themen – und alles zwischendrin.
Unmöglich, das weite Feld des Fußball-Kinos in seiner Gänze abzulaufen. Doch ein Überblick seiner beliebtesten Sujets zeigt, dass man keineswegs Fan sein muss, um sich auf der Tribüne einzufinden. Wie setzt man Fußballstars, diesen modernen Göttern, ein angemessenes Denkmal? Was sie auszeichnet, ist Beweglichkeit und Fußfertigkeit, Agilität und Reaktionsvermögen: Begabungen, die statische Monumente nicht fassen können. Besser, man hält es mit dem deutschen Regisseur Hellmuth Costard: Der hat Manchester-United-Legende George Best für seinen Film „Fußball wie noch nie“ein Match lang mit sechs Kameras verfolgt. Vergleichsweise bescheiden. In „Zidane, A 21st Century Portrait“heften Douglas Gordon und Philippe Parreno gleich 17 Linsen auf die titelgebende Real-Madrid-Galionsfigur. Das Drama des Spiels – und jenes der conditio humana – spiegelt sich eineinhalb Stunden lang im Gesicht des Franzosen, der zwischen Frust und Ekstase, Höhenflug und Leerlauf oszilliert, im Kampf mit der Umwelt, gefangen im Ich. Unterti- tel liefern kryptische Weisheiten des Zizou-Orakels: „Manchmal ist Magie sehr nahe dran am Nichts.“
Götzendienst Gemeinschaft Klassenkampf Obsession
Fußball verbindet: ein wahrer Gemeinplatz. Differenzen aller Art werden im Kino wie im Leben oft auf dem Feld (oder in den Rängen des Stadions) aus der Welt geschafft. Dabei kann es sich um Stadt-Land-Klüfte handeln wie in der französischen Kultkomödie „Willkommen bei den Sch’tis“– oder um Hierarchien zwischen Lehrern und Schülern, wie in Laurent Cantets „Die Klasse“. Doch nur wenige haben die Vorstellung von Fußballfieber als einendem Weltgeist so glaubhaft ins Bild gesetzt wie Michael Glawogger. Erst in seiner Doku „Frankreich, wir kommen“, wo er beim 98er-WM-Endrundenspiel Österreich gegen Kamerun zwischen heimischen und afrikanischen Fernsehzuschauern hin und her schneidet, über tausende Kilometer hinweg im Eifer vereint – und später im postum von Freunden fertiggestellten Reisefilm „Untitled“, wo die Off-Stimme an einer Stelle fabuliert: „Wenn jede Sprache versagt und der Turmbau zu Babel Wirklichkeit wird, könnte man die Namen von Fußballern zu einem neuen Vokabular machen.“ Trotz zunehmender Kommerzialisierung und millionenschwerer Spielertransfers gilt Fußball nach wie vor als Volkssport, als genuin proletarische Angelegenheit. Kein Wunder, dass sich jemand wie Ken Loach, ein Übervater des filmischen Sozialrealismus, ihm immer wieder zuwendet. Für das Drama „Looking for Eric“konnte er sogar den einstigen Manchester-Heroen und Gelegenheits-Konfuzius E´ric Cantona gewinnen. Dieser spielt sich selbst – und hilft einem überforderten Postboten auf die Sprünge zurück ins Leben, inklusive Anleitung zur Solidarisierung mit anderen Fans des runden Leders, um lokalen Ausbeutern im Schutze von Cantona-Masken Paroli zu bieten.