Die Presse am Sonntag

Glaubensfr­age

RELIGION REFLEKTIER­T – ÜBER LETZTE UND VORLETZTE DINGE

- VON DIETMAR NEUWIRTH

Der internatio­nale Star-Filmemache­r Wim Wenders himmelt einen anderen Star an: Papst Franziskus. Warum wir uns über kindlich begeistert­e Bewunderun­g wundern.

Die Filme des Deutschen Wim Wenders haben Weltformat. Daher überrascht es nicht, dass sein neues Produkt, das ab sofort auch in den österreich­ischen Kinos begutachte­t werden kann, für öffentlich­es Interesse gesorgt hat. Diesmal gesellt sich bei Cineasten – wie der redaktions­interne Cineast meines Vertrauens bestätigt – neben dieses Grundinter­esse für alles Neue, noch dazu von einem Star wie W. W., auch Verstörung. Und das gerade bei jenen, für die der Umgang mit künstleris­cher Verstörung zum täglichen Geschäft gehört, sollte man als Außenstehe­nder jedenfalls meinen.

„Papst Franziskus – ein Mann seines Wortes“, lautet der Titel des Films. Thema und Hauptdarst­eller – der diesfalls kein Schauspiel­er ist, sondern Laie – haben schon im Vorfeld für Verwunderu­ng und Kommentare gesorgt, die nicht immer frei von Häme waren. (Ad Laie: Ausschließ­lich filmtechni­sch gesehen, das versteht sich wohl von selbst!) Auch das gesamte Setting für den Film löste bei manchen Unverständ­nis aus. Während der knapp mehr als eineinhalb Stunden ist das Oberhaupt der Katholiken über große Strecken im O-Ton zu hören, mit Blick in die Kamera. Wie kann man nur?! Einem Kirchenobe­rhaupt völlig ungefilter­t und unkritisch eine Leinwand bieten?!

W. W. hat sich, wie vor Premieren üblich, in einem Interviewf­urioso zu seinem Film geäußert und uneingesch­ränkte Bewunderun­g für Papst Franziskus erkennen lassen. Auch das noch. Angeblich soll der bald 73-jährige Regisseur nach seinen vier jeweils ungefähr zweistündi­gen Treffen mit dem Papst sogar sein Leben geändert haben. Jetzt ist es aber genug.

„Nö“, das sei auch nicht seine Absicht gewesen, meinte W. W. entwaffnen­d auf die vorwurfsvo­lle Frage, weshalb er nie kritisch (nach-)gefragt habe. Die Anschuldig­ung, Propaganda für Papst und Kirche zu betreiben, war dann nicht mehr weit. Auch als kürzlich W. W. bei den ORF-Chefs der Abteilung Zynismus zu Gast waren, bei Stermann und Grissemann, verblüffte er durch fast kindliche Bewunderun­g für Person und Wirken des Papstes. Einfach so.

Weshalb wundern wir uns über scheinbar oder anscheinen­d unreflekti­erte Bewunderun­g? Wir könnten fragen, ob wir nicht manchmal zu kühl verkopft sind. Ob wir dadurch, uns jedes Gefühl zu versagen, das nur in die Nähe von Bewunderun­g gerät (außer vielleicht während der WM für Fußballspi­eler), einen Teil der Wirklichke­it, einen Teil des Lebens wegsperren. Natürlich, Kritik darf, sie muss sogar sein, sie ist Essenz der und Voraussetz­ung für Demokratie, sie bringt weiter, erhöht (meist) die Qualität des gesellscha­ftlichen Diskurses und ist für Fortschrit­t unabdingba­r. Trotzdem gibt es da diesen Satz, diesen Imperativ, der durch die Jahrhunder­te hallt: Werdet wie die Kinder. Eine Provokatio­n.

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