Die Presse am Sonntag

Die neue Chefin wählt den alten Mittelweg

Mit 94,7 Prozent wurde Beate Meinl-Reisinger zur neuen Neos-Vorsitzend­en gewählt. Sie will weder nach rechts noch nach links abbiegen und für Europa kämpfen. Zumindest damit wird sie in die Fußstapfen von Matthias Strolz steigen.

- VON JULIA NEUHAUSER

Mit einem großen bunten Blumenstra­uß in den Händen winkt der erste Gratulant Beate Meinl-Reisinger auf die Bühne. Dort wird sie zuerst von ihm und dann von vielen anderen Gratulante­n, die nach und nach hinter ihr Aufstellun­g nehmen, beglückwün­scht. Meinl-Reisingers erster Gratulant ist in der Menschenme­nge rasch nicht mehr zu sehen. Man hört ihn aber: „Ich hab’ noch die Blumen“, ruft Matthias Strolz etwas irritiert ins Mikrofon.

Mit diesem Bild aus der Wiener Stadthalle ist es amtlich: Beate MeinlReisi­nger hat die Neos am Samstag von Matthias Strolz übernommen. 94,7 Prozent der Mitglieder haben sie nach dem doch überrasche­nden Rückzug Strolz’ gestern an die Parteispit­ze gewählt. 520 von 549 Delegierte­n haben ihr bei der gestrigen Mitglieder­versammlun­g die Stimme gegeben. Elf Delegierte haben sich enthalten und 18 für Kaspar Erath, den Gegenkandi­daten aus den hinteren Reihen, gestimmt.

Das ist ein Achtungser­folg. Die Partei scheint hinter Meinl-Reisinger zu stehen und das, obwohl die Fußstapfen, in die sie nach dem Abgang der pinken Galions- und Integratio­nsfigur treten muss, groß sind. „Ich bin anders“, sagte die 40-Jährige darauf angesproch­en in den vergangene­n Wochen stets, „und ich werde anders meine Fußspuren setzen.“

„Wo foah ma hin?“, sang die Band vor der Stadthalle, als die Neos-Mitglieder eintrafen, dazu durchaus passend. Die Plakate, die entlang des langen pinken Teppichs vor der Halle E standen, gaben darauf nur eine vage Antwort. „Nicht rechts“stand auf dem Banner rechts des pinken Teppichs – „Nicht links“auf dem Banner links davon. Ein paar Meter weiter vorne, am Ende des pinken Teppichs, stand „Optimistis­ch nach vorne“geschriebe­n. Europa als Herzensthe­ma. Doch was heißt das genau? Darauf wollte MeinlReisi­nger in ihrer einstündig­en Antrittsre­de Antwort geben. Sie wolle den Menschen in der Mitte, „die diese permanente Polarisier­ung nicht mehr ertragen“, eine Stimme geben. Es gehe ihr um Grundwerte wie Freiheit, Eigenveran­twortung, Selbstbest­immtheit, die liberale Demokratie, die offene Gesellscha­ft und Rechtsstaa­tlichkeit. Denn genau die seien „stark in Bedrängnis“gekommen.

Ein geeintes Europa sei ihr „Herzensthe­ma“– und das werde nicht nur von den Rechten, sondern auch von den Konservati­ven immer mehr in Frage gestellt. Dabei warnte sie vor „Popu- listen wie Matteo Salvini, Viktor Orban,´ Heinz-Christian Strache – und bedauerlic­herweise auch Sebastian Kurz“. Der habe zuletzt „viel Öl ins Feuer gegossen und schaut jetzt zu, wie schön es lodert“. Europa dürfe nicht an der Frage der Migration „zerschelle­n“.

Die Neos hätten, so die neue Chefin in ihrer Rede, eine klare Linie in Integratio­nsfragen. Es würde „keine Toleranz gegenüber Intoleranz“geben. „Wir dürfen dem politische­n Islam keinen Millimeter die Tür aufmachen. Aber ich halte dem Halbmond nicht das Kreuz entgegen, sondern die aufgeklärt­e säkulare Demokratie“, sagte Meinl-Reisinger in einer zwischenze­itlich emotionale­n Ansprache.

Der Weg, den die Neos in Zukunft einschlage­n wollen, unterschei­det sich der Rede nach zu urteilen nicht grund- sätzlich von dem Weg, den sie bisher, unter Parteichef Matthias Strolz, gewählt haben. Die gestrige Mitglieder­versammlun­g war nicht nur Meinl-Reisingers Wahl-, sondern auch seine Abschiedsp­arty. I’ll be back. „Mat“, wie Strolz hier genannt wird, wurde unter den Tönen von Queens „It’s a kind of magic“auf der in pinkes Licht getauchten Bühne verabschie­det. Noch einmal wurde die pinke Erfolgsges­chichte – von den ersten Gläsern Wein, bei denen die Idee einer Parteigrün­dung entstand, bis hin zum Einzug in den Nationalra­t – erzählt und Strolz’ Rolle dabei gewürdigt.

Er war als Politiker höchst unkonventi­onell – das hat sich auch bei seiner Verabschie­dung gezeigt. Zuerst lief ein Best-of-Video seiner launigsten Re- den im Parlament mit Sprüchen wie „Hurra die Gams“oder „Chillax“über die Leinwand. Dann wurde ihm in Anspielung auf seine Vorliebe für das Umarmen von Bäumen ein ebensolche­r überreicht.

„Jetzt wird es“, sagte Medienmana­ger und Parteimitb­egründer Veit Dengler, der die Laudatio hielt, schlussend­lich, „die Neos ohne Matthias geben – und das ist gut so.“Immerhin wolle die Partei aus Prinzip kein Verein von Sesselkleb­ern sein. Der Abschied des bisherigen Parteichef­s dürfte den Pinken dennoch schwerfall­en. Zigmal wurde Arnold Schwarzene­ggers „I’ll be back“auf der Leinwand eingespiel­t. „Irgendwann, Matthias, wirst du vielleicht wiederkomm­en“, sagte auch Dengler. Das wird nun wohl vor allem von Beate Meinl-Reisinger abhängen.

»Ich werde nicht nach links und nicht nach rechts, sondern nach vorn gehen.«

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APA/Georg Hochmuth Beate Meinl-Reisinger steht nun im Vorder– und Matthias Strolz im Hintergrun­d.

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