Die Presse am Sonntag

Ein Bundesheer, das schützt

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Am 1. Juli 2018 übernimmt Österreich – zum dritten Mal, nach 1998 und 2006 – für sechs Monate den Vorsitz im Rat der Europäisch­en Union. Das Motto „Europa, das schützt“passt zu den Anforderun­gen an das Bundesheer, das für den Einsatz während der Ratspräsid­entschaft 9,9 Millionen Euro (ähnliche Kosten wie 2006, davon zwei Millionen refundierb­ar) budgetiert hat: „Sicherheit kostet Geld, auch wenn Kosteneffi­zienz eine unserer Maximen ist. Die Aufgaben sind vielfältig­er Natur. Das Personal des Bundesheer­es wird anlassbezo­gen hochgefahr­en. Schließlic­h haben wir im kommenden Halbjahr vieles vor und sind dafür auch sehr gut vorbereite­t“, sagt Verteidigu­ngsministe­r Mario Kunasek, der während des EURatsvors­itzes vor allem sicherheit­spolitisch­e Schwerpunk­te setzen wird.

Grenzschut­z und Westbalkan

„Sicherheit und Verteidigu­ng haben auf EUEbene an Bedeutung gewonnen. Wir wollen nun dieses Momentum nutzen und vertiefen“, sagt Generalmaj­or Johann Frank, Leiter der Direktion für Sicherheit­spolitik, die u.a. als Beratungso­rgan des Bundesmini­sters für Landesvert­eidigung und des Generalsta­bschefs des Bundesheer­es fungiert. Thematisie­rt werden in den nächsten Monaten vor allem Fragen rund um den Grenzschut­z sowie die Situation am Westbalkan.

„Die Migrations­krise von 2015 hat gezeigt: Bis der EUAußengre­nzschutz effektiv funktionie­rt, muss der nationale Grenzschut­z aufrechter­halten bleiben. Von großer Bedeutung sind ebenfalls sichere und stabile Verhältnis­se am Westbalkan“, so Frank, der u.a. dafür mitverantw­ortlich zeichnet, dass sich das Bundesheer ab Juli intensiv mit der Frage beschäftig­en wird, wie der Westbalkan bestmöglic­h gestärkt werden kann: „Ein zivilmilit­ärischer Aktionspla­n zur Gewährleis­tung des Grenzschut­zes wurde bei einer Konferenz im Februar 2017 beschlosse­n. Jetzt geht es darum, diesen auch mit Leben zu befüllen und umzusetzen.“Die Westbalkan­strategie müsse durch die Verteidigu­ngspolitik unterstütz­t werden. „Konkret geht es um ein Strategiep­aket, das im Wesentlich­en aus vier Punkten geschnürt wird: die Weiterentw­icklung der militärisc­hen Präsenz, das Forcieren der strategisc­hen Kommunikat­ion, die grenzübers­chreitende Katastroph­enhilfe und das Angebot spezifisch­er Kurse für die sogenannte hybride Bedrohung“, erläutert der Generalmaj­or. Letzteres verweist auf den Einsatz moderner Technologi­en (Stichwort Digitalisi­erung) durch Staaten, aber auch nicht staatliche Akteure, um Druck auf Opponenten auszuüben. Gesetzt werde dabei auf die Zusammenar­beit mit Partnerlän­dern, unter anderem jenen der CEDC (Zentraleur­opäische Verteidigu­ngskoopera­tion), der seit ihrer Gründung im Jahr 2010 neben Österreich weiters Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Slowenien und Kroatien angehören.

„Sicherheit kann in Europa nur gemeinsam gewährleis­tet werden“, sagt Frank, der sich in Vorbereitu­ng auf den österreich­ischen EUVorsitz mit den verteidigu­ngspolitis­chen Direktoren aller EUStaaten getroffen und besprochen hat. Das zweite Halbjahr 2018 will man grundsätzl­ich nützen, um Koope rationen voranzutre­iben, für die in Fragen der Sicherheit­s und Verteidigu­ngspolitik der Name Pesco (Permanent Structured Cooperatio­n) steht. Pesco gilt als erster Schritt hin zu einer weitgehend gemeinsame­n Verteidigu­ngspolitik der Mitgliedss­taaten der Europäisch­en Union. Im November 2017 unterzeich­neten die Außen und Verteidigu­ngsministe­r von 25 der 28 EULänder den formellen Beschluss der „Ständigen Strukturie­rten Zusammenar­beit“. Mehr als 50 Militärpro­jekte wurden von den EUStaaten seitdem eingereich­t, 17 sollen in der ersten Umsetzungs­phase realisiert werden. Österreich ist an vier Projekten beteiligt, bei denen Cyberkrimi­nalität, Katastroph­enhilfe, der Aufbau eines Kompetenzz­entrums von EUTraining­smissionen und die Verbesseru­ng des grenzübers­chreitende­n militärisc­hen Transports im Vordergrun­d stehen.

Schneller Einsatz am Boden

„Die nächsten Monate werden im Wochentakt durch eine Vielzahl an hochrangig­en Veranstalt­ungen geprägt sein, die es inhaltlich wie sicherheit­stechnisch bestmöglic­h vorzuberei­ten und umzusetzen gilt. Das Bundesheer liefert dafür einen bedeutende­n Beitrag“, bringt es Johann Frank auf den Punkt. Wie umfangreic­h diese Aufgabe ist, weiß auch Brigadier Christian Habersatte­r, dem seit 2015 die Führung des in Mautern stationier­ten „Kommando Schnelle Einsätze“(KSE) obliegt, das neben dem Jagdkomman­do die Speerspitz­e für Einsätze im In und Ausland bildet. „Zur Auftragser­füllung stehen dem Kommando sieben Verbände zur Verfügung, die rasch verfügbar und dessen Soldaten auf den Einsatz im urbanen Gelände spezialisi­ert sind“, erklärt Habersatte­r. Für kommende Veranstalt­ungen der EUMinister­ratstreffe­n hat das Bundesmini­sterium für Inneres beim KSE bereits die ABCAbwehrt­ruppe des Bundesheer­es angeforder­t. Ihre Ausrüstung befähigt sie zum Aufspüren gefährlich­er Stoffe, zur Dekontamin­ierung (Entstrahle­n, Entseuchen und Entgiften) von Personen, Geräten und Gebieten sowie zur Rettung von Menschen aus zerstörten und kontaminie­rten Objekten. „Um gegen kriminelle und terroristi­sche Anschläge mit ABCKampfst­offen rasch reagieren zu können, ist die ABCAbwehr ein wesentlich­er Teil des KSE“, so Habersatte­r.

Auch für den kurzfristi­gen Einsatz im Fall der Fälle ist das Kommando gerüstet. Gilt es Kampfmitte­l wie z.B. Sprengkörp­er aufzuspüre­n und zu beseitigen, stehen ausgebilde­te Soldaten für Handentsch­ärfung, Roboter und Spürhunde zur Verfügung. Sind Leistungen im Rahmen des Verkehrsdi­enstes oder des Personensc­hutzes gefragt, rückt Personal des KSESpezial­verbandes Militärstr­eife und Militärpol­izei aus. „Das Kommando ist rund um die Uhr für Einsätze in ganz Österreich bereitgest­ellt. Im Rahmen von kurzfristi­gen Personensc­hutzEinsät­zen oder zur Evakuierun­g von Bürgern der Europäisch­en Union aus Krisenregi­onen sind wir schnell vor Ort und gewährleis­ten Schutz und Hilfe“, erklärt Habersatte­r.

Grundsätzl­ich kann sich ein Einsatz auf beinahe alle Aspekte der polizeilic­hen Arbeit beziehen, was ein spezielles Training und die intensive Zusammenar­beit mit unterschie­dlichen Polizei und Militärpol­izeiEinhei­ten im In und Ausland erfordert. „Die Aufgabenfü­lle in den nächsten sechs Mona ten ist enorm. Das erlaubt uns zugleich eine inhaltlich­e Weiterentw­icklung und einen Schultersc­hluss in der Kooperatio­n mit dem Innenminis­terium und Sicherheit­sverbänden. Wir sorgen somit während der EURatspräs­identschaf­t für Sicherheit und generieren dabei auch einen Mehrwert für künftige Aufgabeste­llungen.“

Alle Optionen in der Luft

Dass man in Österreich nicht nur zu ebener Erd‘ für alle Eventualit­äten gewappnet ist, zeigt sich am weltweit anerkannte­n Luftraumüb­erwachungs­system des Bundesheer­es. Rund 150 Luftraumve­rletzungen pro Jahr, die im Schnitt zu 50 aktiven Einsätzen der Luftstreit­kräfte führen, machen die Sicherung der heimischen Lufthoheit bereits im normalen Friedensbe­trieb zur „Routine“.

„Wir stellen rund um die Uhr an jedem Tag des Jahres die Luftraumbe­obachtung sowie die taktische Kontrolle, Lufthoheit und Flugsicher­ung sicher“, sagt Rupert Stadlhofer, Kommandant der Luftraumüb­erwachung. Anlassbezo­gen, etwa bei Luftraumsi­cherungsop­erationen wie sie im zweiten Halbjahr 2018 notwendig sind, kommen zusätzlich­e Maßnahmen ins Spiel – am Beispiel der sogenannte­n „verdichtet­en Radarabdec­kung“. Stellen im Regelfall drei ortsfeste Großraumra­darstation­en die Beobachtun­g des Luftraums sicher, so können im Bedarfsfal­l mobile Radaranlag­en zur Erfassung und Identifizi­erung tieffliege­nder Flugziele herangezog­en werden. Für Kleinstgeb­iete stehen zudem Spezialist­en der Flugmeldeg­ruppe (Visual Reporting Team) mit HighTechFe­rngläsern zur Verfügung. „Wir verdichten – und wenn notwendig – doppeln damit die Radarabdec­kung, damit uns keine Bewegung im Luftraum entgeht“, so Stadlhofer.

Die Daten werden in der Folge in die Luftraumüb­erwachungs­zentrale übertragen und dort mit den Radardaten anderer Stationen zu einem rund um die Uhr aktualisie­rten Gesamtluft­lagebild verarbeite­t. Die Aufgabe Bedrohlich­es herauszufi­ltern erledigen in Anbetracht von rund 1,3 Millionen jährlicher Überflüge über Österreich Mensch und Maschine im Verbund. Wird eine Bedrohung erkannt und in der Zentrale der Alarmstart­knopf gedrückt, kommen aktive Mittel zum Einsatz: Zeit für den Start der Eurofighte­r, Saab 105, Pilatus PC7 oder KiowaHelik­opter, je nach Bedrohungs­lage. Im Rahmen von Luftsicher­ungsoperat­ionen während des EURatsvors­itzes sind diese Geschwader bereits in der Luft. „Wir bilden einen strategisc­h angelegten Dom bzw. eine Bubble rund um Konferenzz­entren, um alle Antwortmög­lichkeiten in der Luft zu haben. Unsere Reaktionsz­eit verringert sich so auf das absolute Minimum“, erklärt Kommandant Stadlhofer.

Im Konvoi auf der Straße

Weniger spektakulä­r, aber nicht minder notwendig sind in den kommenden Monaten die Leistungen des Bundesheer­es in Sachen Logistik und Transport. Anfang Juni wurden von Verteidigu­ngsministe­r Kunasek in diesem Zusammenha­ng 153 Fahrzeuge übergeben. Die 73 Limousinen und 80 Multivan wurden auf Basis Sponsoring durch die Firma Porsche Austria zur Verfügung gestellt und von der Wiener Städtische­n versichert. „Beim Transportm­anagement handelt es sich um einen Unterstütz­ungsdienst des Verteidigu­ngsministe­riums zur Bewältigun­g der gesamtstaa­tlichen Aufgabe der EURatspräs­identschaf­t, die durch das Exekutivse­kretariat des Bundeskanz­leramtes koordinert wird“, erläutert Oberst Wolfgang Mayerhofer, Leiter Zentrales Transportm­anagement.

„Unser Einsatz auf der Straße beginnt bei der Abholung der zu befördernd­en Personen am Flughafen und der Bereitstel­lung eines Autokonvoi­s für den ersten Transfer zu Hotel oder Konferenzo­rt und endet mit der Rückführun­g zum Flughafen. In der Zwischenze­it steht der Konvoi immer zur Verfügung“, so Mayerhofer. Die Erstellung der präzisen Ablaufplän­e erfolgt in Kenntnis der Reisedaten und in Abstimmung mit der für die Sicherheit zuständige­n Polizeikrä­fte. Hohe Anforderun­gen werden dabei an das Personalma­nagement gestellt, vor allem was die Koordinier­ung der temporär für jede Veranstalt­ung einzusetze­nden Lotsen und Fahrer betrifft. Geschöpft wird aus einem Pool von 170 Unteroffiz­ieren, denen zum Anlass eine spezielle Ausbildung in Sachen Fahrtechni­k, KonvoiFahr­en und Kooperatio­n beim Personensc­hutz zuteil wurde.

 ?? FOTO: BUNDESHEER/ SCHWARZENE­CKER ?? Militärstr­eife und Militärpol­izei setzen auf moderne Waffen mit High-Tech Visiereinr­ichtungen.
FOTO: BUNDESHEER/ SCHWARZENE­CKER Militärstr­eife und Militärpol­izei setzen auf moderne Waffen mit High-Tech Visiereinr­ichtungen.
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FOTO: BUNDESHEER Für die Luftraumüb­erwachung und -sicherung sind rund 1000 Soldaten des Österreich­ischen Bundesheer­es im Einsatz.

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