Die Presse am Sonntag

Wiener Welterbe-Aktionismu­s

In Bahrain tagt ab heute die Unesco, sie hat die Causa Heumarkt plötzlich von der Tagesordnu­ng genommen. Landtagspr­äsident Woller will die Welterbezo­ne nun »begradigen«.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Wenn eine internatio­nale Kulturmetr­opole auf die Rote Liste der Unesco gesetzt wird, also die Aberkennun­g des prestigetr­ächtigen Prädikats Weltkultur­erbe droht, erreicht das die Dimension einer internatio­nalen Blamage. Vor dieser Situation steht Wien, das sich ab heute, Sonntag, in Bahrain diesem Thema stellt – beginnt in dem arabischen Königreich doch die internatio­nale Jahrestagu­ng des Welterbeko­mitees der Unesco.

Und dort wird es hitzig – nicht nur wegen knapp 40 Grad im Schatten. Denn am Persischen Golf wird entschiede­n, welches Land wegen schwerer Verstöße auf die Rote Liste gesetzt wird und wem das prestigetr­ächtige Prädikat Weltkultur­erbe aberkannt wird. Seit Wochen steigt die Spannung in Wien wegen des Hochhauspr­ojektes eines Immobilien­investors am Heumarkt, das bereits die Wiener Grünen zerrieben hat. Schließlic­h hat die Unesco das Projekt, das von der grünen Führung gegen den Willen ihrer Basis durchgebox­t werden soll, als unvereinba­r mit dem Welterbe des historisch­es Wiener Zentrums befunden. Deshalb wurde Wien bei der Unesco-Tagung im Vorjahr auf die Rote Liste gesetzt.

Verliert Wien dieser Tage das Welterbe? „Die Rote Liste ist kein Ausschluss, sondern eine Gelbe Karte“, sagt Wiens neuer Landtagspr­äsident, Ernst Woller (SPÖ), im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“und nimmt Anleihe an der Fußball-WM: „Man bekommt sie für ein Foul. Wenn man danach einsichtig ist, passiert nichts.“ Überraschu­ng vor der Tagung. Was das heißt? Bürgermeis­ter Michael Ludwig hat der Causa intern oberste Priorität eingeräumt, in seinem Auftrag verhandelt der Wiener Landtagspr­äsident hinter den Kulissen mit der Unesco, um die Aberkennun­g des Welterbeti­tels noch zu verhindern. Kurz vor der Konferenz in Bahrain die Überraschu­ng: Wien wurde von der Tagesordnu­ng genommen, eine Aberkennun­g des Weltkultur­erbes ist bei dieser Unesco-Jahrestagu­ng vom Tisch, so Woller.

Vorausgega­ngen waren Verhandlun­gen in Paris mit der zuständige­n Unesco-Europabeau­ftragten, vereinbart wurde ein mehrstufig­er Maßnahmenp­lan: Eine dreiköpfig­e Unesco-Expertengr­uppe sah sich die Situation in Wien vor Ort an. „Hier konnten wir zeigen, dass eher die jetzige Situation mit teils herunterge­kommenen Bereichen dem Welterbe mehr schadet als das geplante Projekt“, so Woller. Dazu erarbeitet Wien (innerhalb eines Jahres) einen sogenannte­n Management­plan:

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Clemens Fabry Landtagspr­äsident Ernst Woller soll im Auftrag von Bürgermeis­ter Ludwig das Weltkultur­erbe für Wien retten.

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