Die höhere Bestimmung der alten Milchkühe
Das Fleisch alter heimischer Milchkühe wird seit Jahrzehnten nach Spanien exportiert und dort als Delikatesse verkauft. Robert Weishuber vermarktet nun hierzulande lang gereifte Steaks. Küchenchef Walter Leidenfrost hat Grill-Tipps dazu.
Mit der Ausnahme von Wein und vielleicht auch noch lang gereiftem Käse ist Alter in der Kulinarik meist kein Qualitätskriterium. Alles, was jung und frisch ist, erscheint uns als besonders delikat. Fleisch von alten Tieren hat gerade noch in der Suppe oder in der Wurstverarbeitung Platz. Dass aber Fleisch von zehnjährigen Milchkühen (oder weit darüber hinaus, die Spanne reicht von acht bis 18 Jahren) als Delikatesse verkauft wird, ist hierzulande neu. Im Gegensatz zu Frankreich oder Spanien, wo lang gereiftes Fleisch von alten, ausgedienten Milchkühen einen hohen kulinarischen Stellenwert hat – und dort zu Apothekerpreisen etwa unter dem Namen Txogitxu verkauft wird.
„Ich habe recherchiert, wo dieses Fleisch herkommt und bin draufgekommen, dass es aus Mitteleuropa stammt“, sagt Robert Weishuber. Die geografische Angabe hat sich recht rasch konkretisiert: „Es ist tatsächlich so, dass der Großteil aus Österreich kommt, von kleinen Bauern.“Diese verkaufen die ausgedienten Milchkühe an Schlachtbetriebe und wissen meist gar nicht, dass das Fleisch der einstigen Milchlieferanten eine „höhere Bestimmung“hat, wie Weishuber sagt. Die Bauern haben die Tiere ein paar Monate gefüttert, im Glauben, sie werden der Wurstproduktion zugeführt.
Weishuber hat sich dann gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Benjamin Hofer intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt (der eine ist gelernter Koch und war in der Marketing-Abteilung „eines Energiedrink-Herstellers“beschäftigt, der andere ist in England gastronomisch tätig, u. a. mit Rene´ Redzepi oder Massimo Bottura). Ein dreiviertel Jahr lang haben die beiden recherchiert und sich in Österreich mehrere Schlachtbetriebe als mögliche Kooperationspartner angesehen, bis sie den richtigen Partnerbetrieb gefunden haben. Seit knapp zwei Jahren betreiben sie das Unternehmen X. O. Beef, bei dem sie ebendieses wertvolle Fleisch von alten Kühen (Fleckvieh, das zu 95 Prozent aus Salzburg stammt) an die heimische Gastronomie und auch via Online-Shop an Privatkunden verkaufen. „Wobei sich nicht jede alte Milchkuh dafür eignet, die Fettigkeit und die Marmorierung spielen eine wichtige Rolle. Das Fleisch wird im Schlachtbetrieb noch einmal aussortiert“, erklärt Weishuber. Kein Filetesser. Einer dieser Gastronomen ist Walter Leidenfrost, der im sechsten Wiener Bezirk im Restaurant Ludwig van kocht. „Natürlich hat das Fleisch ein bissl mehr Biss. Aber ich bin kein Filetesser. Ich will mein Fleisch nicht mit dem Strohhalm aufsaugen, und ich brauch das auch nicht, wenn es sich leicht am Gaumen zerdrücken lässt“, sagt Leidenfrost. Man müsse dieses Fleisch den Gästen nach wie vor erklären, immerhin sind die meisten an Produkte aus rund eineinhalbjähriger Massentierhaltung gewöhnt.