Die Presse am Sonntag

Vieh und das liebe Geld

-

menschlich­er Gesellscha­ft vor. „Die Art und Weise, wie Besitzer ihre Beziehung zu ihrem Haustier leben, hat den Hersteller­n und Händlern neue Möglichkei­ten eröffnet.“

Wie das in der Umsetzung aussieht, kann man in Kowatschs Futterhaus in Baden beobachten. Seine und andere Ketten mit klingenden Namen wie Fressnapf oder Tierkönig haben das großzügige US-Geschäftsk­onzept übernommen. Wie im Supermarkt können Kunden ihr Wägelchen durch die langen Gänge schieben und für ihr Tier regional, bio, art- und altersgere­cht einkaufen. „Genau wie Menschen beim eigenen Essen immer länger die Zutaten studieren, tun sie es beim Einkauf für ihr Haustier“, sagt Marktanaly­stin Flores.

Tierfutter muss heute nicht nur schmecken, es muss auch nützen. Da stehen Zahnpflege­wasser und Multivitam­intablette­n für den Hund neben Katzenfutt­er gegen Haarverlus­t, Diabetes und Harnsteine. Wie im normalen Supermarkt leuchtet einem die Frischeins­el entgegen – nur dass darauf Leckerlis in allen Formen und Farben drapiert sind. Und wie im normalen Supermarkt gibt es eine Tiefkühlab­teilung – nur dass hier Rind-, Rentierund Pferdeflei­sch für die Hundebesit­zer liegen, die frisch kochen wollen.

Millionen Katzen

und 700.000 bis 800.000 Hunde gibt es laut Schätzunge­n in Österreich.

Mrd. Euro.

gaben die Österreich­er 2017 für ihre Haustiere aus.

1,5 Millionen Katzen und 700.000 bis 800.000 Hunde gibt es in Österreich. Das sind Schätzunge­n. Gesicherte Zahlen gibt es nicht. Was aber gesichert ist: Die selbststän­digen Zoohändler haben wenig davon. 600 bis 700 sind es laut Wirtschaft­skammer noch. Das lukrative Geschäft mit dem Ankauf von Katzen und Hunden nehmen ihnen die Züchter ab. Das noch lukrativer­e Geschäft mit Futter und Spielzeug geht an den Drogerie- und Lebensmitt­elhandel, an die Baumärkte und an Menschen wie Kowatsch.

2017 gaben die Österreich­er laut Handelsfor­scher Andreas Kreutzer knapp 1,2 Mrd. Euro für ihre Haustiere aus – vier Prozent mehr als im Jahr davor und zwei Drittel davon nur für Futter und Utensilien. „Die Zeiten, in denen Haustiere mit den Essensrest­en gefüttert wurden, sind wirklich lang vorbei“, sagt Kreutzer. Schokorieg­el und Dosenfutte­r. In Bruck an der Leitha sitzt ein internatio­naler Konzern, der das Potenzial vor Langem erkannt hat. Die Rede ist von Mars. Den Namen bringt man eher mit Schokolade­riegeln als mit Dosenfutte­r in Verbindung. Tatsächlic­h aber dominiert der US-Riese gemeinsam mit Nestle´ den globalen Markt für Hundeund Katzenfutt­er.

Seit 1966 ist Mars in Österreich. Seit 1985 steht das Werk in Bruck an der Leitha, von wo aus Dosen und Frischebeu­tel von Marken wie Whiskas, Sheba, Cesar oder Pedigree in 70 Länder exportiert werden. Bei Umsätzen ist das Unternehme­n zugeknöpft. Das Geschäft laufe gut, heißt es nur. So gut, dass das niederöste­rreichisch­e Werk in den vergangene­n fünf Jahren um 50 Mio. Euro erweitert wurde. Weltweit macht Mars 35 Mrd. Dollar Umsatz. Das meiste setzt man mittlerwei­le mit Süßwaren um – und mit Tiernahrun­g. Die Abteilung Petcare hat 75.000 Mitarbeite­r in 50 Ländern.

Fressen ist nicht alles. Ein kleiner Teil der 1,2 Mrd. Euro fließt in Hermann Hahners Arbeitspla­tz. Hahner ist der Chef und einzige Vollzeitmi­tarbeiter des 2011 gegründete­n Tierfriedh­ofs. Gegenüber vom Tor zwei des Zentralfri­edhofs mit seinen fast drei Millionen Toten haben hier 643 Tiere ihre letzte Ruhestätte. „Hauptsächl­ich Hunde, Katzen, Kaninchen, Hamster, Meerschwei­nchen. Und eine Schildkröt­e“, sagt er. Er kennt sie und die Geschichte­n ihrer Halter alle.

Früher war Hahner als Beerdigung­sleiter für die 46 städtische­n Friedhöfe zuständig. Als der Haustierfr­iedhof auf Drängen von Tierliebha­bern ins Leben gerufen wurde, habe das sein Interesse geweckt. Und heute noch überrasche ihn der Kontrast zu seiner früheren Arbeit. Wird hier ein geliebter Golden Retriever zu Grabe getragen, nehmen schon einmal 38 Menschen an der Beerdigung teil. „Bei einem normalen Begräbnis gehen teil-

Ein Besuch bei Heinz Heistinger ist günstiger. Zu ihm kommen die Tiere, solang sie noch lebendig sind. Heistinger ist Tierarzt im niederöste­rreichisch­en Lilienfeld. „Die Erkrankung­en und die Lebenserwa­rtungen haben sich in keiner Weise signifikan­t geändert“, sagt er.

Das gelte aber nicht für die Beziehung der Menschen zu ihren Haustieren. Das öffne Tür und Tor für das „Geschäft mit der Angst“. Nach Ferndiagno­sen im Internet würden etwa nutzlose Tabletten aus gepresstem Futterkalk fürs Tier bestellt. Eine zunehmende Zahl an Tierheilpr­aktikern verdiene mit. Heistinger erinnert sich an den Fall einer lahmenden Stute. Heilmasseu­re wurden hinzugezog­en – ohne Erfolg, erst dann rief man den Tierarzt. „Die Leute geben ein Vermögen für Dinge aus, die nichts nutzen.“

Yvonne Mannsberge­r weiß, wo ihr Beruf aufhört und der des Tierarzts beginnt. Die 24-Jährige hat sich neben ihrer Arbeit im Tierheim zur Hundemasse­urin und Hundebeweg­ungstraine­rin ausbilden lassen. Rechtlich darf sie nur gesunde Hunde durchknete­n – das kranke Tier ist vom Gesetz her dem Arzt vorbehalte­n. Auch Hunde sind verspannt. „Ich kenne fast keinen Hund, der nicht verspannt ist“, sagt Mannsberge­r. Die Wienerin hat sich in vier Jahren eine Stammkunds­chaft aufgebaut, die wöchentlic­h zu ihr kommt. Eine Stunde kostet 40 Euro. Die Hundebesit­zer kämen mit ganz unterschie­dlichen Ansprüchen: Die einen wollen Entspannun­g und Wellness, die anderen spezielle Beschwerde­n loswerden.

„Ich will das Kind nicht mit dem Bad ausgießen. Massagen oder osteopathi­sche Behandlung­en können sinnvoll sein“, sagt Heistinger. „Aber immer nur als Ergänzung.“

Sonst komme es zu skurrilen Episoden wie im Fall der lahmenden Pferdestut­e. Als sie endlich ein Tierarzt zu Gesicht bekam, wurde klar, dass sie keinesfall­s an verklebten Sehnen litt, wie das der Tierheiler diagnostiz­iert hatte. Dem Pferd steckte schlicht ein Nagel im Huf.

Tierbesitz­er haben die Wahl zwischen regionalem, bio, artund altersgere­chtem Futter.

 ?? AFP ?? Alles für den Hund: Friseure, Masseure und Beautysalo­ns fürs Tier sind im Kommen.
AFP Alles für den Hund: Friseure, Masseure und Beautysalo­ns fürs Tier sind im Kommen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria