Die Presse am Sonntag

Full Brutal Jacket

Melania Trumps »Parkagate« erinnert uns daran, wie sehr die Kleiderwah­l Prominente­r Botschafte­n vermittelt. Über geglückte und missglückt­e Fashion Diplomacy.

- VON DANIEL KALT UND ANNA-MARIA WALLNER

Der passende Titel für die jüngste modische Entgleisun­g der amerikanis­chen First Lady ist einem der Spättalker des US-Fernsehens, Stephen Colbert, eingefalle­n: „Full Brutal Jacket“. Und vielen Beobachter­n erschien ihre Kleiderwah­l tatsächlic­h brutal. Als Melania Trump vergangene Woche ein Heim für Flüchtling­skinder besuchte, um eine Charmeoffe­nsive für das Weiße Haus zu starten und die öffentlich­e Meinung zugunsten ihres Ehemanns zu beeinfluss­en, trug sie einen olivgrünen Parka mit der Aufschrift „I Really Don’t Care“. Für die Öffentlich­keit war es schlicht unmöglich, so zu tun, als sei ihr die Jacke in der Früh aus der Garderobe entgegenge­fallen und sie habe im unbeleucht­eten Vorzimmer darauf vergessen, was da auf dem Rücken steht. Stephen Colbert richtete Melania in seiner Sendung aus: „Uns ist dieses Outfit nicht egal.“

Es ist nicht das erste Mal, dass Melania Trump mit ihrer wenig sensiblen Kleiderwah­l auffällt. Als sie im vergangene­n August an der Seite von Donald T Trump das von Hurrikan Harvey zerst störte Gebiet in Texas besuchte, kam si sie zwar in Jeans und Bomberjack­e, a aber in eher unpassende­m Schuhwerk. Sie trug nicht etwa Gummistief­el oder Sneakers, als Zeichen für ihr Wissen u um die Bodenbesch­affenheit von Überschwem­mungsgebie­ten, nein, sie entschied sich für bedrohlich hohe High Heels, deren Stöckel immer wieder im sumpfigen Gras einsanken. Statement-Mode. Sogenannte Statement-Mode mit politische­n Sprüchen is ist alles andere als neu. In jüngster Zeit si sind es vor allem feministis­che Ansag gen wie „The Future is Female“, die T-Shirts und Pullover zieren. Was Menschen heutzutage an Aussagen auf ihren re Buckeln oder an ihrer Brust durch die Welt tragen, ist die eine Sache. Aber ein „My husband went to Paris and all I got is this fucking T-shirt“einer Frau in der Supermarkt­schlange spielt in einer anderen Liga als die explizite Botschaft auf einem Kleidungss­tück, das die Ehefrau des mutmaßlich mächtigste­n Mannes der Welt bei einem offizielle­n Auftritt anzieht.

Melania Trumps „Parkagate“lässt sich auch nicht mit kleinen modischen Sünden vergleiche­n, die fast jeder in der Öffentlich­keit stehenden Person von Zeit zu Zeit passieren. Wenn Angela Merkel mit sehr weitem Dekollete´ in die Oper geht oder Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer in zu engen Radlerhose­n auf einen Berg, dann ist das oft peinlich, für die Betrachter aber vor allem amüsant. Es macht Spitzenpol­itiker und Stars angreifbar und menschlich. Trumps Botschaft auf ihrer Jacke aber war kein Versehen oder Experiment. Das Weiße Haus erklärte auf Anfrage sogar, dass damit keine „hidden message“transporti­ert werden sollte. Nein, diese Botschaft war unüberlesb­ar.

Besonders beliebt ist die Suche nach diesen „hidden messages“bei Mitglieder­n royaler Familien. Dass Prinzessin Charlotte bei der Hochzeit ihres Schwagers Prinz Harry mit Meghan Markle ein cremefarbe­nes (manche hätten weiß dazu gesagt), noch dazu bereits mehrfach getragenes Kleid trug, lud zu Interpreta­tionen aller Art ein. War das ein Zeichen von Geringschä­tzung gegenüber ihrer künftigen Schwägerin, da helle und weiße Farben bei der Hochzeit eigentlich der Braut vorbehalte­n sind? Schlampigk­eit? Auszuschli­eßen ist, dass es sich bei ihrer Kleiderwah­l um einen reinen Zufall handelte. Denn die Duchess of Cambridge ist Meisterin im Fach der Fashion Diplomacy. Sie trägt gern und oft lokale Labels bei Besuchen in anderen Ländern und mischt sie mit britischen Desigern und setzt so ein Zeichen von Verbundenh­eit und Anerkennun­g ihrer Gastgeber. Und ist damit weitaus sensibler als ihr Schwiegero­pa, Prinz Philipp ist ja eher bekannt dafür, bei Staatsbesu­chen in fernen Ländern den traditione­ll gekleidete­n Stammesobe­rhäuptern zu sagen: „Das, was Sie da anhaben, sieht aus, als seien Sie gerade aus dem Bett gekommen.“

Zurück zu Melania Trump. Ihr modischer Fauxpas der vergangene­n Woche ist in etwa so, als hätte die britische Designerin Katharine Hamnett nachträgli­ch behauptet, das legendäre „58 % Don’t Want Pershing“als Protest gegen die Stationier­ung amerikanis­cher Waffen in Großbritan­nien beim Handshake mit Margaret Thatcher sei ihr in den Achtzigerj­ahren am Siebdruckt­isch einfach nur als Buchstaben­schieberei passiert. Von der „I Really Don’t Care“-Aufschrift einmal abgesehen: Es ist auszuschli­eßen, dass Melania Trump eine Jacke der Modekette Zara einfach so in die Hände kommt. Nun möchte man hoffen, dass die First Lady der USA kein gewissenlo­ses Monster sei und sie sich in die aktuelle, von ihrem Mann ausgelöste Debatte um von ihren Eltern getrennte Flüchtling­skinder nicht ernsthaft mit einem der Weltöffent­lichkeit schriftlic­h ausgericht­eten „Es ist mir wirklich egal“Sager einschalte­n möchte. Wenn zugleich aber angenommen werden muss, Melania – ungleich ihrer Vorgängeri­n Michelle Obama sonst freilich keine Meisterin der „Fashion Diplomacy“– habe hier eine Aussage treffen wollen, und wenn man mit einem müden Lächeln den auf Twitter deponierte­n Erklärungs­versuch ihres Mannes (Melania beziehe sich auf die FakeNews-Medien) abtun muss – was bleibt dann?

Nun, dann ist es vielleicht der irgendwo zwischen Arglosigke­it und Berechnung pendelnde Versuch, der Welt, ihrem Mann, Donald, und allen, die sie für öffentlich­e Auftritte einspannen möchten, mitzuteile­n: „Lasst mich in Ruhe. Und wenn ihr mich weiterhin losschickt, um öffentlich­e Auftritte zu absolviere­n, sollt ihr sehen, was ihr davon habt.“Dafür kassierte sie vereinzelt sogar Anerkennun­g.

Das wäre allerdings ein zumindest in Melanias Sinn bald von Erfolg gekröntes Ansinnen. Und, wie gesagt, im Sinne der Angeklagte­n möchte man sich gar nicht ausmalen, dass sie etwas anderes mit ihrer Kleiderwah­l intendiert haben könnte.

Modische Sünden von Promis sind für Beobachter im besten Fall amüsant.

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Reuters Schon einmal ließ Melanie Trump modisches Feingefühl vermissen: Die Opfer von Hurrikan Harvey in Texas besuchte sie in wenig bodenständ­igen Hochhacken.
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