Full Brutal Jacket
Melania Trumps »Parkagate« erinnert uns daran, wie sehr die Kleiderwahl Prominenter Botschaften vermittelt. Über geglückte und missglückte Fashion Diplomacy.
Der passende Titel für die jüngste modische Entgleisung der amerikanischen First Lady ist einem der Spättalker des US-Fernsehens, Stephen Colbert, eingefallen: „Full Brutal Jacket“. Und vielen Beobachtern erschien ihre Kleiderwahl tatsächlich brutal. Als Melania Trump vergangene Woche ein Heim für Flüchtlingskinder besuchte, um eine Charmeoffensive für das Weiße Haus zu starten und die öffentliche Meinung zugunsten ihres Ehemanns zu beeinflussen, trug sie einen olivgrünen Parka mit der Aufschrift „I Really Don’t Care“. Für die Öffentlichkeit war es schlicht unmöglich, so zu tun, als sei ihr die Jacke in der Früh aus der Garderobe entgegengefallen und sie habe im unbeleuchteten Vorzimmer darauf vergessen, was da auf dem Rücken steht. Stephen Colbert richtete Melania in seiner Sendung aus: „Uns ist dieses Outfit nicht egal.“
Es ist nicht das erste Mal, dass Melania Trump mit ihrer wenig sensiblen Kleiderwahl auffällt. Als sie im vergangenen August an der Seite von Donald T Trump das von Hurrikan Harvey zerst störte Gebiet in Texas besuchte, kam si sie zwar in Jeans und Bomberjacke, a aber in eher unpassendem Schuhwerk. Sie trug nicht etwa Gummistiefel oder Sneakers, als Zeichen für ihr Wissen u um die Bodenbeschaffenheit von Überschwemmungsgebieten, nein, sie entschied sich für bedrohlich hohe High Heels, deren Stöckel immer wieder im sumpfigen Gras einsanken. Statement-Mode. Sogenannte Statement-Mode mit politischen Sprüchen is ist alles andere als neu. In jüngster Zeit si sind es vor allem feministische Ansag gen wie „The Future is Female“, die T-Shirts und Pullover zieren. Was Menschen heutzutage an Aussagen auf ihren re Buckeln oder an ihrer Brust durch die Welt tragen, ist die eine Sache. Aber ein „My husband went to Paris and all I got is this fucking T-shirt“einer Frau in der Supermarktschlange spielt in einer anderen Liga als die explizite Botschaft auf einem Kleidungsstück, das die Ehefrau des mutmaßlich mächtigsten Mannes der Welt bei einem offiziellen Auftritt anzieht.
Melania Trumps „Parkagate“lässt sich auch nicht mit kleinen modischen Sünden vergleichen, die fast jeder in der Öffentlichkeit stehenden Person von Zeit zu Zeit passieren. Wenn Angela Merkel mit sehr weitem Dekollete´ in die Oper geht oder Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer in zu engen Radlerhosen auf einen Berg, dann ist das oft peinlich, für die Betrachter aber vor allem amüsant. Es macht Spitzenpolitiker und Stars angreifbar und menschlich. Trumps Botschaft auf ihrer Jacke aber war kein Versehen oder Experiment. Das Weiße Haus erklärte auf Anfrage sogar, dass damit keine „hidden message“transportiert werden sollte. Nein, diese Botschaft war unüberlesbar.
Besonders beliebt ist die Suche nach diesen „hidden messages“bei Mitgliedern royaler Familien. Dass Prinzessin Charlotte bei der Hochzeit ihres Schwagers Prinz Harry mit Meghan Markle ein cremefarbenes (manche hätten weiß dazu gesagt), noch dazu bereits mehrfach getragenes Kleid trug, lud zu Interpretationen aller Art ein. War das ein Zeichen von Geringschätzung gegenüber ihrer künftigen Schwägerin, da helle und weiße Farben bei der Hochzeit eigentlich der Braut vorbehalten sind? Schlampigkeit? Auszuschließen ist, dass es sich bei ihrer Kleiderwahl um einen reinen Zufall handelte. Denn die Duchess of Cambridge ist Meisterin im Fach der Fashion Diplomacy. Sie trägt gern und oft lokale Labels bei Besuchen in anderen Ländern und mischt sie mit britischen Desigern und setzt so ein Zeichen von Verbundenheit und Anerkennung ihrer Gastgeber. Und ist damit weitaus sensibler als ihr Schwiegeropa, Prinz Philipp ist ja eher bekannt dafür, bei Staatsbesuchen in fernen Ländern den traditionell gekleideten Stammesoberhäuptern zu sagen: „Das, was Sie da anhaben, sieht aus, als seien Sie gerade aus dem Bett gekommen.“
Zurück zu Melania Trump. Ihr modischer Fauxpas der vergangenen Woche ist in etwa so, als hätte die britische Designerin Katharine Hamnett nachträglich behauptet, das legendäre „58 % Don’t Want Pershing“als Protest gegen die Stationierung amerikanischer Waffen in Großbritannien beim Handshake mit Margaret Thatcher sei ihr in den Achtzigerjahren am Siebdrucktisch einfach nur als Buchstabenschieberei passiert. Von der „I Really Don’t Care“-Aufschrift einmal abgesehen: Es ist auszuschließen, dass Melania Trump eine Jacke der Modekette Zara einfach so in die Hände kommt. Nun möchte man hoffen, dass die First Lady der USA kein gewissenloses Monster sei und sie sich in die aktuelle, von ihrem Mann ausgelöste Debatte um von ihren Eltern getrennte Flüchtlingskinder nicht ernsthaft mit einem der Weltöffentlichkeit schriftlich ausgerichteten „Es ist mir wirklich egal“Sager einschalten möchte. Wenn zugleich aber angenommen werden muss, Melania – ungleich ihrer Vorgängerin Michelle Obama sonst freilich keine Meisterin der „Fashion Diplomacy“– habe hier eine Aussage treffen wollen, und wenn man mit einem müden Lächeln den auf Twitter deponierten Erklärungsversuch ihres Mannes (Melania beziehe sich auf die FakeNews-Medien) abtun muss – was bleibt dann?
Nun, dann ist es vielleicht der irgendwo zwischen Arglosigkeit und Berechnung pendelnde Versuch, der Welt, ihrem Mann, Donald, und allen, die sie für öffentliche Auftritte einspannen möchten, mitzuteilen: „Lasst mich in Ruhe. Und wenn ihr mich weiterhin losschickt, um öffentliche Auftritte zu absolvieren, sollt ihr sehen, was ihr davon habt.“Dafür kassierte sie vereinzelt sogar Anerkennung.
Das wäre allerdings ein zumindest in Melanias Sinn bald von Erfolg gekröntes Ansinnen. Und, wie gesagt, im Sinne der Angeklagten möchte man sich gar nicht ausmalen, dass sie etwas anderes mit ihrer Kleiderwahl intendiert haben könnte.
Modische Sünden von Promis sind für Beobachter im besten Fall amüsant.