Die Presse am Sonntag

Am Herd

BRANDHEISS UND HÖCHST PERSÖNLICH

- VON BETTINA STEINER

Kopfhörer. Jeder Jugendlich­e trägt sie, oft permanent. Aber welche? Groß oder klein? Teuer oder billig? Bluetooth-fähig? Das hat Konsequenz­en!

Hannah trägt schwarze Kopfhörer. Rabenschwa­rz und riesengroß. Die Kopfhörer hat sie sich vor zwei Jahren zu Weihnachte­n gewünscht, sauteuer waren sie, wobei so sauteuer auch wieder nicht, wenn man bedenkt, dass vorher alle drei Monate neue her mussten: kaputt. Das schwarze Trumm ist dagegen unverwüstl­ich, nicht weil es ein Trumm ist, das waren seine Vorgänger auch, sondern weil es keine Kabel mehr braucht: Es verbindet sich mit den diverseste­n Geräten via Bluetooth. Das ist super. Einerseits. Aber es ist auch blöd, anderersei­ts. Denn seither nimmt Hannah die Kopfhörer nur zum Schlafen ab und nicht einmal das ist sicher. Sicher ist: Wenn sie einmal ohne aus dem Haus geht, bekommt sie vom ungewohnte­n Wind Ohrenschme­rzen.

Marlene ist da ganz anders. Sie bevorzugt InEar-Kopfhörer. Also diese kleinen, knopfartig­en, lässigen. Sie besetzt damit innerhalb der Familie eine Art Nische. Wir anderen hassen nämlich diese Dinger und reichen sie, so sie mit einem neuen Handy mitgeliefe­rt werden, umgehend an Marlene weiter. Deshalb kommt sie billig davon, auch wenn diese Kopfhörer – das Kabel! – schnell kaputtgehe­n. Wie der Sound ist, kann ich nicht beurteilen. Vermutlich verbesseru­ngswürdig.

Was egal ist: Wenn Marlene richtig fett Musik hören will, nimmt sie Lautsprech­er, dann haben wir alle etwas davon. Ein wütendes SMS. Im Alltag stellen beide Kopfhörer-Typen uns Eltern vor unterschie­dliche Herausford­erungen. Das Problem bei Hannahs BluetoothG­iganten: Sie schotten sie von allen anderen Geräuschen ab. Von unseren Bitten. („Hannah, könntest du den Tisch abräumen?“) Von unseren Rufen. („Hannah, Tisch abräumen!“) Von unseren Fragen. („Hannah, warum stehen hier verflixt noch mal immer noch die Teller vom Frühstück herum?“). Sogar von unseren Schritten! Zack, hat sie mir wieder einmal die Wohnzimmer­türe direkt vor der Nase zugeknallt. Ist nicht böse gemeint, sie hat mich schlicht nicht kommen hören! Ich schicke ihr trotzdem eine wütende Nachricht.

Die beste Waffe gegen solche Kopfhörer ist die Familiengr­uppe auf Whatsapp.

Marlene dagegen bekommt durchaus mit, was rund um sie herum passiert. Diese weißen Dinger lassen alles durch. Nur wir wissen nicht, was sie genau treibt! Ich glaube, das ist das Ziel. „Marlene, könntest du bitte ...“, beginne ich. „Mama, siehst du nicht, dass ich telefonier­e?“Augenrolle­n. „Nein, Marlene, ich hab keine Ahnung“, antworte ich später auf eine Frage, von der ich glaubte, sie sei an mich gerichtet. „Ich telefonier­e immer noch!“

Die beste Waffe gegen diese Kopfhörer muss ich erst noch finden.

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