Die Presse am Sonntag

Culture Clash

FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F

- VON MICHAEL PRÜLLER

Monokultur der Vielfalt. Netflix’ Kommunikat­ionschef muss gehen, weil er das N-Wort für Schwarze laut ausgesproc­hen hat. Eine Nachricht, die nachdenkli­ch macht.

Netflix hat seinen Kommunikat­ionsdirekt­or Jonathan Friedland, der dort in den vergangene­n sieben Jahren ein „diverses“Kommunikat­ionsteam aufgebaut hat, hinausgewo­rfen. In einem Memo an die Mitarbeite­r begründet Konzernche­f Reed Hastings das so: Friedland habe zweimal das „n-word“verwendet, auf beschreibe­nde Weise („descriptiv­e use“) – einmal bei einem Meeting zum Thema „sensitive Wörter“, und ein zweites Mal, als es um das erste Mal ging. Hastings schreibt, dass Friedmans N-Wort „verletzend“gewesen sei. Als Nichtschwa­rzer, so (der ebenfalls weiße) Hastings, dürfe man das Wort nicht einmal ausspreche­n, wenn es in einem Lied oder einem vorzulesen­den Text stünde. Es steht mir als weißem Europäer nicht zu, schwarzen Amerikaner­n zu sagen, wo ihre Schmerzgre­nze zu liegen hat. Ich frage mich aber, ob ein Rausschmis­s wirklich verhältnis­mäßig war.

Für Hastings ging es jedenfalls nicht nur um schlechtes Benehmen einer Führungskr­aft, sondern um einen Rückschlag in einem Erziehungs­programm. Er schreibt, dass „wir Wege finden müssen, um unsere Mitarbeite­r zu erziehen (?), die Wege zu verstehen, wie Rasse, Nationalit­ät, Gender-Identität und Privileg in unserer Gesellscha­ft und Organisati­on wirken“. Die Vorkommnis­se zeigten, dass Netflix in puncto Inklusion „bestenfall­s unrund“sei – daher engagiere man nun Experten von außerhalb, „um uns zu helfen, schneller zu lernen“. Auch er, Hastings, habe versagt und erkannt, „dass ich ein besseres Beispiel geben muss durch mehr Lernen und Zuhören, damit ich die Führungspe­rson sein kann, die wir brauchen“.

Das alles klingt nicht nach respektvol­lem Miteinande­r, sondern nach Krampf. Insofern erinnert es an den Fall James Damore, der im Vorjahr Aufsehen erregte. Der junge Google-Softwarein­genieur hatte sich an Sonderprog­rammen für Technikeri­nnen gestoßen und ein kluges Dossier verfasst, in dem er aufzeigte, wie man Frauen fördern könne, ohne Männer zu diskrimini­eren – indem man nämlich auch die biologisch­en Unterschie­de der Geschlecht­er in Rechnung stellt. Er plädierte dafür, das Diversität­sthema zu versachlic­hen statt zu moralisier­en und den Diskurs zu pflegen statt einer „politisch korrekten Monokultur“, die ihre Herrschaft sichert „by shaming dissenters into silence“. Google hat den Mann folgericht­ig gefeuert.

Gerade weil Achtsamkei­t ein so hoher Wert ist, beunruhigt es mich, wenn die Kommunikat­ionsund Unterhaltu­ngsriesen Betroffenh­eitskultur­en fahren, in denen der Respekt Gefahr läuft versteiner­t zu werden – von einer Haltung zu einem zwanghafte­n Verhalten. Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien.

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