Culture Clash
FRONTNACHRICHTEN AUS DEM KULTURKAMPF
Monokultur der Vielfalt. Netflix’ Kommunikationschef muss gehen, weil er das N-Wort für Schwarze laut ausgesprochen hat. Eine Nachricht, die nachdenklich macht.
Netflix hat seinen Kommunikationsdirektor Jonathan Friedland, der dort in den vergangenen sieben Jahren ein „diverses“Kommunikationsteam aufgebaut hat, hinausgeworfen. In einem Memo an die Mitarbeiter begründet Konzernchef Reed Hastings das so: Friedland habe zweimal das „n-word“verwendet, auf beschreibende Weise („descriptive use“) – einmal bei einem Meeting zum Thema „sensitive Wörter“, und ein zweites Mal, als es um das erste Mal ging. Hastings schreibt, dass Friedmans N-Wort „verletzend“gewesen sei. Als Nichtschwarzer, so (der ebenfalls weiße) Hastings, dürfe man das Wort nicht einmal aussprechen, wenn es in einem Lied oder einem vorzulesenden Text stünde. Es steht mir als weißem Europäer nicht zu, schwarzen Amerikanern zu sagen, wo ihre Schmerzgrenze zu liegen hat. Ich frage mich aber, ob ein Rausschmiss wirklich verhältnismäßig war.
Für Hastings ging es jedenfalls nicht nur um schlechtes Benehmen einer Führungskraft, sondern um einen Rückschlag in einem Erziehungsprogramm. Er schreibt, dass „wir Wege finden müssen, um unsere Mitarbeiter zu erziehen (?), die Wege zu verstehen, wie Rasse, Nationalität, Gender-Identität und Privileg in unserer Gesellschaft und Organisation wirken“. Die Vorkommnisse zeigten, dass Netflix in puncto Inklusion „bestenfalls unrund“sei – daher engagiere man nun Experten von außerhalb, „um uns zu helfen, schneller zu lernen“. Auch er, Hastings, habe versagt und erkannt, „dass ich ein besseres Beispiel geben muss durch mehr Lernen und Zuhören, damit ich die Führungsperson sein kann, die wir brauchen“.
Das alles klingt nicht nach respektvollem Miteinander, sondern nach Krampf. Insofern erinnert es an den Fall James Damore, der im Vorjahr Aufsehen erregte. Der junge Google-Softwareingenieur hatte sich an Sonderprogrammen für Technikerinnen gestoßen und ein kluges Dossier verfasst, in dem er aufzeigte, wie man Frauen fördern könne, ohne Männer zu diskriminieren – indem man nämlich auch die biologischen Unterschiede der Geschlechter in Rechnung stellt. Er plädierte dafür, das Diversitätsthema zu versachlichen statt zu moralisieren und den Diskurs zu pflegen statt einer „politisch korrekten Monokultur“, die ihre Herrschaft sichert „by shaming dissenters into silence“. Google hat den Mann folgerichtig gefeuert.
Gerade weil Achtsamkeit ein so hoher Wert ist, beunruhigt es mich, wenn die Kommunikationsund Unterhaltungsriesen Betroffenheitskulturen fahren, in denen der Respekt Gefahr läuft versteinert zu werden – von einer Haltung zu einem zwanghaften Verhalten. Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.