Die Presse am Sonntag

»Pilz ist jedenfalls kein guter Parteichef«

Sebastian Bohrn Mena kandidiert­e für die Liste Pilz und tritt nun mit scharfer Kritik an Peter Pilz aus der Partei aus. Das politische Projekt sei gescheiter­t, sagt er. Im Klub will er seine Arbeit fortführen.

- VON ANNA THALHAMMER

Warum sind Sie ausgetrete­n? Sebastian Bohrn-Mena: Als ich vor fünf Wochen in die Partei eingetrete­n bin, wollte ich mir einen Überblick verschaffe­n. Wofür bisher Geld ausgegeben wurde, wer hier arbeitet, welche Beschlüsse gefasst wurden. Das alles sollte aus Sitzungspr­otokollen hervorgehe­n, die ich angeforder­t habe und auf die ich laut Statut ein Recht habe. Alle meine Anfragen wurden ignoriert – es blieb mir nichts anderes übrig als auszutrete­n. Ich kann nicht für Vorgänge haften, die ich nicht kenne. Sie haben von „schockiere­nden Ereignisse­n“gesprochen. Was meinen Sie damit? Ich halte es demokratie­politisch für einen Skandal, wenn über die Medien ausgericht­et wird, wen man zur Parteichef­in zu wählen hat, weil es hier offenbar Absprachen zwischen Peter Pilz und Maria Stern hinsichtli­ch Mandat und Parteivors­itz gibt. Auch die Art und Weise, wie man mit Menschen da drinnen umgeht, ist völlig daneben. Ist Ihre Partei undemokrat­isch? Es ist eine autoritäre, fast demokratie­feindliche Umgangswei­se mit Parteimitg­liedern, wenn es keine Informatio­n und keine Form der Mitbestimm­ung gibt. Oder wenn Statuten so geändert werden, dass zwei Personen über 1,5 Millionen Euro verfügen können. Sie haben eine Offenlegun­g der Finanzen gefordert – es gibt nun eine Auflistung auf der Homepage. Transparen­z genug? Nein! Ich bin Betriebswi­rt, die Darstellun­g von Zahlen ist mir geläufig, diese aber nicht. Es riecht förmlich nach Verschleie­rung, etwa bei den Personalko­sten. Ich würde gerne wissen: Was sind diese aufgeliste­ten Förderunge­n? Die Beratungsa­ufträge? Mein Letztstand ist auch, dass es keinen Rechnungsp­rüfer gibt, wie vorgeschri­eben. Das ist alles ominös – Peter Pilz würde bei anderen einen Partei-U-Ausschuss verlangen. Peter Pilz hat einmal von sich selbst gesagt, dass er ein schlechter Chef sei. Hat er recht? Pilz ist jedenfalls kein guter Parteichef. Fänden Sie es besser, wenn Pilz nicht in den Nationalra­t zurückgeko­mmen wäre? Wir sind zusammen angetreten in der Annahme, dass wir gemeinsame Ideale haben – und dass die Personen moralisch einwandfre­i sind. Niemand von uns, der nicht aus dem Bekanntenk­reis von Peter Pilz kam, wusste, dass es Vorwürfe gegen ihn gab. Ich weiß nicht, ob sich manche entschiede­n hätten, nicht mit Peter Pilz zu kandidiere­n, wenn sie davon gehört hätten. Ich hätte es nicht gemacht. Sind die Vorwürfe für Sie ausgeräumt? Ich habe den Medien entnommen, dass die Staatsanwa­ltschaft die Ermittlung­en eingestell­t hat. Insofern sind die strafrecht­lichen Vorwürfe ausgeräumt. Die moralische Diskussion haben wir noch nicht einmal begonnen. Eigentlich hatte Pilz im Herbst dafür den Grundstein gelegt – ich hätte mir gewünscht, dass er sie mit offenem Visier führt. Er hat sie aber in dem Moment beendet, in dem er alles zu einer politische­n Intrige erklärt hat. Er hat sich von seinem eigenen Eingeständ­nis des Fehlverhal­tens distanzier­t. Das halte ich für hochproble­matisch – auch angesichts dessen, dass etwa eine Nicola Werdenigg für uns kandidiert hat. Aus der Partei wollen Sie also raus, aber im Klub weiter als „Abgeordnet­er ohne Mandat“bleiben“? Ich hatte die elftmeiste­n Vorzugssti­mmen aller Kandidaten aller Parteien. Es war abgemacht, dass ich eingebunde­n werde, wenn sich ein Einzug nicht ausgeht. Ich finde, die parlamenta­rische Zusammenar­beit funktionie­rt vor allem mit den Frauen im Klub sehr gut – auf der inhaltlich­en wie auf der persönlich­en Ebene. Ich sehe keinen Grund, warum das davon beeinträch­tigt sein sollte, was ich in meiner Freizeit als Mitglied einer Partei mache. Was müsste sich in der Liste Pilz ändern, damit Sie bleiben würden? Mit meinem Ausstieg ist das politische Projekt für mich beendet, ja gescheiter­t. Ich habe auch keine Hoffnung, dass es in dieser Konstellat­ion mit die- sen Menschen auf diese Art und Weise noch was werden kann. Sie waren vorher bei der SPÖ, bereuen Sie den Wechsel schon? Nein. Der rot-blaue Flügel war bei der SPÖ immer stärker geworden – irgendwann war für mich die Grenze als Nachkomme von Flüchtling­en erreicht. Darum wollte ich auf einer unabhängig­en Bürgerlist­e mit fantastisc­hen Menschen wie Alma Zadic oder Daniela Holzinger etwas links neben der SPÖ starten. Warum sagt die Liste seit Monaten, dass „jetzt dann die Opposition kommt“, wo sie doch schon seit Monaten die Opposition ist? Die parlamenta­rische Arbeit funktionie­rt gut – aber Opposition ist mehr. Es braucht die Menschen auf der Straße. Um eine Organisati­on aufzubauen gäbe es rund 2,6 Millionen Euro. Es gibt aber noch immer keine Beteiligun­gsmöglichk­eiten für die Menschen. Ist die Liste Pilz in der nächsten Legislatur­periode noch im Nationalra­t? Es ist traurig, aber ich glaube nicht, dass eine derart agierende Partei mit diesen Menschen bei Wahlen noch einmal reüssieren kann. Langversio­n: www.diepresse.com

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Akos Burg Sebastian Bohrn Mena verpasste den Einzug knapp. Er arbeitet im Klub als „Abgeordnet­er ohne Mandat“.

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