ALOIS STEINBICHLER
Sie waren jetzt genau 40 Jahre im Bankgeschäft tätig. Wie hat sich die Rolle des Bankers in dieser Zeit gewandelt? Alois Steinbichler: Sie hat sich massiv gewandelt. Früher gab es eine sehr große Kundenorientierung mit einem höheren Maß an Risikobereitschaft. Das änderte sich alles sehr stark in Richtung eines regulierten Geschäfts, bei dem viele unternehmerische Aspekte nicht mehr erlaubt sind. Und das ist zum Teil bedauerlich. Auch das Bild des Bankers hat sich in dieser Zeit gewandelt. War er früher eine Respektsperson, wurden Banker in der Krise mitunter zum Buhmann. Wie haben Sie das erlebt? Viele Menschen, die in der Branche tätig sind, beziehen die Krise nicht auf sich, weil sie ja auch in dieser Zeit hart und ordentlich gearbeitet haben. Als Branche in Summe wäre manchmal aber mehr Bescheidenheit angesagt. Denn aufgrund der Vorkommnisse ist es verständlich, dass manche eine Skepsis gegenüber Banken entwickelt haben. Aber es wäre unfair, das negative Image gleichmäßig über alle Institute zu verteilen. Ihre letzten beiden Jobs haben Sie bei Instituten gestartet, bei denen Ihre Vorgänger danach auf der Anklagebank Platz nehmen mussten. Wie war das? Zuerst einmal: Einige der Betroffenen wurden nachher von allen strafrechtlichen Verfehlungen freigesprochen. Nun zu Ihrer Frage: Wenn man neu in so ein Fegefeuer hineinkommt, ist vor allem ein kühler Kopf angesagt, um alle Themen, die gleichzeitig am Tisch liegen, zu ordnen. Dabei hilft natürlich eine breite Erfahrung. Es ist nicht viel anders, als wenn man auf einen – allerdings sehr steilen – Berg geht. Vorbereiten und dann mit Zuversicht losgehen. Als Sie 2006 kurz nach dem Skandal zur Bawag gekommen sind, gab es da eine Mauer des Schweigens? Auch Mitarbeiter dürften ja von den Unregelmäßigkeiten gewusst haben. Die Mitarbeiter waren schockiert und orientierungssuchend. Das damalige Management unter dem jetzigen Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny hat aber Vorkehrungen getroffen, dass diese Themen nicht mit den ope- rativen Sachthemen vermischt wurden. Und Letzteres war für mich als neuer Treasury-Vorstand vor allem die Sicherstellung der Liquidität. Um einen Bank-Run zu verhindern, gab es damals ja die demonstrative Sparbucheröffnung von Kanzler Wolfgang Schüssel und Finanzminister Karl-Heinz Grasser. War das eigentlich eine Initiative der Bank? Das war kurz vor meiner Zeit, das kann ich daher nicht sagen. Aber man darf in so einer Situation das Symbol nicht unterschätzen. Das Abziehen von Einlagen hat sich in den Monaten darauf zunehmend abgeflacht. Wie knapp war die Bawag vor der Pleite? Pleite ist ein großes Wort, mit dem man vorsichtig umgehen muss. Die Bawag hat mit Hilfe einer 1,2 Milliarden Euro schweren Garantie der Republik Österreich überlebt. Diese stand unter der Auflage, die Bank innerhalb kurzer Zeit zu verkaufen. Das ist uns gelungen, und der Republik entstand daher kein Schaden. Viele Beobachter meinen, dass Ex-BawagChef Helmut Elsner wohl nicht so hart bestraft worden wäre, wenn der Skandal erst zwei Jahre später – während der allgemeinen Finanzkrise – publik geworden wäre. Was sagen Sie dazu? Ich glaube nicht, dass man die Erfordernisse eines Gerichtsverfahrens anders gesehen hätte. Ob dieses gleich ausgegangen wäre, dazu möchte ich keine Meinung abgeben. Urteile werden von Gerichten gefällt. 2008 waren Sie noch bei der Bawag, als der Kollaps von Lehman Brothers geschehen ist. Wie erlebt man so etwas als Bankvorstand? Zunächst mit einer Spur Unglauben. Denn eigentlich wurde allgemein erwartet, dass die US-Behörden noch etwas unternehmen würden, um Lehman zu retten. Die Finanzkrise hatte ja schon viel früher begonnen, aber es war definitiv ein Höhepunkt. War für Sie erwartbar, wie groß die Auswirkungen schlussendlich sein werden? Es war klar, dass sie enorm sein werden. Aber dass der internationale Geldmarkt nur kurze Zeit später de facto nicht mehr vorhanden sein wird, war anfangs nicht offensichtlich. Dann hat ja die Europäische Zentralbank die Funktion übernommen, diesen Liquiditätsausgleich zu vollziehen. Und das macht sie eigentlich noch bis heute. Kurz nach dem Lehman-Crash sind Sie zur eben verstaatlichten Kommunalkredit gewechselt. Wie lief das ab? Rief Sie Finanzminister Wilhelm Molterer einfach an? Nein. Vizekanzler Molterer hat anrufen lassen, mit der Frage nach einem Termin. Und wenn der Finanzminister mit einem sprechen will, dann sollte man sich auch mit ihm treffen. Und so hat sich das dann ergeben. Die Kommunalkredit hatte zuvor ja das Image eines biederen Gemeindefinanzierers. Plötzlich gab es da jedoch lauter Finanzlöcher im Ausmaß von Hunderten Millionen. Wie hat man das geschafft? Das Hauptproblem war die Liquiditätslage. Man hatte viele langfristige Aktiva, die aber kurzfristig finanziert waren. Im Herbst 2008 war dieses Liquiditätsloch bis Dezember fünf Milliarden groß, bis zum Frühjahr 2009 waren es schon neun Milliarden Euro. Dieses Problem hatte auch direkt zum Erwerb durch die Republik Österreich um einen Euro geführt. Wie schläft man mit einem Finanzloch von neun Milliarden? Man muss trotz allem nach Lösungen suchen. Eine direkte Hilfe vom Staat Chef der Kommunalkredit Alois Steinbichler wird 1953 in Oberösterreich geboren. Nach einer teilweise in den USA abgelegten Schullaufbahn und dem Studium an der WU Wien studiert er mit einem Fulbright Stipendium an der Purdue University im US-Bundesstaat Indiana. Seine Karriere startet Steinbichler bei der Continental Illinois Bank in Wien und Zürich. Nach einer Station bei der Schweizer Tochter der Bostoner State Street Bank führt ihn der Weg 1987 zur CA. Für diese ist er zwischen 1990 und 1995 in London tätig, bevor er 1998 in den Vorstand der Bank Austria einzieht. Nach Stationen bei der Bank-Austria-Mutter UniCredit in Mailand und deren kroatischer Tochter wechselt Steinbichler im Juni 2006 – kurz nach dem Bawag-Skandal – zur Bawag. Seit 2008 ist er Chef der Kommunalkredit. Im Sommer zieht er sich aus dieser Funktion zurück.