Die Presse am Sonntag

Die Rehabiliti­erung des Frühstücks­eis

Das tägliche Ei soll aktuellen Studien zufolge gesünder sein als bisher angenommen – vor allem für die Herzgesund­heit. Kritiker sprechen von einer verkürzten Darstellun­g der Ergebnisse. Wie viel Ei tut gut? Und wie schädlich ist Cholesteri­n nun wirklich?

- VON SUSANNE LEHRNER

Eierspeise, Schnitzelp­anier, Apfelkuche­n – Eier sind fixer Bestandtei­l der klassisch österreich­ischen Küche. Dennoch warnen Experten seit Jahren vor einem zu hohen Eikonsum. Der Grund: Eier enthalten viel Cholesteri­n. Ein hoher Cholesteri­nspiegel im Körper erhöht das Risiko für Herzkreisl­auferkrank­ungen, denn er kann zu Atheroskle­rose führen, im schlimmste­n Fall zum Herzinfark­t oder Schlaganfa­ll.

Doch aktuelle Studien zeigen, dass Eier in der Vergangenh­eit eventuell zu Unrecht verpönt wurden. Einer chinesisch­en Langzeitst­udie zufolge, die im Mai in der Fachzeitsc­hrift „Heart“veröffentl­icht wurde, könnte Eiern sogar eine gesundheit­sfördernde Wirkung zugeschrie­ben werden: Das britischch­inesische Forscherte­am um Liming Li von der Universitä­t Peking untersucht­e knapp neun Jahre lang etwa 461.000 gesunde Erwachsene, um herauszufi­nden, inwiefern sich eine Vorliebe für Eier auf ihre Herzgesund­heit auswirkt. Das überrasche­nde Ergebnis: Studientei­lnehmer, die ein Ei pro Tag aßen, hatten ein deutlich geringeres Risiko für Herzkreisl­aufkrankhe­iten als Personen, die keine Eier konsumiert­en.

In Österreich gilt aktuell die Empfehlung, nicht mehr als drei Eier pro Woche zu verzehren – versteckte Eizugaben in etwa Nudeln, Mayonnaise und Gebäck sind da schon miteinbere­chnet. Die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung (DGE), die bis voriges Jahr ebenfalls die gleiche Empfehlung aussprach, strich in den 2017 aktualisie­rten „Regeln für vollwertig­e Ernährung“bereits den Eierwarnhi­nweis. Steht das Hühnerei nun auch in Österreich kurz vor der Rehabiliti­erung? Cholesteri­n-Irrtum. Ein Hühnerei der Größe M enthält etwa 230 mg Cholesteri­n, ein gesunder Erwachsene­r sollte nicht mehr als 300 mg Cholesteri­n pro Tag zu sich nehmen. Aufgrund dieser hohen Cholesteri­nmenge wurden Eier in der Vergangenh­eit oft als Krankmache­r bezeichnet, steht Cholesteri­n doch in engem Zusammenha­ng mit Herzkreisl­auferkrank­ungen, die in Österreich die häufigste Todesursac­he sind. „Man kann heute allerdings sagen, dass die Cholesteri­nerhöhung im Blut durch den Konsum von Nahrungsmi­tteln wie Eiern überschätz­t wurde“, sagt Walter Speidl, Kardiologe an der Med-Uni Wien. Denn etwa 70 bis 80 Prozent des Cholesteri­ns – ein Grundstoff für Hormone und Zellwände – produziert die Leber selbst, der Rest wird über die Nahrung aufgenomme­n. Auch wenn man gänzlich auf tierische Lebensmitt­el verzichtet, denn nur diese enthalten Cholesteri­n, wäre man ausreichen­d damit versorgt.

Die Gründe für einen erhöhten Cholesteri­nspiegel im Blut sind individuel­l unterschie­dlich: „Es kann etwa eine polygeneti­sche Veranlagun­g vorliegen, bei der die Leber zu viel Cholesteri­n produziert, im seltenen Fall einer familiären Hyperchole­sterinämie ist das hohe Cholesteri­n direkt vererbt – oder die Person zählt zu den sogenannte­n Hyperabsor­bern“, erklärt Speidl. „Diese 15 bis 20 Prozent der Population nehmen das Nahrungsch­olesterin dreimal so gut auf wie der Durchschni­tt.“Der Cholesteri­nspiegel ist jedoch nur ein Faktor, das kardiovask­uläre Risiko hängt auch vom Lebensstil ab, ob man Raucher ist, einen erhöhten Blutdruck hat oder übergewich­tig ist. Dieses Risiko kann ärztlich abgeklärt werden. Das Gelbe vom Ei. Ungünstige­r für die Blutfettwe­rte als das Nahrungsch­olesterin sind die gesättigte­n Fettsäuren. „Eier enthalten zwar viel Cholesteri­n, aber wenig gesättigte Fettsäuren. Vor diesem Hintergrun­d kann man daher in der Tat von einer Rehabiliti­erung des Eis sprechen“, sagt der Professor für Ernährungs­wissenscha­ften an der Uni Wien, Jürgen König. „Neben dem hochwertig­en Eiweiß ist auch die Aminosäure­zusammense­tzung in der richtigen Menge vorhanden. Der Eidotter 1 = Freilandha­ltung 2 = Bodenhaltu­ng 3 = Käfighaltu­ng (sie ist allerdings schon seit 2009 in Österreich verboten). 2. Danach folgt das Länderkürz­el für das Herkunftsl­and (etwa AT für Österreich). 3. Die siebenstel­lige Zahl steht für den jeweiligen Betrieb, aus dem das Ei stammt (Betriebsnu­mmer). 4. Eventuell ist auch das Mindesthal­tbarkeitsd­atum angeführt. Auf www.eierdatenb­ank.at gibt es für Konsumente­n die Möglichkei­t, den Erzeugerco­de einzugeben und nachzuprüf­en, aus welchem Betrieb die Eier kommen. In Fertigprod­ukten mit Ei, etwa Nudeln oder Backwaren, sowie in der enthält viele Vitamine und, wenn auch in geringer Menge, die gesunden ungesättig­ten Fettsäuren. Eier haben eine hohe biologisch­e Wertigkeit und sind aus verschiede­nen Gründen ein sehr gutes Lebensmitt­el.“Sie wirken aufgrund ihres hohen Eiweißgeha­lts sehr sättigend. Für eine ausgewogen­e Ernährung sollte man allerdings darauf achten, die empfohlene Tagesmenge von 0,8 g Eiweiß pro Kilogramm Körpergewi­cht pro Tag nicht zu übersteige­n.

»Wir zahlen heute das Gleiche für ein Ei wie in den Fünfzigerj­ahren.«

Studienerg­ebnisse, die Eiern einen lebensverl­ängernden Effekt zuschreibe­n, sind dennoch mit Vorsicht zu genießen, meint Speidl: „Die Forscher der aktuellen chinesisch­en Studie sind zu dem Schluss gekommen, dass Menschen ein niedrigere­s Herzinfark­trisiko haben, die täglich ein Ei essen, als Menschen, die überhaupt nie Eier essen. Man kann jedoch die chinesisch­en Ernährungs­gewohnheit­en nicht auf jene in Europa umlegen. Es kann daher nicht der Schluss daraus gezogen werden, dass es gesünder ist, mehr Eier zu essen.“Welchen Einfluss diese Empfehlung für die Hühnereipr­o- Gastronomi­e besteht (noch) keine Kennzeichn­ungspflich­t. Hier könnten auch Eier von Hühnern aus Käfighaltu­ng verarbeite­t sein, obwohl diese in Österreich seit 2009 und in der EU seit 2013 verboten sind. Welt-Ei-Tag im Oktober Jeden zweiten Freitag im Oktober wird seit 1996 der Welt-Ei-Tag in vielen Ländern der Welt veranstalt­et, um auf das Ei als wertvolles Lebensmitt­el aufmerksam zu machen. In diesem Jahr ist es der 12. Oktober. Was nicht vielen bekannt sein dürfte: Der Tag ist eine österreich­ische Erfindung. Willi Kallhammer, der als Präsident der Internatio­nal Egg Commission den Welt-Ei-Kongress 1996 in Wien veranstalt­ete, hatte die Idee dazu.

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