Die Presse am Sonntag

»Wir erwarten immer zu viel«

»Die Farbe des Horizonts« zeigt Shailene Woodley in einem aufreibend­en Segler-Drama nach wahren Begebnisse­n. Ein Gespräch über das Abenteuer des Drehs, ihr Verständni­s von Beziehunge­n, ihren rebellisch­en Geist und den Versuch, die eigenen Ansprüche locker

- VON RÜDIGER STURM

Der Dreh für „Die Farbe des Horizonts“scheint ja ein Alptraum gewesen zu sein. Sie durften nur 350 Kalorien pro Tag zu sich nehmen, filmten auf offenem Meer. Shailene Woodley: Im Gegenteil, es war ein Traum. Nicht das Abnehmen. Aber wann hast du schon die Gelegenhei­t, drei Monate in Gemeinscha­ft mit der Natur zu verbringen? Zum Glück waren auch der Regisseur und das Studio dazu bereit. Denn die Aufnahmen auf dem Meer von Fiji waren schon riskant, weil du keine Kontrolle hast. Da kannst nicht nur eine Kamera, sondern gleich einen ganzen Kameramann verlieren. Es gibt Haie, gefährlich­e Strömungen, das Wetter ändert sich. Aber für mich war es so etwas wie ein Abenteuer. Die ganze Zeit dachte ich mir: Ich kann nicht glauben, dass man mich dafür bezahlt, damit ich die Sonne mitten auf dem Meer auf- und untergehen sehe. Im Film geht es ja nicht nur ums blanke Überleben, im Zentrum steht wieder einmal die große Liebe. Haben Sie dank dieser Rolle neue Erkenntnis­se gewonnen? Erst einmal, wie wichtig Beziehunge­n überhaupt sind. Wenn du eine Figur spielst, die 41 Tage allein auf See ist, weißt du menschlich­e Interaktio­nen erst so richtig zu schätzen. Und in einer Beziehung geht es nicht darum, dass dein Partner allem zustimmt, was du von dir gibst. Er stellt dein Verständni­s von der Welt auf den Prüfstand – aber alles mit Respekt, voller Liebe und auch mit Sinn für Humor. Das ist etwas, was ich auch in meinen eigenen Beziehunge­n realisiere­n möchte. In Sachen Männer-Frauen-Beziehunge­n hat sich ja einiges in Hollywood geändert. Wie nehmen Sie das wahr? Ich finde diese Bewegungen wunderbar und bin den Frauen, die hierfür ihre Zeit und Energie einsetzen, sehr dankbar. Das gilt auch für andere Bewegungen wie „Black Lives Matter“oder LGBT. Die Lehre daraus ist: Wenn jemand, dem Unrecht angetan wird, es schafft, die Unterstütz­ung einer ganzen Gemeinscha­ft zu bekommen, dann können wir bedeutsame gesellscha­ftliche Entwicklun­gen anstoßen. Wir müssen dabei nur verantwort­ungsvoll und voller Mitgefühl vorgehen, dann werden wir für die Zukunft der Menschheit etwas Wunderbare­s erreichen. Sie sind auf der ganzen Welt unterwegs – „Die Farbe des Horizonts“entstand in Fidschi, vor ein paar Jahren drehten Sie „Snowden“in Europa. Haben Sie da nie das

1991

wurde Shailene Woodley in San Bernardino, Kalifornie­n, geboren.

2011

wurde sie als „Tochter“von George Clooney in „The Descendant­s“für einen Golden Globe nominiert.

2016

wurde sie bei einer friedliche­n Demo gegen eine Pipeline festgenomm­en. Sie ist Umweltakti­vistin und engagiert sich dafür, Menschen zu politische­r Teilhabe zu motivieren. „Die Farbe des Horizonts“läuft ab 13. Juli. Bedürfnis, den von Trump regierten USA den Rücken zu kehren? Nein, denn ich muss weiterkämp­fen, um das Leben aller Bürger unseres Landes zu schützen. Und so viel der Präsident ausrichten kann, auch der US-Kongress hat viel Macht. Also versuche ich auf die Volksvertr­eter einzuwirke­n. Immer wieder haben Sie rebellisch­e junge Frauen gespielt – auch die Figur in „Die Farbe des Horizonts“begehrt gegen die Normen auf. Wie rebellisch waren Sie selbst? Mit Regeln konnte ich nichts anfangen. Ich konnte nicht verstehen, warum ich vor meinem 16. Geburtstag nicht Auto fahren oder vor meinem 21. keinen Alkohol trinken durfte. Ich fand, dass das jeder für sich selbst entscheide­n sollte. Sie haben über die Stränge geschlagen? Nicht zwangsläuf­ig. Ich war eine klassische Einser-Schülerin. Nach dem Unterricht bin ich brav nach Hause gegangen und habe gelernt – nicht, weil meine Eltern das wollten, das war mein eigener Wunsch. Ich dachte mir, wenn ich schon in die Highschool gehen muss, will ich das mit Stil tun. Ich erinnere mich, wie mir mein Vater sagte: „Warum lernst du jetzt? Geh nach draußen, mach Party. Die Rechenform­el, über die du dir den Kopf zerbrichst, wirst du später nie wieder brauchen.“Ich selbst war da viel ernsthafte­r als meine Eltern. Gilt das jetzt immer noch? Grundsätzl­ich schon. Da draußen gibt es so viele spannende Dinge, die ich noch lernen möchte. Diese Chancen darf ich nicht verpassen. Anderersei­ts weiß ich jetzt auch, dass du mal alle Fünfe grade sein lassen musst. Vor allem in der Showbranch­e. Da darfst du nicht alles ernst nehmen, sondern musst deinen Spaß haben. Trotzdem habe ich immer wieder das Problem, dass ich zu hohe Erwartunge­n an mich stelle. Meine Mutter sagte mir einmal: „In der Gesellscha­ft legen wir eine so hohe Messlatte an, dass wir unseren eigenen Erwartunge­n nicht gerecht werden und auch mit anderen Menschen nicht zufrieden sind. Wir müssen lernen, unsere Erwartunge­n zu senken.“Das versuche ich zu beherzigen.

 ?? APA ?? in Seenot. als verliebte Weltenbumm­lerin in ihrem jüngsten Film Shailene Woodley gerät „Everest“. das Bergsteige­rdrama Korm´akur stammt auch Von Regisseur Baltasar
APA in Seenot. als verliebte Weltenbumm­lerin in ihrem jüngsten Film Shailene Woodley gerät „Everest“. das Bergsteige­rdrama Korm´akur stammt auch Von Regisseur Baltasar

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