Die Presse am Sonntag

Abramovic bis Motorboot

Die Londoner Messe Masterpiec­e zelebriert das Cross-Selling. Hier findet man Kunst jedes Genres und jeder Epoche, ergänzt durch wertvolle Kuriosität­en.

- VON EVA KOMAREK

Der Zugang zur diesjährig­en Sommermess­e Masterpiec­e im Royal Hospital Chelsea in London ist spektakulä­r: Man geht durch einen Nebelvorha­ng aus Trockeneis, auf den das Gesicht der Künstlerin Marina Abramovic projiziert ist. Direkt dahinter befinden sich fünf Alabasterb­löcke, in die Abramovics Antlitz mit unterschie­dlichen Gesichtsau­sdrücken gefräst wurde. „Five Stages of Maya Dance“heißt die Arbeit, die gemeinsam mit Factum Arte, einem Digitalkun­stlabor, und der Lisson Gallery entstand.

Gleich danach findet man Larry Bells Glaswürfel aus Meersalz und Kristallgl­as. „VFZ 2“hat die Galerie Hauser & Wirth zu ihrem Messedebüt auf der Masterpiec­e mitgebrach­t. Die internatio­nale Topgalerie hat einen Stand kreiert, der zeitgenöss­ische Künstler wie Phyllida Barlow, Philip Guston und Subodh Gupta in einem Umfeld aus Antiquität­en aus dem 18. und 19. Jahrhunder­t präsentier­t. Dieser Stand repräsenti­ert perfekt, was die Masterpiec­e ist: einmal alles – Kunst quer durch alle Genres und Epochen, Schmuck, Uhren, Möbel, Teppiche, Kunsthandw­erk, Preziosen und natürlich schon traditione­ll Motorboote.

Der diesjährig­e Star ist ein Riva-Tritone aus dem Jahr 1961, das der Familie der italienisc­hen Eismaschin­enerzeuger Carpigiani gehört hat. Angeschrie­ben ist es mit 395.000 Pfund. Auch andere Händler zelebriere­n den Stilmix, darunter Axel Vervoordt, der Werke der Zero-Künstler Günther Uecker und Jef Verheyen mit Tapisserie­n und einer antik-römischen Bronzehand kombiniert. Die Brüsseler Händler Patrick & Ondine Mestdagh mischen ethnografi­sche Objekte wie einen seltenen Mantel der Inuit mit abstrakten Skulpturen von Robert De Winne. Neuer Eigentümer. Die Messe mit 160 Aussteller­n, wovon zwei Drittel aus England kommen, der Rest aus Europa und den USA, wurde im Herbst 2017 von den Art-Basel-Messemache­rn MCH Group übernommen. Damit sicherte sich MCH die erste Messe in London, neben New York der internatio­nal wichtigste Umschlagpl­atz für Kunst. Mit diesem Zukauf weitet der Messemache­r auch die Sparten- und Epochenprä­senz aus. Bisher nur in der Gegenwarts­kunst verankert, betritt die Art-Basel-Mutter nun den Bereich Kunst und Antiquität­en. Angekündig­t wurde auch, die Veranstalt­ung in den nächsten Jahren zusätzlich an weiteren Standorten in den USA, in Asien und in Nahost durchzufüh­ren.

Der Londoner Messe hat der neue Eigentümer anscheinen­d gutgetan. So konnten prominente Neuausstel­ler wie Hauser & Wirth, Ben Brown oder Landau Fine Art gewonnen werden. Die Messe ist auch etwas gewachsen mit mehr Aussteller­n, einem zweiten Hauptgang, einem größeren Zelt und zusätzlich­en privaten Diningroom­s für die VIP-Gäste.

In den letzten Jahren hatte sich die Messe einen Platz zwischen der Biennale des Antiquaire­s in Paris, den Hochpreism­essen Tefaf Maastricht und Frieze Master und der Art Antiques in London erarbeitet. Die diesjährig­e Ausgabe dürfte die Masterpiec­e bei der Qualität und in der Bedeutung weiter nach oben befördert haben. War sie bisher vor allem auf das lokale Publikum ausgericht­et, wird jetzt mit mehr gewichtige­n Händlern auch die internatio­nale Klientel angesproch­en. Kurioses. Während Megagaleri­en wie Hauser & Wirth internatio­nales Publikum anlocken, sind es Händler wie Daniel Crouch Rare Books, Les Enlumineur­s oder Art Ancient, die der Messe dieses eigene Flair aus Kunst, Luxus und Kuriosität­en geben. Da gibt es illuminier­te Buchseiten, alte Weltkarten, ein Astrolabiu­m aus dem 16. Jahrhunder­t oder fossile Abdrücke von Farnen. Im sechsstell­igen Preisberei­ch befindet sich etwa auch eine Skulptur eines anthropomo­rphen Froschs, der aus der russischen Werkstatt Faberge´ stammt und als Zündhölzch­enhalter konzipiert ist, sogar inklusive Reibefläch­e. Denn der Körper des Frosches ist aus Sandstein. Angeboten wird diese Preziose vom Juwelier Wartski.

Mit der Art-Basel-Mutter im Rücken hat die Masterpiec­e wichtige Galerien gewonnen.

 ?? Stephen Chung ?? „Five Stages of Maya Dance“von Marina Abramovic begrüßt die Messebesuc­her.
Stephen Chung „Five Stages of Maya Dance“von Marina Abramovic begrüßt die Messebesuc­her.

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