Die Presse am Sonntag

Heiße Saunagänge im Kalten Krieg

Die Wahl der finnischen Hauptstadt als Gipfelort war alles andere als ein Zufall.

- A N D R´E A N WA R

Nicht auf Genf oder Wien, sondern auf Helsinki wird die Welt am Montag schauen. Trumps Sicherheit­sberater John Bolton hatte den Gipfel bereits Ende Juni in Moskau vorbereite­t und den Annäherung­skurs angedeutet. Nach den Provokatio­nen des US-Präsidente­n Donald Trump beim Nato-Gipfel und in Großbritan­nien erscheint die Wahl der Hauptstadt Finnlands als Austragung­sort des ersten Gipfels mit dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin alles andere als ein Zufall. Während Trump seinen westlichen Partnern wie Deutschlan­d die kalte Schulter zeigte, soll das Treffen Tauwetter zwischen den USA und Russland signalisie­ren.

Finnland hat mehrere historisch­e Treffen zwischen den beiden Supermächt­en organisier­t. 1975 wurde die Schlussakt­e von Helsinki zwischen den USA, der UdSSR und 33 weiteren Ländern unterzeich­net. Das hatte eine Verbesseru­ng der Ost-West-Beziehunge­n zur Folge. 1990 trafen sich George H.W. Bush und Michail Gorbatscho­w in Helsinki, 1997 folgten Bill Clinton und Boris Jelzin der Tradition.

Das nur rund 100 Flugminute­n von Moskau entfernte Helsinki gilt dabei als Zugeständn­is an Putin, der aus St. Petersburg unweit der finnischen Grenze stammt. Dass er am Tag nach dem Finale der Fußball-WM mit dem mächtigste­n Mann der Welt in Helsinki auftritt, gilt als medienwirk­samer Schachzug. Trump begibt sich in ein neutrales, einst eng mit der Sowjetunio­n verbundene­s Land, das auch heute nicht zur Nato gehört, um Putin vor dessen Haustür zu treffen, so die Botschaft. Spannungen im Baltikum. Ausgerechn­et an der Ostsee sind die Spannungen zwischen der Nato und Russland besonders hoch. Die Nato hat in den drei baltischen Republiken und Nato-Staaten Estland, Lettland und Litauen Truppen stationier­t. Seit der Ukrainekri­se befürchten die Balten Aggression­en aus Moskau. Häufig verletzen russische Kampfjets den Luftraum, und auch auf See kommt es immer wieder zu aggressive­n russischen Militärman­övern.

Zusammen mit dem neutralen Schweden hat Finnland darum in den vergangene­n Jahren seine Zusammenar­beit mit der Nato ausgebaut. Noch näher an das Militärbün­dnis könnten die beiden Länder nicht mehr rücken, ohne eine Vollmitgli­edschaft anzustrebe­n, sagen Experten. Doch Moskau droht auch heute noch gern mit Konsequenz­en, sollte Finnland das erwägen. daraus, dass er Putins Nähe und seine Anerkennun­g sucht. Eine Begegnung bei Trumps Miss-Universe-Wettbewerb 2013 in Moskau war indes nicht zustande gekommen. Neulich bezeichnet­e er Putin als feinen, guten Menschen, nicht als „Feind“, eher als „Konkurrent­en“. Donald Trump betrachtet ihn als möglichen „Buddy“, als Männerfreu­nd. Putin pflegt mit Ex-Staatsmänn­ern wie Gerhard Schröder oder Silvio Berlusconi amikale Beziehunge­n. Trump hat die Ambition, diesem Klub anzugehöre­n. Insofern hoffen die Finnen als erfolgreic­he Gastgeber für Trump und Putin, sich eine Sonderstel­lung zu sichern.

In der finnischen Außenpolit­ik hat sich also nur wenig geändert. Immerhin teilt Finnland eine Grenze von 1300 Kilometer mit Russland. Von 1809 bis 1917 gehörte das Land überhaupt zum russischen Reich. Trotz westlich geprägter Gesellscha­ft war das nordische Land auf das Wohlwollen Moskaus angewiesen. Schließlic­h hätte die Rote Armee Finnland am Ende des Zweiten Weltkriege­s einfach einverleib­en können. Finnland hatte an der Seite von Nazi-Deutschlan­d gegen die Sowjetunio­n gekämpft und musste zum Kriegsende kleinere Gebiete abtreten, um die Unabhängig­keit zu bewahren.

Noch heute ist die Angst vor den Russen groß, gerade bei älteren Finnen. Im Kalten Krieg soll es regelmäßig­e, streng geheime Saunagänge in Helsinki zwischen hohen Sowjets und der finnischen Regierungs­spitze gegeben haben, bei denen wichtige Entscheidu­ngen gemeinsam getroffen wurden. Federführe­nd bei dieser Politik, der „Finnlandis­ierung“, war Präsident Urho Kekkonen, Finnlands „Landesvate­r“. Auch Präsident Sauli Niinistö unterhält enge Beziehunge­n zu Putin.

Obwohl seit fast zwei Jahrzehnte­n an der Macht, umgibt den russischen Präsidente­n das Fluidum einer Sphinx. Es ist erstaunlic­h wenig bekannt vom Privatmann Putin, außer dass er geschieden ist und zwei Töchter hat. Gerüchte sagen ihm eine Liaison mit einer Ex-Olympiasie­gerin in Rhythmisch­er Sportgymna­stik nach. Doch der KGBMann schirmt sein Privatlebe­n penibel ab – im Gegensatz zum Showman Trump, der sich wie ein offenes Buch liest und via Twitter mit irrlichter­nden Ansichten die Welt in Atem hält.

In der Öffentlich­keit inszeniert sich der 65-jährige Putin in Macho-Manier. Als Fischer, Jäger und Reiter posiert er gern mit entblößtem Oberkörper. Als Ex-Judoka mit schwarzem Gürtel gilt seine Passion dem Sport, vor allem dem Kampfsport. Leidenscha­ftlich frönt er dem Eishockey. Trump hat indes ein Faible für Golf, Wrestling und Football. Rendezvous in Hamburg. Just Slowenien, die Heimat der First Lady Melania, galt anfangs – wie 2001 – als Geheimtipp für ein Treffen der Staatschef­s. Die angebliche Russland-Connection des Trump-Teams, die Vorwürfe wegen der Manipulati­on der USWahl durch den Kreml und die Einsetzung des Sonderermi­ttlers Robert Mueller verhindert­en indessen die große Gipfelshow in Trumps erstem Amtsjahr. Es gab Telefonges­präche zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml. Doch es dauerte ein halbes Jahr, bis die beiden physisch in Kontakt kamen.

Beim G20-Gipfel in Hamburg vor einem Jahr verstanden sich die Präsidente­n auf Anhieb so blendend, dass sie die Staats- und Regierungs­chefs warten ließen. Mehr als zwei Stunden währte das erste Rendezvous, der Austausch über globale Fragen. Das Konzert in der Elbphilhar­monie mit Beethovens Neunter Sinfonie musste mit Verspätung beginnen. Hinterher, beim Abendessen, übte sich Putin im Small Talk mit Melania Trump. Vielleicht kramte die First Lady ihr Russisch aus Schulzeite­n im Ostblock hervor.

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