Die Presse am Sonntag

»Da bleibt neben der Vollzeitar­beit ein Teilzeitle­ben«

Demos, Streiks, Wortgefech­te: Das Arbeitszei­tgesetz ließ die Wogen hochgehen. Aber was ändert es künftig für die Unternehme­n? Und ihre Mitarbeite­r? Auf der Suche nach Antworten in Hotels, auf dem Bau und in der Industrie.

- VON JEANNINE BINDER UND ANTONIA LÖFFLER

Arbeiten, wo andere Urlaub machen. Den Spruch haben Generation­en von Tourismusl­ehrlingen gehört. Aber im Fall von Zell am See passe er wirklich, sagt Heiko Schulze. Er deutet hoch zum weißen Gletscher: Im Winter geht er Ski fahren. Er deutet hinunter zum blau glitzernde­n See, der sich vor der Terrasse des Grand Hotel erstreckt: Im Sommer geht er schwimmen. „Aber der Mittelpunk­t ist hier“, sagt er, und zeigt auf das noble Haus in seinem Rücken, in dem er seit März das Service leitet. Zum Schwimmen und Skifahren kommt Schulze nicht oft. Sein normaler Arbeitstag beginnt um zehn am Vormittag und endet um elf in der Nacht. Der Zwölf-Stunden-Tag, der am Donnerstag unter Protestruf­en von Gewerkscha­ftern und SPÖ den Bundesrat passierte und damit endgültig beschlosse­n ist: „Der trifft auf mich zu, nicht auf meine Mitarbeite­r“, betont Schulze. Er schaue, dass sein Team bei neun Stunden bleibe. Aber er selbst, er wollte immer weiterkomm­en. Dafür kniete er sich hinein. In den besten Häusern am Arlberg, in Saalbach-Hinterglem­m und jetzt in Zell am See. Bei den Jungen, die bei ihm anfangen, sei das anders. Sie würden am ersten Arbeitstag nach ihrem gesetzlich­en Urlaubsans­pruch fragen. „Das erste, was sie in der Schule lernen, sind ihre Rechte. Ich komme ihnen dann mit den Pflichten.“

Von Pflichten spricht an diesem Julitag unter den Hoteliers und Tourismusv­ertretern der Region Zell am See – Kaprun keiner. Die Sonne strahlt auf den See. Die Gesichter der Köche, Kellner und Skilehrer strahlen aus der Werbemappe des Projekts Team4U. Die Salzburger Destinatio­n hat sich herausgepu­tzt. Sie wirbt nicht um Gäste, sondern um Mitarbeite­r. Den Winter schloss man wieder mit einem achtprozen­tigen Buchungspl­us ab, auch jetzt sind die Gastgärten und Straßen voll mit Touristen. Zugleich kommen zwölf arbeitslos­e Köche und Kellner auf 116 offene Stellen. Ein Dreivierte­ljahr lang entwickelt­en die Betriebe Konzepte, wie man die Menschen locken und vor allem binden kann: mit Rabatten bei den örtlichen Geschäften, mit attraktive­n Jobangebot­en, mit Fortbildun­gen und Abendveran­staltungen. Die Nächte werden kürzer. Das Wifo schätzt, dass österreich­weit in fünf Jahren 36.000 zusätzlich­e Mitarbeite­r im Tourismus gebraucht werden. Sie für die Branche zu begeistern, wird jetzt noch schwierige­r, sagt Berend Tusch von der Gewerkscha­ft Vida. Wenn ab September die Höchstarbe­itszeit auf zwölf Stunden steigt und im Tourismus die Ruhezeit von elf auf acht Stunden fällt, „ergibt das einen Giftcockta­il. Da bleibt ein Teilzeitle­ben neben der Vollzeitar­beit übrig“. Bisher galten die kurzen Nächte zwischen letztem Cocktail und erstem Frühstücks­gast nur für einen Teil der Saisonkräf­te. „Unsere Branche wird die neuen Möglichkei­ten zur Gänze ausnutzen, spätestens wenn es im Winter zu ersten Spitzen kommt.“

Das wird sie nicht, sagt PetraNocke­r-Schwarzenb­acher. Auch die Tourismuso­bfrau ist zur Bewerbung der Region Zell am See – Kaprun angereist. Sie führt im nahen St. Johann im Pongau ein Hotel mit 30 Mitarbeite­rn. Nocker-Schwarzenb­acher hat als Vertreteri­n der Arbeitgebe­r am Gesetz mitgearbei­tet und ist zufrieden mit dem Resultat: „Wir können jetzt die Zeiten legalisier­en, die bisher schon gearbei-

 ?? Akos Burg ?? Doris Kirisits steht drei Wochenende­n im Monat im Speisesaal. Das mache ihr nichts – „Einstellun­gssache.“
Akos Burg Doris Kirisits steht drei Wochenende­n im Monat im Speisesaal. Das mache ihr nichts – „Einstellun­gssache.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria