Zyperns wieder erlebtes Banken-Trauma
Trotz Beschwichtigungen kam es in Zypern zum Banken-Run. Jetzt muss wieder eine Bank abgewickelt werden.
Das Szenario ist seltsam vertraut: Vergangenen Sonntag beschloss das zypriotische Parlament die Abwicklung einer ihrer Systembanken, der Cooperative Bank of Cyprus. Es wird eine „Bad Bank“geschaffen, in die unbediente (faule) Kredite und andere Vermögenswerte in Höhe von 8,3 Milliarden Euro eingehen. Abgesichert wird die Eigentümerin Hellenic Bank durch staatliche Gegengarantien in Höhe von 2,6 Milliarden Euro.
Tatsächlich: Der kleine zypriotische Bankenkrach erinnert stark an die zypriotische Krise des Jahres 2013, als die Europäische Union die Inselrepublik in den EU-Rettungsschirm aufnahm, gleichzeitig aber eine der zwei großen zypriotischen Systembanken abwickelte – und, ein Tabubruch in Europa, einen „Hair-Cut“bei Bankeinlagen über 100.000 Euro vornahm. Die Genossenschaftsbank wurde damals wenig beachtet. Auch ihr schoss man damals 1,5 Milliarden Euro zu und verordnete einen Restrukturierungs- und Fusionierungsschub im Genossenschaftswesens.
Noch im Herbst 2017 war aus dem Finanzministerium zu hören, dass die Kapitalisierung der Bank nach allen europäischen Spielregeln hervorragend sei. Doch seit damals flossen etwa drei Milliarden Euro an Einlagen ab: Nach Gerüchten Anfang 2018 über einen „Hair-Cut“wurden die Sparer nervös, die Nervosität endete unversehens in einen Banken-Run. Die zypriotische Regierung musste schleunigst handeln – und wieder einmal der Steuerzahler für eine Pleitebank geradestehen. Das Trauma der Kunden. Die Lehre: Die zypriotischen Sparer sind nach den Kapitalkontrollen und der Plünderung ihrer Konten im Jahr 2013 traumatisiert und anfällig für Panikhandlungen. In jedem Fall aber zeigt sich, dass das zypriotische Bankensystem weit anfälliger für Krisen ist, als die wirtschaftliche Erfolgsstory der letzten vier Jahre annehmen ließ.
EU-Kommission und Europäische Zentralbank jedenfalls drückten beide Augen zu: Die Restrukturierung der Bank sei noch vor den Beschlüssen zu den neuen EU-Regeln über Bankenabwicklungen unter Beteiligung der Investoren beschlossen worden, daher sei eine staatliche Stützung in Ordnung, beschied die Kommission bereits im Juni 2018.
Doch mit der Cooperative Bank als Druckmittel zwang die EU Zyperns Präsidenten Nikos Anastasiades, endlich einer härteren Vorgangsweise gegen Schuldner zuzustimmen. Gemeinsam mit der Bankenabwicklung beschloss das Parlament ein ganzes Gesetzespaket, das Änderungen im Insolvenzrecht, elektronische Zwangsversteigerungen, Verbriefung von Schulden und andere Maßnahmen enthält. Bis jetzt hatte sich die Regierung freilich erfolgreich gegen Versteigerungen von Erstwohnsitzen und andere Zwangsmaßnahmen gewehrt, die beim hoch verschuldeten Wahlvolk unbeliebt sind. Der wunde Punkt. Die hohe private Verschuldung ist der wunde Punkt des zypriotischen Bankensystems. Der Anteil der unbedienten Kredite liegt in Zypern bei enorm hohen 43 Prozent. Die eigentliche Gefahr besteht jedoch darin, dass die roten Kredite in absoluten Zahlen in Summe um die 20 Milliarden Euro ausmachen, das ist etwa so hoch wie das gesamte Bruttoinlandsprodukt des Landes – eine Bombe, die den Staat jederzeit wieder in den Bankrott treiben kann.
Die Regierung behauptet, dass der Staat mit seiner Garantie im schlechtesten aller Fälle 155 Millionen Euro verliert. Er hat aber bereits im April 2,5 Milliarden Euro in die Bank gesteckt, um ihre Kapitaldecke zu stärken. Insgesamt steigen die Staatsschulden damit auf 110 Prozent, so viel wie am Höhepunkt der Krise.
Finanzminister Harris Georgiades jedoch argumentiert, dass die Regierung durch den Deal mit einem Schlag zwei Ziele erreicht: Die giftige Cooperative Bank wird abgewickelt – und der Anteil der faulen Kredite der stark vergrößerten Hellenic Bank schlagartig von 50 Prozent auf 25 Prozent reduziert.
Aber die Zyprioten haben sich bei ihrem überdimensionierten Bankensektor schon öfter verrechnet.