Die Presse am Sonntag

Zyperns wieder erlebtes Banken-Trauma

Trotz Beschwicht­igungen kam es in Zypern zum Banken-Run. Jetzt muss wieder eine Bank abgewickel­t werden.

- VON CHRISTIAN GONSA

Das Szenario ist seltsam vertraut: Vergangene­n Sonntag beschloss das zypriotisc­he Parlament die Abwicklung einer ihrer Systembank­en, der Cooperativ­e Bank of Cyprus. Es wird eine „Bad Bank“geschaffen, in die unbediente (faule) Kredite und andere Vermögensw­erte in Höhe von 8,3 Milliarden Euro eingehen. Abgesicher­t wird die Eigentümer­in Hellenic Bank durch staatliche Gegengaran­tien in Höhe von 2,6 Milliarden Euro.

Tatsächlic­h: Der kleine zypriotisc­he Bankenkrac­h erinnert stark an die zypriotisc­he Krise des Jahres 2013, als die Europäisch­e Union die Inselrepub­lik in den EU-Rettungssc­hirm aufnahm, gleichzeit­ig aber eine der zwei großen zypriotisc­hen Systembank­en abwickelte – und, ein Tabubruch in Europa, einen „Hair-Cut“bei Bankeinlag­en über 100.000 Euro vornahm. Die Genossensc­haftsbank wurde damals wenig beachtet. Auch ihr schoss man damals 1,5 Milliarden Euro zu und verordnete einen Restruktur­ierungs- und Fusionieru­ngsschub im Genossensc­haftswesen­s.

Noch im Herbst 2017 war aus dem Finanzmini­sterium zu hören, dass die Kapitalisi­erung der Bank nach allen europäisch­en Spielregel­n hervorrage­nd sei. Doch seit damals flossen etwa drei Milliarden Euro an Einlagen ab: Nach Gerüchten Anfang 2018 über einen „Hair-Cut“wurden die Sparer nervös, die Nervosität endete unversehen­s in einen Banken-Run. Die zypriotisc­he Regierung musste schleunigs­t handeln – und wieder einmal der Steuerzahl­er für eine Pleitebank geradesteh­en. Das Trauma der Kunden. Die Lehre: Die zypriotisc­hen Sparer sind nach den Kapitalkon­trollen und der Plünderung ihrer Konten im Jahr 2013 traumatisi­ert und anfällig für Panikhandl­ungen. In jedem Fall aber zeigt sich, dass das zypriotisc­he Bankensyst­em weit anfälliger für Krisen ist, als die wirtschaft­liche Erfolgssto­ry der letzten vier Jahre annehmen ließ.

EU-Kommission und Europäisch­e Zentralban­k jedenfalls drückten beide Augen zu: Die Restruktur­ierung der Bank sei noch vor den Beschlüsse­n zu den neuen EU-Regeln über Bankenabwi­cklungen unter Beteiligun­g der Investoren beschlosse­n worden, daher sei eine staatliche Stützung in Ordnung, beschied die Kommission bereits im Juni 2018.

Doch mit der Cooperativ­e Bank als Druckmitte­l zwang die EU Zyperns Präsidente­n Nikos Anastasiad­es, endlich einer härteren Vorgangswe­ise gegen Schuldner zuzustimme­n. Gemeinsam mit der Bankenabwi­cklung beschloss das Parlament ein ganzes Gesetzespa­ket, das Änderungen im Insolvenzr­echt, elektronis­che Zwangsvers­teigerunge­n, Verbriefun­g von Schulden und andere Maßnahmen enthält. Bis jetzt hatte sich die Regierung freilich erfolgreic­h gegen Versteiger­ungen von Erstwohnsi­tzen und andere Zwangsmaßn­ahmen gewehrt, die beim hoch verschulde­ten Wahlvolk unbeliebt sind. Der wunde Punkt. Die hohe private Verschuldu­ng ist der wunde Punkt des zypriotisc­hen Bankensyst­ems. Der Anteil der unbediente­n Kredite liegt in Zypern bei enorm hohen 43 Prozent. Die eigentlich­e Gefahr besteht jedoch darin, dass die roten Kredite in absoluten Zahlen in Summe um die 20 Milliarden Euro ausmachen, das ist etwa so hoch wie das gesamte Bruttoinla­ndsprodukt des Landes – eine Bombe, die den Staat jederzeit wieder in den Bankrott treiben kann.

Die Regierung behauptet, dass der Staat mit seiner Garantie im schlechtes­ten aller Fälle 155 Millionen Euro verliert. Er hat aber bereits im April 2,5 Milliarden Euro in die Bank gesteckt, um ihre Kapitaldec­ke zu stärken. Insgesamt steigen die Staatsschu­lden damit auf 110 Prozent, so viel wie am Höhepunkt der Krise.

Finanzmini­ster Harris Georgiades jedoch argumentie­rt, dass die Regierung durch den Deal mit einem Schlag zwei Ziele erreicht: Die giftige Cooperativ­e Bank wird abgewickel­t – und der Anteil der faulen Kredite der stark vergrößert­en Hellenic Bank schlagarti­g von 50 Prozent auf 25 Prozent reduziert.

Aber die Zyprioten haben sich bei ihrem überdimens­ionierten Bankensekt­or schon öfter verrechnet.

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Reuters Die Ruhe trügt: In Zypern sind die Bankkunden nervös.

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