Mit Strom und ohne Krawall: Die
Am Anfang wurde die Formel E von vielen belächelt: Rennautos, die weitgehend lautlos ihre Runden mitten durch ein Stadtzentrum drehen – was soll denn das sein? Doch bei den Zuschauern kommen die Elektroboliden an, und jetzt entdecken auch die großen Herst
Hören wir uns am Anfang einmal an, was die Rennsportprofis zur Formel E zu sagen haben, zur Rennserie der Elektroautos. „Ein ziemlicher Käse“, urteilte Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel. „Die ödeste Geschichte, die ich seit Langem gesehen habe“, meinte Niki Lauda. „Damit habe ich nichts zu tun“, betonte RallyeLegende Walter Röhrl. „Im Fernsehen kam zufällig etwas und ich habe nicht hingesehen. Dann habe ich einen Ton gehört wie am Golfplatz, wenn ein Golfwagen fährt. Ah, das ist Formel E! Zack, weggeschaltet!“
Und jetzt schauen wir uns an, welche Autohersteller in der Formel E vertreten sind. Jaguar, Audi, Renault, heuer kommt BMW mit einem eigenen Werksteam, Porsche steigt aus der Langstrecken-WM aus (und somit auch aus dem legendären 24-Stundenrennen von Le Mans, das es zuletzt dominiert hat) und nimmt ab 2019 an der Formel E teil, Mercedes verabschiedet sich nach 18 Jahren von der DTM und wird ebenfalls 2019 mit einem Elektroauto Rennen fahren. Angeblich interessiert sich sogar Ferrari für einen Einstieg.
Es wird also vielleicht eher das gelten, was Alejandro Agag über die Formel E gesagt hat, als die Einschätzung der Profis im ersten Absatz: „Ich glaube, das wird in 20, 30 oder 40 Jahren der einzige Motorsport sein, der noch übrig ist.“Nach den jüngsten Entwicklungen und dem Interesse der Hersteller zu urteilen: eher früher.
Alejandro Agag ist jener Mann, der die Formel E im Auftrag der FIA vermarktet. Und der 47-jährige Spanier macht das ziemlich erfolgreich. Die Rennserie für Elektroboliden startete im September 2014 weitgehend unter – unfreiwilligem – Ausschluss der Öffentlichkeit. An diesem Wochenende in New York, wo die letzten Rennen der aktuellen Saison stattfinden (insgesamt waren es zwölf ), werden mehr als 100.000 Zuschauer erwartet – darunter Hollywood-Schauspieler wie Leonardo DiCaprio. Beim jüngsten Rennen in Zürich waren 150.000 Menschen dabei.
„Wir sprechen vor allem ein neues Publikum an“, sagt James Barclay, der das Team von Jaguar (Panasonic Ja- guar Racing) leitet, im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. „Viele junge Menschen kommen zu den Rennen, die sich sonst nicht für Rennsport interessieren.“
Dazu tragen wesentlich die einzigartigen Rennstrecken bei. Denn die Rennen mit 20 Autos (zehn Teams) finden nicht am Stadtrand statt, sondern direkt in der Stadt auf eigens entworfenen Straßenkursen, was eben nur mit abgasfreien und lautlosen Fahrzeugen möglich ist. Das macht es zwar zu einer Herausforderung für die Fahrer, weil es keine Auslaufzonen gibt (siehe auch unten stehendes Interview), aber die Zuschauer sind näher am Ereignis dran. Zudem will die FIA die Elektromobilität dort promoten, wo sie in Zukunft in erster Linie stattfinden wird: im urbanen Raum.
Für den Besucher ist es ein ungewohntes Erlebnis, wenn Rennautos, die aussehen wie Formel-1-Boliden, fast lautlos mit mehr als 200 km/h an einem vorbeirasen. Ein hohes Zzzzz ist alles, was die Elektromotoren von sich geben. Ohrstöpsel braucht man keine. Und das ist für eingefleischte Rennsportfans schon das größte Problem: Für sie muss ein Auto laut sein und Krach machen. Als die Formel 1 auf kleine V6-Motoren wechselte, brach für viele eine Welt zusammen. Weitgehend idente Autos. „Für die ältere Generation geht es vielleicht noch um den Sound, weil sie den Klang eines Motors mit Leistung gleichsetzen“, meint Jaguar-Rennchef Barclay. „Das ändert sich aber. Die Jungen kennen die lauten Motoren von einst gar nicht mehr. Und am Ende geht es doch in erster Linie um ein spannendes Rennen, nicht um den Krach.“
Das garantiert die Formel E insofern, als die Autos weitestgehend ident sind. Zu Beginn (Saison 2014/2015) fuhren tatsächlich alle Teams mit dem gleichen Auto (Spark-Renault SRT–01E), ab der zweiten Saison wurden bestimmte Komponenten freigegeben. Das Chassis aber und die Batterie ist gleich, die Teams können eigene Antriebsstränge einsetzen (also Motor, Getriebe, Inverter).
Die Autos müssen inklusive Fahrer mindestens 880 Kilogramm wiegen, allein die Batterien machen 320 Kilogramm aus. Die Leistung der Formel-E-Rennautos ist auf 200 kW begrenzt (entspricht etwa 270 PS), der Akku hat eine Kapazität von 28 kWh. Die geringe Kapazität führte in den bisherigen Saisonen dazu, dass die Fahrer Beschleunigung 0–100 km/h im Rennmodus Chassis Rahmen aus Carbon und Aluminium Länge: 5,00 m Breite: 1,80 m Höhe: 1,25 m Spurweite: 1,30 m Rauchschwaden nur vom Reifengummi: Die Rennstrecken der Formel E führen mitten durch die Stadt. Höchstgeschwindigkeit Gesamtgewicht (inklusive Fahrer) etwa zur Rennmitte die Autos wechseln mussten. In der kommenden Saison entfällt der Autowechsel, man startet mit neuen Akkus mit 54 kWh.
Für die Rennteams gibt es eine finanzielle Obergrenze, um auch kleineren Investoren einen Einstieg zu ermöglichen. 3,5 Millionen Dollar dürfen pro Saison ausgegeben werden. Zum Vergleich: In der Formel 1 muss man mindestens 44 Millionen Euro pro Jahr in die Hand nehmen. Geld erhalten die Teams je nach Platzierung: Jeder Meisterschaftspunkt bringt 3500 Euro.
In Bezug auf die Fahrer gilt die E als die „Formel der Söhne“. Nico Prost, Sohn von Formel-1-Weltmeister Alain Prost, fährt für Renault. Nelson Piquet jr., dessen gleichnamiger Vater ebenfalls mehrfacher Weltmeister in der Formel 1 war, fährt für Jaguar. Dazu kommt der langjährige Formel-1-Fahrer Nick Heidfeld (Mahindra Racing), in der kommenden Saison wird Felipe Massa für Venturi starten.
»Am Ende geht es doch um ein spannendes Rennen, nicht um den Krach.«
Voestalpine als Sponsor. Interessant für Österreich ist der Einstieg der heimischen Voestalpine als Sponsor für die Europarennen der Formel E, bei denen ab der kommenden Saison ein Europameister gekürt werden wird. „Wünschenswert wäre natürlich auch ein Rennen durch Wien“, meinte Firmenchef Wolfgang Eder bei der Präsentation des Sponsorvertrags. Im Rennkalender 2018/2019 (Start der Saison am 15. Dezember in Riad, Saudiarabien) scheint Wien nicht auf. 2019/2020 soll es aber mehr als zwölf Rennen geben, dann wird man sehen.
Apropos Sound und „echtes“Rennfahren. Toto Wolff, Motorsportchef bei Mercedes, sagte in einem Interview mit der „Welt“folgendes: „Wenn man mit 18 im Tunnel das Fenster runter macht, um den Sound des Auspuffs zu hören, zählt man heute vielleicht tatsächlich zu einer Generation der Dinosaurier.“