Die Presse am Sonntag

»Man schaut fast in die Wohnzimmer«

Mitch Evans, Fahrer im Team von Panasonic Jaguar Racing, über die Unterschie­de zu einem Rennauto mit Verbrennun­gsmotor, über die Stadtkurse und das Problem, stromspare­nd zu fahren.

- VON NORBERT RIEF

Die offensicht­lichste Frage an einen langjährig­en Rennfahrer: Geht Ihnen bei der Formel E nicht der Klang eines Motors ab? Mitch Evans: Am Anfang war ich unsicher. Ich habe immer V8-Motoren geliebt, laute Motoren, viel Krach – jetzt ist es so ruhig hinter dem Lenkrad. Deshalb können wir mit den Rennautos auch mitten durch die Stadt fahren, das ist undenkbar in einem Auto mit Verbrennun­gsmotor. Außerdem ist das Elektroaut­o besser für meine Gesundheit (lacht): Ich atme kein Benzin ein und ich werde nicht taub . . . Was ist fahrerisch der größte Unterschie­d zu einem Rennauto mit Verbrennun­gsmotor? Das ganze Konzept ist anders. Wir müssen uns als Fahrer in der Formel E um viel mehr kümmern: Es gibt keine Datenverbi­ndung zur Box (nur die Temperatur des Akkus wird aus Sicherheit­sgründen übertragen, Anm.). Alles wird vom Fahrer gesteuert, wir müssen ständig auf die Balance achten zwischen schnellem Fahren, Energiever­brauch und der Temperatur der Akkus, die wichtig ist für die Energierüc­kgewinnung beim Bremsen. Alle Einstellun­gen erfolgen am Lenkrad, wir sprechen uns mit der Box ab und die gibt dem Fahrer Empfehlung­en für Set-ups. Das letzte Mal ist in meinem Auto der Sprechfunk ausgefalle­n, dann hing überhaupt alles an mir. Das klingt mehr so, als müsste man eher Ingenieur sein als Fahrer? Es ist auf jeden Fall eine Herausford­erung, weil man sich eben nicht allein auf das möglichst schnelle Fahren kon- zentrieren kann, sondern verschiede­ne Faktoren berücksich­tigen muss. Auch die Reifen sind einzigarti­g. Ja, wir fahren mit 18-Zoll großen Allwetterr­eifen. Das ist ein völlig anderes Fahren als bei den Rennautos, die wir gewohnt waren. Dazu kommt, dass wir ein traditione­lles Bremssyste­m haben, Brake-by-Wire kommt erst in der neuen Saison. Das heißt, wir müssen auch ständig die Bremsbalan­ce ändern. Nächstes Jahr macht das dann die Software. Was ist der größte Spaß beim Fahren eines Elektroren­nautos? Mitch Evans, 1994 in Auckland (Neuseeland) geboren, ist zweimalige­r Meister der Toyota Racing Series. 2012 gewann er die GP3-Serie, später fuhr er in der GP2-Serie. Seit 2016/17 hat er ein Cockpit bei Jaguar. Die Beschleuni­gung ist schon ziemlich gut, weil das Drehmoment sofort da ist. Die Rennstreck­en sind natürlich sehr interessan­t, weil sie anders sind als alle anderen Strecken. Man fährt mitten durch die Stadt auf ganz gewöhnlich­en Straßen mit allen Unebenheit­en, das ist eine spezielle Herausford­erung. Wenn man dann einen kleinen Fehler macht, hat man keinen Auslauf, sondern landet direkt in den Barrikaden. Welcher Stadtkurs hat Ihnen am besten gefallen? Rom war sehr schön. Generell sind die Kurse durch die Stadt gut, man ist direkt bei den Menschen, manchmal schaut man fast in die Wohnzimmer. . . . das war ziemlich einzigarti­g und auf seine Weise auch interessan­t, dass man die Autos wegen der aufgebrauc­hten Batterien wechselt. Künftig fahren wir mit einem einzigen Akku durch, das macht es traditione­ller und mehr wie ein normales Rennen. Für das Image sind all diese Neuerungen wichtig, auch die neuen Teams, die neue Herausford­erungen bringen. Bei Elektroaut­os geht es ja immer um die Reichweite. Ist Ihnen schon einmal der Strom ausgegange­n? Man sieht es immer wieder, dass Fahrer in der letzten Runde mit dem Akku kämpfen und sparsam mit der verblieben­en Energie umgehen müssen. Aber das bringt nur zusätzlich­e Spannung ins Rennen.

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In der kommenden Saison wird es einige Änderungen geben: Neue Teams, die Autos werden nicht mehr gewechselt . . .

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