»Man schaut fast in die Wohnzimmer«
Mitch Evans, Fahrer im Team von Panasonic Jaguar Racing, über die Unterschiede zu einem Rennauto mit Verbrennungsmotor, über die Stadtkurse und das Problem, stromsparend zu fahren.
Die offensichtlichste Frage an einen langjährigen Rennfahrer: Geht Ihnen bei der Formel E nicht der Klang eines Motors ab? Mitch Evans: Am Anfang war ich unsicher. Ich habe immer V8-Motoren geliebt, laute Motoren, viel Krach – jetzt ist es so ruhig hinter dem Lenkrad. Deshalb können wir mit den Rennautos auch mitten durch die Stadt fahren, das ist undenkbar in einem Auto mit Verbrennungsmotor. Außerdem ist das Elektroauto besser für meine Gesundheit (lacht): Ich atme kein Benzin ein und ich werde nicht taub . . . Was ist fahrerisch der größte Unterschied zu einem Rennauto mit Verbrennungsmotor? Das ganze Konzept ist anders. Wir müssen uns als Fahrer in der Formel E um viel mehr kümmern: Es gibt keine Datenverbindung zur Box (nur die Temperatur des Akkus wird aus Sicherheitsgründen übertragen, Anm.). Alles wird vom Fahrer gesteuert, wir müssen ständig auf die Balance achten zwischen schnellem Fahren, Energieverbrauch und der Temperatur der Akkus, die wichtig ist für die Energierückgewinnung beim Bremsen. Alle Einstellungen erfolgen am Lenkrad, wir sprechen uns mit der Box ab und die gibt dem Fahrer Empfehlungen für Set-ups. Das letzte Mal ist in meinem Auto der Sprechfunk ausgefallen, dann hing überhaupt alles an mir. Das klingt mehr so, als müsste man eher Ingenieur sein als Fahrer? Es ist auf jeden Fall eine Herausforderung, weil man sich eben nicht allein auf das möglichst schnelle Fahren kon- zentrieren kann, sondern verschiedene Faktoren berücksichtigen muss. Auch die Reifen sind einzigartig. Ja, wir fahren mit 18-Zoll großen Allwetterreifen. Das ist ein völlig anderes Fahren als bei den Rennautos, die wir gewohnt waren. Dazu kommt, dass wir ein traditionelles Bremssystem haben, Brake-by-Wire kommt erst in der neuen Saison. Das heißt, wir müssen auch ständig die Bremsbalance ändern. Nächstes Jahr macht das dann die Software. Was ist der größte Spaß beim Fahren eines Elektrorennautos? Mitch Evans, 1994 in Auckland (Neuseeland) geboren, ist zweimaliger Meister der Toyota Racing Series. 2012 gewann er die GP3-Serie, später fuhr er in der GP2-Serie. Seit 2016/17 hat er ein Cockpit bei Jaguar. Die Beschleunigung ist schon ziemlich gut, weil das Drehmoment sofort da ist. Die Rennstrecken sind natürlich sehr interessant, weil sie anders sind als alle anderen Strecken. Man fährt mitten durch die Stadt auf ganz gewöhnlichen Straßen mit allen Unebenheiten, das ist eine spezielle Herausforderung. Wenn man dann einen kleinen Fehler macht, hat man keinen Auslauf, sondern landet direkt in den Barrikaden. Welcher Stadtkurs hat Ihnen am besten gefallen? Rom war sehr schön. Generell sind die Kurse durch die Stadt gut, man ist direkt bei den Menschen, manchmal schaut man fast in die Wohnzimmer. . . . das war ziemlich einzigartig und auf seine Weise auch interessant, dass man die Autos wegen der aufgebrauchten Batterien wechselt. Künftig fahren wir mit einem einzigen Akku durch, das macht es traditioneller und mehr wie ein normales Rennen. Für das Image sind all diese Neuerungen wichtig, auch die neuen Teams, die neue Herausforderungen bringen. Bei Elektroautos geht es ja immer um die Reichweite. Ist Ihnen schon einmal der Strom ausgegangen? Man sieht es immer wieder, dass Fahrer in der letzten Runde mit dem Akku kämpfen und sparsam mit der verbliebenen Energie umgehen müssen. Aber das bringt nur zusätzliche Spannung ins Rennen.