Die Presse am Sonntag

Das Gefühl der Unbesiegba­rkeit

Kroatien wird auf einer Welle der Euphorie bis zum WM-Titel getragen.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Kroatien hat bei der WM in Russland bislang unbekannte Sphären erreicht. Zum ersten Mal stehen „Die Feurigen“in einem großen Endspiel. Vorbei sind die Zeiten, in denen bei jedem Turnier bloß an die glorreiche Vergangenh­eit erinnert wurde.

1998, bei der WM in Frankreich, hatte Kroatien mit dem Einzug ins Halbfinale und Platz drei Historisch­es geschafft, seitdem genießen Suker,ˇ Prosinecki­ˇ und Co. Heldenstat­us. 20 Jahre später hat sich die nächste goldene Generation angeschick­t, ihre eigene, erfolgreic­here Geschichte zu schreiben. Schon öfter galt Kroatien in der Vergangenh­eit als Mitfavorit, doch meist hagelte es Enttäuschu­ngen. In Russland qualifizie­rte sich das Team erstmals seit Frankreich 1998 wieder für die K.-o.-Phase einer Weltmeiste­rschaft und scheint nun sogar reif für die Titelpremi­ere.

Keine andere Mannschaft in Russland verfügt über so viel Klasse und Kreativitä­t im Mittelfeld wie Kroatien. Luka Modric´ (32 Jahre, Real Madrid), Ivan Rakitic´ (30 Jahre, FC Barcelona) und Ivan Perisiˇc´ (29 Jahre, Inter Mailand) führen die illustre Reihe an begnadeten Mittelfeld­akteuren an, und jeder einzelne von ihnen ist jederzeit in der Lage, das WM-Finale allein zu entscheide­n. An vorderster Front ist Mario Mandzukiˇc´ ein Erfolgsgar­ant. Der 32-jährige Stürmer öffnete Kroatien mit seinem 2:1-Treffer in der Verlängeru­ng gegen England das Tor zum Finale, wo seine Routine und Kaltschnäu­zigkeit auch gegen Frankreich ein entscheide­nder Trumpf sein könnten. Den direkten Vergleich mit dem bei der WM bisher völlig glücklosen Olivier Giroud (FC Chelsea) gewinnt Mandzukiˇc´ jedenfalls allemal. Aufstieg eines No-Names. Nicht nur auf dem Rasen, auch auf der Trainerban­k scheint Kroatien ein Ass zu besitzen, denn in den vergangene­n Wochen ist auch der Stern des Zlatko Dalic´ aufgegange­n. Dalic´ war vor dieser Weltmeiste­rschaft internatio­nal ein nahezu unbeschrie­benes Blatt, arbeitete zunächst für Klubs in Kroatien und Albanien, später in Saudiarabi­en und den Vereinigte­n Arabischen Emiraten. Dass der 51-Jährige einen späteren WM-Finalisten trainieren würde, schien vor nicht einmal zwei Jahren noch völlig illusorisc­h. Erst im Oktober 2017 übernahm er das TeamchefAm­t von Ante Cˇacˇic´, dem ein 1:1 gegen Finnland den Job kostete. Dalic´ einte die Mannschaft wieder, führte sie hinter Gruppensie­ger Island ins Play-off gegen Griechenla­nd (Gesamtscor­e 4:1) und letztlich zur WM.

Kroatien wird seit dem 3:0-Sieg gegen Argentinie­n im zweiten Vorrundens­piel von einer Welle der Euphorie durch das Turnier getragen, im Vier-MillionenE­inwohner-Land herrscht Ausnahmezu­stand. „Wir spüren diese spezielle Energie“, sagt Modric.´ Außerdem fühlen sich die Kroaten unbesiegba­r, alle drei Spiele in der K.-o.-Phase gingen über 120 Minuten, zwei wurden im Elfmetersc­hießen gewonnen. Und als Außenseite­r haben sie im Finale nichts zu verlieren. Aufstellun­g: Subasic;ˇ Vrsaljko, Vida, Lovren, Strinic;´ Rakitic,´ Brozovic;´ Rebic,´ Modric,´ Perisiˇc;´ Mandzukiˇc.´

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