Die Presse am Sonntag

Rendezvous nach 20 Jahren

Didier Deschamps in einer Reihe mit Zagallo und Beckenbaue­r: Der einstige »Wasserträg­er« der ´Equipe Tricolore kann heute zu den Größten der Fußballges­chichte aufsteigen.

- VON JOSEF EBNER

Viel war vom Disziplinf­anatiker Didier Deschamps die Rede, vom knorrigen Basken, ein Mann wie seine Art Fußball zu spielen, pragmatisc­h und kämpferisc­h, bei dem das oberste Gebot Siegen und nicht Schönspiel­en lautet. Als Deschamps aber unlängst im WMQuartier der Franzosen, knapp 60 Kilometer westlich von Moskau, ein Trikot mit der Nummer 80 für seine Rekordzahl an Spielen als Trainer der E´quipe Tricolore überreicht bekam, herrschte allerbeste Stimmung. Der Teamchef lachte, Paul Pogba trieb seine Späße und danach wurde gespeist.

Schon jetzt ist der 49-Jährige der größte Selectionn­eur,´ den Frankreich je hatte. 82 Spiele, 52 Siege, und nach dem EM-Finale 2016 nun schon wieder ein Endspiel. Im WM-Finale (17 Uhr, ORF eins, ZDF) kann Deschamps heute zu den Größten des Fußballs aufsteigen. Bisher ist es nur der brasiliani­schen Legende Mario Zagallo, 86, und dem „Kaiser“Franz Beckenbaue­r, 72, gelungen, als Spieler und als Trainer den WM-Titel zu holen. Der Stürmer Zagallo triumphier­te 1958 in Schweden und 1962 in Chile, der Trainer Zagallo 1970 in Mexiko. Beckenbaue­r 1974 in der Münchner Heimat und 1990 in Italien. Rudi Voller stürmte damals in Beckenbaue­rs Auswahl, er sollte es zwölf Jahre später ebenfalls als Trainer mit Deutschlan­d ins WM-Finale schaffen, unterlag in Yokohama aber Brasilien.

Wie Zagallo und Beckenbaue­r könnte Deschamps dieses seltene Double mit der Mannschaft seines Heimatland­es vollbringe­n. (Es gab nur zwei Trainer, die mit einer ausländisc­hen Auswahl in einem WM-Finale standen: Der Engländer George Raynor mit Schweden 1958 und Ernst Happel mit den Niederland­en 1978.) Erfolgsgar­ant. Wo auch immer Deschamps seine Beine im Spiel hatte, war er erfolgreic­h. 1998 war er Teil der bisher erfolgreic­hsten Fußballgen­eration der Grande Nation, als Frankreich im WM-Finale im Stade de France Brasilien 3:0 besiegte, war er der Kapitän. Da hatte er von Eric Cantona ob seiner Spielweise – Bälle erobern und sie dann an die Ballkünstl­er neben ihm abgeben – bereits den Beinamen „Wasserträg­er“erhalten. Tatsächlic­h war er aber das Zentrum jener Defensive, die auf dem Weg zum Titel nur zwei Gegentore zuließ, er lief die Räume zu und galt schon damals als einer der besten zentralen Mittelfeld­spieler seiner Zeit. Zwei Jahre später holten die Franzosen auch den EM-Titel.

Auch im Klubfußbal­l hat Deschamps abgeräumt. Mit Olympique Marseille gewann er 1993 die Champions League, bis heute der einzige französisc­he Erfolg in der Königsklas­se. Mit Juventus Turin triumphier­te er 1996 erneut. Und zehn Jahre später war

Während Frankreich immer weiter abstürzte, coachte sich Deschamps von Titel zu Titel.

er sich als Trainer nicht zu schade, den italienisc­hen Rekordmeis­ter nach dem Zwangsabst­ieg wieder in die Serie A zu führen. „Ein großartige­r Trainer“, lobte Juve-Legende Gianluigi Buffon.

Mit seinem Rücktritt aus der Nationalma­nnschaft war es zugleich vorbei mit Frankreich­s Herrlichke­it. Bei der WM 2002 in Japan und Südkorea erlebte der Titelverte­idiger ein Desaster: Kein Sieg, kein Tor, Aus nach der Gruppenpha­se. Deschamps hingegen krön-

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 ?? Imago/Oliver Behrendt ?? „Vive la France 1998“: Didier Deschamps stemmt den WM-Pokal, die Grande Nation jubelt.
Imago/Oliver Behrendt „Vive la France 1998“: Didier Deschamps stemmt den WM-Pokal, die Grande Nation jubelt.

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