Spielraum
EIN STEILPASS IN DIE TIEFE DES SPORTS
Hohe Geldstrafen gab es bei der Fußball-WM in Russland wegen falscher Socken, Trinkflaschen, Beflockung der Werbepartner oder Verspätungen. Dafür wurden lächerliche Verwarnungen für politische Botschaften durchgewinkt. Was grotesk wirkt, ist für den Weltverband Fifa und seine Funktionäre bloß die Umsetzung ihrer Richtlinien. Maximale Gewinnoptimierung und maximaler Schutz aller Geldgeber.
Die Entwicklung des Spiels, der Wert einer WM, all das spielt in der Kommerzgier nur noch eine Nebenrolle. Fifa-Präsident Gianni Infantino und seinen Wegbegleitern geht es nur darum, noch mehr Geld aus dem Sport herauszupressen. Wer Altstars wie Diego Maradona hoch entlohnt einfliegen lässt und während einer WM für sich auf Wahlkampftour schickt, dem müssen Geldsorgen fremd sein. Manch einer mutmaßt sogar, dass Infantino im Geldausgeben besser zu sein scheint als Sepp Blatter. Dass es dem Weltverband finanziell schlecht gehen könnte, ist eine Mär.
Zur Verdeutlichung lohnt der Blick zurück: 2014 machte man mit der WM in Brasilien 3,3 Milliarden Euro Gewinn. Nach Abgaben und Prämien blieben 1,6 Mrd. Da sich die Fifa vertraglich zusichern lässt, im Austragungsland keine Steuern entrichten zu müssen, entgingen Brasilien circa 330 Mio. Euro an Einnahmen. Sogar im Zürcher Kantonsrat wurde eine Steuererhöhung für den dort ansässigen Sportverband abgelehnt. Warum? Angeblich aus Angst, die Fifa würde dann abwandern . . .
Neue TV-Verträge, neue Turnierformate mit 48 Teams womöglich schon 2022 in Katar und nicht erst 2026 in USA, Mexiko und Kanada, globale Werbepartner – die Fifa ist weiterhin eine unglaublich gut geölte Geldmaschine. Und Infantino versteht es wie kein anderer, ihre Hebel zu bedienen.
Jetzt erwägt der Italoschweizer, der 2019 wiedergewählt werden will, schon die AdventWM in Katar 2022 mit 48 Mannschaften zu bestreiten. 80 statt 64 Spiele, so die simple Rechnung, sind gut für das Geschäft. Mehr Teams, mehr Tickets, mehr TV-Zeit – mehr Wählerstimmen. Vielleicht gibt es bald auch eine neue Klub-WM, natürlich: mehr Geld, noch exklusiver als die Champions League.
Das ist grotesk. Die WM in Russland hat mit dem alten 32er-Format gezeigt, dass es manchem Teilnehmer schlicht an Qualität mangelt. Was ist das dann erst für ein Gemurkse, wenn 16 weitere – davon drei Mannschaften aus Europa – dazustoßen? Die WM büßt gewaltig an Qualität ein. Womöglich wird das Spiel schon in Katars Wüste verwässert. Infantino hat zwar vorerst im Kongress einen Dämpfer erhalten, aber seine Methodik garantiert einen neuen Anlauf.
Damit tunlichst alle mitspielen, allen voran Europas Topklubs und die Uefa, wird es für jeden halt noch mehr Geld geben. 195 Millionen Euro für Europas Klubs, das war bloß das erste Angebot. Was kostet die Welt? Hauptsache, es gibt – für alle – eine WM.