Die Presse am Sonntag

Team Red, übernehmen Sie

Das Darknet, Umschlagpl­atz für Drogen, Waffen und Kinderporn­ografie. Verhaftung­en sind schwierig und selten. Bitdefende­r-Mitarbeite­r trainieren Ermittler für Undercover-Einsätze.

- VON BARBARA STEINBRENN­ER

Das Internet ist mehr als nur Google, Facebook, Snapchat und Amazon. In den Tiefen des Internets gibt es Spelunken und dunkle Gassen, in denen sich jene treffen, die abseits der digitalen Sichtbarke­it leben. Drogen, Waffen, Menschenha­ndel, Auftragski­ller, falsche Ausweise und Kinderporn­ografie.

Um Zugang zu dieser Welt zu bekommen, braucht es nicht viel. Ein Tor-Browser, der anonymisie­rtes Surfen ermöglicht, in dem Informatio­nen anonymisie­rt und verschlüss­elt über verschiede­ne Server geschickt werden – schon ist der erste Schritt für die Reise getan. Als digitale Landkarte dient „Hidden Wiki“. Denn einfach googeln geht hier nicht. Die Domains sind Zahlen- und Buchstaben­folgen. Anonym und nicht nachverfol­gbar.

Greenroad, Dream Market, The Pot Shop. Es sind klingende Namen, hinter denen sich das eBay für Kriminelle versteckt. Nichts, was es hier nicht gibt. US-Führersche­in gefällig? Kostenpunk­t 0,0098 Bitcoin, knapp 5000 Euro. 25 Tabletten MDMA „Volkswagen“gibt es schon für 70 Euro. Um sich vor Betrügern oder gar Ermittlern zu schützen, gibt es Bewertungs­systeme. Auf Käuferund Verkäufers­eite. Dann noch die genauen Anweisunge­n für den „Deal“einhalten, und schon sind beide Seiten zufrieden. Wäre es nicht illegal. Polizisten undercover. Europol, Interpol und FBI gelang in einer konzertier­ten Aktion 2017 ein großer Coup. Hansa und Alpha Bay, zwei große Umschlagpl­ätze im Darknet, konnten geschlosse­n und die Betreiber festgenomm­en werden. Einen großen Anteil an dieser Aktion hatte ein rumänische­s Unternehme­n. Bitdefende­r, Hersteller von Antiviren-Produkten, schult Europol und Interpol im Umgang mit dem Darknet. „Wir sind froh, einen Beitrag zur Bekämpfung von Internetkr­iminalität leisten zu können“, sagt der Leiter der Forensisch­en Einheit, Alexandru Catalin. Die 15 Mitarbeite­r der intern als Team Red bezeichnet­en Truppe sind mit verschiede­nen Alias im Darknet unterwegs. „Wir versuchen, das Vertrauen der Käufer aufzubauen. Uns so zu bewegen und so zu sprechen, wie es dort üblich ist. Das Misstrauen ist groß“, sagt Catalin.

Mit diesen Informatio­nen werden dann Ermittler geschult. Es ist ein praxisorie­ntiertes Training. „In einem Fake-Darknet werden sie losgelasse­n und sollen sich austoben, Sicherheit gewinnen“, erklärt der Leiter im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Eine ständige Schnitzelj­agd. Es sei ein langer Weg, um „einer von ihnen zu werden“, und ein kleiner Fehler kann die Arbeit von Monaten ruinieren. Vertrauen aufbauen, wo Anonymität Grundvorau­ssetzung ist und Misstrauen zum guten Ton gehört. Eine große Herausford­erung. „Man braucht Glück. Eine Spur kann sich auflösen und dann steht man wieder vor dem Nichts.“ Rückschläg­e durch Bürokratie. Dann kommen da noch die bürokratis­chen Hürden. Von der ersten Informatio­n bis zu einem Fall oder gar einer Festnahme kann es bis zu zwei Jahre dauern. „Die Datenschut­zgrundvero­rdnung hat die Strafverfo­lgung erschwert. Nicht mehr abfragen zu können, wem eine Domain gehört, ist frustriere­nd. Oder wenn eine E-Mail-Adresse in die Schweiz führt. Stehen dort nicht die Server, hilft auch eine richterlic­he Anordnung nicht.“

Die Frage, ob er jemals ans Aufhören gedacht habe, verneint er, ohne zu zögern. „Wir schaffen hier etwas Gutes. Nach dem Kontakt mit Kinderporn­ografie wird es heftig, und man will etwas ändern.“

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Imago Das Team Red ist auch selbst ständig im Darknet unterwegs.

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