Team Red, übernehmen Sie
Das Darknet, Umschlagplatz für Drogen, Waffen und Kinderpornografie. Verhaftungen sind schwierig und selten. Bitdefender-Mitarbeiter trainieren Ermittler für Undercover-Einsätze.
Das Internet ist mehr als nur Google, Facebook, Snapchat und Amazon. In den Tiefen des Internets gibt es Spelunken und dunkle Gassen, in denen sich jene treffen, die abseits der digitalen Sichtbarkeit leben. Drogen, Waffen, Menschenhandel, Auftragskiller, falsche Ausweise und Kinderpornografie.
Um Zugang zu dieser Welt zu bekommen, braucht es nicht viel. Ein Tor-Browser, der anonymisiertes Surfen ermöglicht, in dem Informationen anonymisiert und verschlüsselt über verschiedene Server geschickt werden – schon ist der erste Schritt für die Reise getan. Als digitale Landkarte dient „Hidden Wiki“. Denn einfach googeln geht hier nicht. Die Domains sind Zahlen- und Buchstabenfolgen. Anonym und nicht nachverfolgbar.
Greenroad, Dream Market, The Pot Shop. Es sind klingende Namen, hinter denen sich das eBay für Kriminelle versteckt. Nichts, was es hier nicht gibt. US-Führerschein gefällig? Kostenpunkt 0,0098 Bitcoin, knapp 5000 Euro. 25 Tabletten MDMA „Volkswagen“gibt es schon für 70 Euro. Um sich vor Betrügern oder gar Ermittlern zu schützen, gibt es Bewertungssysteme. Auf Käuferund Verkäuferseite. Dann noch die genauen Anweisungen für den „Deal“einhalten, und schon sind beide Seiten zufrieden. Wäre es nicht illegal. Polizisten undercover. Europol, Interpol und FBI gelang in einer konzertierten Aktion 2017 ein großer Coup. Hansa und Alpha Bay, zwei große Umschlagplätze im Darknet, konnten geschlossen und die Betreiber festgenommen werden. Einen großen Anteil an dieser Aktion hatte ein rumänisches Unternehmen. Bitdefender, Hersteller von Antiviren-Produkten, schult Europol und Interpol im Umgang mit dem Darknet. „Wir sind froh, einen Beitrag zur Bekämpfung von Internetkriminalität leisten zu können“, sagt der Leiter der Forensischen Einheit, Alexandru Catalin. Die 15 Mitarbeiter der intern als Team Red bezeichneten Truppe sind mit verschiedenen Alias im Darknet unterwegs. „Wir versuchen, das Vertrauen der Käufer aufzubauen. Uns so zu bewegen und so zu sprechen, wie es dort üblich ist. Das Misstrauen ist groß“, sagt Catalin.
Mit diesen Informationen werden dann Ermittler geschult. Es ist ein praxisorientiertes Training. „In einem Fake-Darknet werden sie losgelassen und sollen sich austoben, Sicherheit gewinnen“, erklärt der Leiter im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Eine ständige Schnitzeljagd. Es sei ein langer Weg, um „einer von ihnen zu werden“, und ein kleiner Fehler kann die Arbeit von Monaten ruinieren. Vertrauen aufbauen, wo Anonymität Grundvoraussetzung ist und Misstrauen zum guten Ton gehört. Eine große Herausforderung. „Man braucht Glück. Eine Spur kann sich auflösen und dann steht man wieder vor dem Nichts.“ Rückschläge durch Bürokratie. Dann kommen da noch die bürokratischen Hürden. Von der ersten Information bis zu einem Fall oder gar einer Festnahme kann es bis zu zwei Jahre dauern. „Die Datenschutzgrundverordnung hat die Strafverfolgung erschwert. Nicht mehr abfragen zu können, wem eine Domain gehört, ist frustrierend. Oder wenn eine E-Mail-Adresse in die Schweiz führt. Stehen dort nicht die Server, hilft auch eine richterliche Anordnung nicht.“
Die Frage, ob er jemals ans Aufhören gedacht habe, verneint er, ohne zu zögern. „Wir schaffen hier etwas Gutes. Nach dem Kontakt mit Kinderpornografie wird es heftig, und man will etwas ändern.“