Die Presse am Sonntag

»Männer sind heute unsicherer«

Seit 1997 hat Elizabeth T. Spira über tausend Einsamen bei der Partnersuc­he geholfen und dabei viel über Beziehunge­n und Einrichtun­gsstil der Österreich­er gelernt.

- VON ANNA-MARIA WALLNER

In diesem Sommer laufen zum 22. Mal Ihre „Liebesg’schichten und Heiratssac­hen“im ORF. Sie hören wirklich auf? Elizabeth T. Spira: Hab’ ich das gesagt? Der ORF stellt es so dar. Stimmt das nicht? Ich sage immer, das soll man mich fragen, wenn die Sendung gelaufen ist. Im Herbst. Jetzt sag ich gar nichts. Das sagen Sie seit Jahren, die Sendung bekommt jedes Jahr mehr Zuseher und Sie machen dann doch immer weiter. Kann ich etwas dafür? Sie sind also noch nicht müde geworden? Es gibt schon hie und da Situatione­n, wo ich mir denke: Warum hackelst du noch weiter? Meist beginnt das im Winter. Mittlerwei­le bin ich 75. Außerdem hab’ ich vom vielen Rauchen COPD und bekomme schwer Luft. Im Sommer geht das alles, aber im Winter bin ich gern ein paar Tage zu Hause, weil feuchtkalt­e Luft ist schlecht für mich. Da beginnt bei mir die Krise. Haben Sie vor 21 Jahren, beim Start der Reihe, mit so einem Erfolg gerechnet? Nein. Ich habe die „Alltagsges­chichten“sehr geliebt und wir haben nur herumgeblö­delt mit dem Intendante­n. Ich hab damals gesagt, ich würde gerne eine Sendung über einsame Männer machen. Wir sind oft bei den Drehs um Mitternach­t irgendwo gestanden und die haben sich bei „Mama Spira“ausgeweint, dass sie nicht nach Hause wollen, weil die Alte ist weg, niemand kocht und bügelt. Verlassene Männer fand ich irgendwie witzig. So entstand die Idee, über den Sommer eine Reihe über einsame Leute zu machen. Ich wollte eigentlich nicht. Aber die anderen haben mich überredet. Sie reden seit 22 Jahren mit Menschen über Liebe, Beziehung und Einsamkeit. Was hat sich in den zwei Jahrzehnte­n verändert? Die Frauen haben sich verändert. Sie wollen heute auch jüngere Partner, so wie die Männer immer schon jüngere Partnerinn­en gesucht haben. Frauen brauchen heute niemanden mehr, der sie finanziell unterstütz­t, sondern sie suchen das erotische Abenteuer. Das gab’s früher nur vereinzelt. Aber heute sagen auch die 70-Jährigen: Um die 50 soll er sein. Ich denk mir dann: Sei ein bisserl bescheiden­er, dann hast vielleicht a Glück. Und wie haben sich die Männer verändert? Unsicher sind sie geworden. Sehr unsicher. Sie sagen heute, sie brauchen keine Frau zum Hausputzen oder Bügeln. Das können sie alles selber. Weil sie genau wissen, das klingt nicht gut. Sie bieten heute eine echte Partnersch­aft. Was hat Sie die Arbeit an der Sendung über Beziehunge­n gelehrt? Beziehunge­n ändern sich von Generation zu Generation. Aber dass die Frauen heute emanzipier­ter sind und sich vieles nicht mehr gefallen lassen, sieht man. Beziehunge­n sehen heute schon anders aus . Wie haben Sie die MeToo-Debatte im vergangene­n Jahr beobachtet? Ich finde es furchtbar, wenn ein Chef anfängt, peinlich zu werden. Wenn ich Schauspiel­erin bin und eine Rolle haben will und der Chef will mit mir ins Bett, dann geht das auch nicht. Aber als ich jung war, kam es schon vor, dass einem auf den Popsch gegriffen wurde. Ich hab dann ad hoc beim Gegenüber auch so gemacht oder irgendetwa­s anderes. Ich fand das nicht so schlimm. Heute geht mir das fast ein bisserl ab. Das heißt Sie sind eher Team Catherine Deneuve. Die hat mit einigen anderen französisc­hen Schauspiel­erinnen vor amerikanis­cher Prüderie im Umgang zwischen Männer und Frauen gewarnt. Ja. Ich wär’ auch gern die Deneuve! Nur kann nicht jede Frau selbstbewu­sst und mutig Grenzübers­chreitunge­n von Männern abwehren, so wie Sie das konnten. Okay. Mein Glück war, dass ich eine ordentlich­e Erziehung erlebt habe. Ich habe früh gelernt: Wenn dich wer ärgert, gib ihm a Watschn’. Wenn man dich sekkiert, sekkier zurück. Das hat sicher damit zu tun. Mir ist auch nicht viel passiert. MeToo hat aber gezeigt, dass wir mit der Gleichbere­chtigung zwischen Mann und Frau doch noch nicht so weit sind. Das müssen mir Jüngere erzählen. In dieses Spiel gehöre ich nicht mehr. Wer war der bisher jüngste Kandidat, die jüngste Kandidatin in Ihrer Sendung? Das Alter ist nicht so wichtig, der Mensch muss etwas erlebt haben. Niemand will Teenagern zuhören, wenn sie über ihren ersten Schwarm sprechen. Da muss man Sendungen für Junge machen. Meine Sendung sammelt Geschichte­n, sonst würden die Leute sofort abdrehen. Es gibt immer wieder Leute, die nichts erzählen wollen. Dafür hab ich volles Verständni­s, ich würde auch nichts erzählen wollen, aber ich hab mich auch noch nie für so eine Sendung gemeldet. Wir sind kein Heiratsins­titut. Sie kommen bei den Dreharbeit­en viel herum im Land, sehen viele Wohnzimmer. Wie geht’s den Österreich­ern heute? Das kann man oft schwer sagen, weil die Leute sich gerne verschulde­n, um irgendetwa­s zu kaufen, was sie unbedingt haben wollen. Heute fehlen die breiten Fernseher, mit einem weißen Spitzendec­kerl, wo die Gondel aus Venedig gestanden ist . . . . . . weil die breiten Fernseher aus der Mode sind. . . Was schade ist, weil das war so eine Abstellflä­che, eben für die Gondel aus Venedig. Früher war man mit den Möbeln viel vorsichtig­er, damit sie mehrere Generation­en nutzen konnten. Heute will kein Junger mehr solche Möbel haben. Die kaufen natürlich in den großen Möbelhäuse­rn. Und da kaufen sie dann gleich alles, auch die Bilder dazu, das sieht dann wieder ganz schlimm aus. Weil dann hängt ein drei Meter langes Segelschif­f im Wohnzimmer und ich frag dann: „Tun Sie gerne segeln.“Und dann hör’ ich: „Nein, nein, aber das war so billig.“Eine Zeit lang war alles sehr afrikanisc­h, dabei waren die Besitzer nie in Afrika. Man sieht auch insgesamt mehr Buddhas als Kruzifixe.

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