Die Presse am Sonntag

»Jedermann« oder: Hofmannsth­als Frauenbild­er

Tod und Teufel werden auf dem Domplatz von Männern gespielt. Gute Werke und Glaube von Damen. Warum denn das?

- BARBARA PETSCH

Die Marschalli­n im „Rosenkaval­ier“nimmt sich einen jungen Liebhaber, Elektra ist ein wahrhaft wildes Weib und Arabella eine emanzipier­te Dame des Fin de Siecle.` Hugo von Hofmannsth­al (1874–1929) gilt als konservati­v, in seinen Opernlibre­tti für Richard Strauss war er das nicht. Auch in seinen Sprechstüc­ken kommen eigenwilli­ge Damen vor wie etwa Helene Altenwyl, die sich den „Schwierige­n“erobert – und er sie. In Hofmannsth­als Zeit war die Rolle der Frau stark im Umbruch, es gab traditione­lle Damen und solche, die in Richtung Moderne strebten. Nie mehr Beiwagerl. Ganz konvention­ell wirkt der „Jedermann“. „Ein Bub ist frech und ohne Art, ein Mann ist großmütig und zart“, schmeichel­t die Buhlschaft ihrem Oldie. Ein Donald Trump wäre von so einer Frau wohl begeistert, First Lady Melania scheint allerdings von ihm abzurücken. Die Frau an der Seite eines Mächtigen zu sein, füllt nicht jede Dame aus. Auch in Salzburg wird versucht, die Buhlschaft, bei der noch immer ungeniert ihre Körperform­en diskutiert werden, zu emanzipier­en und sie quasi an ihrem eigenen Text vorbei zu schummeln. Buhlschaft­en, die Eigenständ­igkeit ausstrahle­n, gibt es schon lange. Einige Beispiele: Sophie Rois (siehe oben), Birgit Minichmayr, Brigitte Hobmeier – die mit dem Rad auf die Bühne fuhr –, oder heuer Stefanie Reinsperge­r. Diese bricht allerdings nach einer tollen Karriere in Wien Richtung Deutschlan­d Martina Stilp ist neu im „Jedermann“Team: Sie spielt Schuldknec­hts Weib. auf. Bei ihrer Vorstellun­g als Buhlschaft wurde Reinsperge­r gefragt, welche Rolle sie am liebsten in diesem Stück spielen würde, darauf antwortet sie kurz und bündig, den Jedermann selber. Eine solche Revolution wird es nicht so bald geben, „Jedermann“ist eine Cashcow der Salzburger Festspiele und auch für die Touristen da. Tödin. Womöglich sind manche froh, dass der „Jedermann“bisher von gewissen Kapriolen des Regietheat­ers verschont geblieben ist. Aber vielleicht könnte man einmal klein anfangen und den Mammon oder den Tod mit einer Frau besetzen. Bei „jedermann (stirbt)“von Ferdinand Schmalz, im Burgtheate­r spielt Barbara Petritsch eine beachtlich­e Tödin. Für das Spiel auf dem Salzburger Domplatz werden vermutlich 2020 die Karten neu gemischt, dann ist es 100 Jahre her, dass der Schlager der Festspiele dort erstmals stattfand. Dies wäre eine passende Gelegenhei­t von den festen Geschlecht­errollen abzugehen. Tod und Teufel spielen im „Jedermann“Herren, die Guten Werke und der Glaube werden von Frauen verkörpert. Regisseur Michael Sturminger hat der Festspiela­ttraktion zuletzt einen kräftigen Schubs in Richtung Society verpasst, während seine Vorgänger Julian Crouch und Brian Mertes das historisch­e Erscheinun­gsbild glänzend aufpoliert­en, was der englischen Tradition entspricht, wo auch Shakespear­e noch immer oft „vom Blatt“gespielt wird.

Auch das Hofmannsth­al-Stück beruht ja auf dem britischen „morality play“„Everyman“aus dem 15. Jahrhunder­t. Man ahnt schon: Der „Jedermann“ist ein Besserungs­stück, er diente der Frage nach der Erlösung, nicht dem Regietheat­er und schon gar nicht dem Umsturz. Eine kleine Neubesetzu­ng gibt es bereits im heurigen Jahr auf dem Domplatz: Martina Stilp tritt als Schuldknec­hts Weib ins „Jedermann“-Ensemble ein, Text hat sie fast keinen, obwohl die gebürtige Deutsche große Rollen am Volkstheat­er gespielt hat, etwa mit Andrea Eckert in Schillers „Maria Stuart“oder die Anna Karenina. Seit 2015/16 ist Stilp Ensemble-Mitglied am Theater in der Josefstadt, wo sie u. a. in der Uraufführu­ng von „Niemand“zu sehen war, einem kaum bekannten Horvath-´Stück.

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