Der Victoria-Beckham-Effekt
Celebrities entdecken die Alten Meister und verleihen der Sparte den Glamour, der für Jüngere interessant ist. Ob es nachhaltig ist, ist fraglich.
Wie kann man Bilder und Skulpturen von Heiligen, Göttern, Schlachten und Porträts alter Aristokraten der heutigen Generation verkaufen? Eine Frage, die sich die Kunstbranche, die im Altmeistersegment zu Hause ist, zunehmend stellt. Denn diese Sparte macht vom Gesamtmarkt nur noch rund zehn Prozent aus. Doch es kommt gerade frischer Wind in die Welt alter Ölschinken. Das liegt einerseits an dem Rekordpreis für Leonardo da Vincis „Salvator Mundi“im Vorjahr. Und andererseits haben Celebrities die Alten Meister für sich entdeckt. So hat Amerikas Pop-Pärchen Beyonce´ und Jay-Z im Juni das gemeinsame Album „Everything Is Love“herausgebracht. Das Video zur Single „Apes**t“wurde im Louvre vor der „Mona Lisa“und Jacques-Louis Davids „Le Sacre de Napoleon“,´ Napoleons Krönung, gedreht. Auch die Modewelt entdeckt die Alten Meister. Künstler Jeff Koons hat für Louis Vuitton das beliebteste Taschenmodell des Hauses mit Reproduktionen berühmter Altmeistergemälde von Leonardo da Vinci, Titian, Rubens, Fragonard bis van Gogh designt – ein Verkaufsschlager. Preview im Flagshipstore. Und Ende Juni kooperierte das Ex-Spice-Girl und heutige Modedesignerin Victoria Beckham mit Sotheby’s und zeigte in ihrem Flagshipstore in Mayfair eine Ausstellung von 16 Porträts, die das Auktionshaus vergangene Woche im Rahmen der auf Alte Kunst spezialisierten London Art Week versteigerte. Beckham zeigte Wirkung. Laut Sotheby’s waren mehr als 7000 Besucher bei der Pre-Sale-Ausstellung, doppelt so viele wie sonst. Den höchsten Preis bei der Auktion erzielte dann ein Porträt eines Nobelmannes von Peter Paul Rubens, das marktfrisch war. Ein Porträt eines unbekannten Mannes, selbst wenn es von Rubens ist, gehört nicht gerade zu den leichtverkäuflichen Motiven. Doch es hing bei Victoria Beckham und erzielte 5,4 Millionen Pfund und damit mehr als den oberen Schätzwert von vier Millionen Pfund. Der Gesamterlös der Auktion lag bei 42,6 Millionen Pfund.
Bei Christie’s am Folgetag war die Spektakulärste Ansteigerung samt neuem Künstlerrekord Gerard Davids Porträt der Heiligen Familie. Die Arbeit war die letzten fünfzehn Jahre als Leihgabe im Museum in Boston und verdoppelte mit 4,8 Millionen Pfund die Schätzung. 2003 war die Arbeit in New York für eine Million Dollar an den Einlieferer verkauft worden. Der Gesamterlös des Hauses lag bei 31,2 Millionen Pfund.
Das größte Problem der Altmeistersparte ist der Mangel an wirklich guter Ware. Das bestätigt der „Old Master Paintings Market Report 2018“den das Kunstmarktanalysehaus ArtTactic anlässlich der London Art Week erstellt hat. Der ausgetrocknete Markt könne dazu führen, dass sich Sammler um andere Sparten umsehen, wenn es nicht genügend gute Ware zu kaufen gebe. Doch mit steigenden Preisen könnten auch Verkäufe wieder attraktiver werden und für mehr Liquidität am Markt sorgen. Zudem gab es zuletzt einen Generationenwechsel bei Altmeisterhändler. Die jüngere Genera- tion präsentiert auch die Ware in einer zeitgemäßen Form und stößt auf Interesse bei Sammlern, die bisher nur Moderne und Zeitgenossen gekauft haben. Auch die Auktionshäuser bemühen sich, die jüngere Generation anzusprechen. Christie’s etwa mit dem „Young Old Masters Cocktail“und Sotheby’s hat mit der New Yorker Designerin Victoria Hagan kooperiert, die Alte Meister mit zeitgenössischem Design in Szene gesetzt hat.
Laut ArtTactic hat es zuletzt jedenfalls bei Verkäufen einen Aufschwung gegeben. Zudem hätten die befragten Händler nicht nur mehr verkauft, im Schnitt wären rund 40 Prozent der Verkäufe an neue Kunden gegangen. Die Händler hoffen nun darauf, dass die Sammler anderer Sparten, die sich jetzt auch für Alte Meister interessieren, feststellen, dass Alte Meister vergleichsweise günstig bewertet sind.
Ob der Markt längerfristig dreht oder ob der Aufschwung nur kurz von ein paar marketingwirksamen Ereignissen getragen wird, wagt aber auch ArtTactic nicht zu prognostizieren.