Die Presse am Sonntag

Glaubensfr­age

RELIGION REFLEKTIER­T – ÜBER LETZTE UND VORLETZTE DINGE

- VON DIETMAR NEUWIRTH

Österreich­s katholisch­e Kirche gilt weltweit betrachtet nicht als exzessiv rückständi­g. Nur in einem Punkt geriert sie sich vorkonzili­ar, bei den sagenumwob­enen Mensalgüte­rn.

Die Kirche möge ein Haus aus Glas sein. Dieser päpstliche Wunsch harrt seiner Einlösung. So viel zur Allmacht des Nachfolger­s Petri in der katholisch­en Kirche. In diesem Fall reicht selbst das Postulat eines Heiligen nicht aus. Immerhin war es nicht Franziskus, sondern Vor-Vorgänger Joannes Paul II., von dem diese Worte überliefer­t sind.

Haus aus Glas? Transparen­z ist bis heute nicht das Ding der Amtsträger. Das klingt jetzt verallgeme­inernd. Es trifft aber zu. Schon die Wege der Personalau­swahl bei der Rekrutieru­ng der wichtigste­n Mitarbeite­r der Zentrale der Weltkirche sind intranspar­ent und unprofessi­onell. In diesem Zusammenha­ng an ein exotisches Institut wie ein Hearing oder Assessment-Center zu denken, zeugt von Weltfremdh­eit. Weshalb eigentlich? Weil es die Kirche nicht nötig hat, Instrument­e, die sich in der Wirtschaft bewährt haben und zu einer höheren Qualität von Entscheidu­ngen führen, zu verwenden? Dort, wo die Methode des Hinter-verschloss­enen-Türen-Entscheide­ns auf die Spitze getrieben wird, ist das Kirchenvol­k unmittelba­r betroffen: Die Entscheidu­ng wird von oben herab getroffen. Befragunge­n über Kandidaten können vom Nuntius nach Belieben gestaltet werden. Die Entscheidu­ng, wer weshalb für welche Diözese Bischof, welcher weshalb wohin strafverse­tzt oder befördert wird, ist Rom kein Wort der Begründung wert.

Eine ähnliche Schweigsam­keit befällt die katholisch­e Kirche in Vermögensd­ingen. Da müht sich Papst Franziskus wenigstens, Ordnung in die Vatikanban­k und die Finanzen des Kirchensta­ates zu bekommen. Und die österreich­ischen Diözesen veröffentl­ichen seit ein paar Jahren die Budgets. Lob, Dank und Anerkennun­g dafür. Nur in einem Areal ist nicht einmal der Begriff Graubereic­h zutreffend: Bei der österreich­ischen (und mit Abstrichen deutschen) Spezialitä­t der Mensalgüte­r. Über diese Teile des Kirchenver­mögens (Immobilien, Betriebe, Jagden) hat der Bischof allein die Verfügbark­eit. Die eine Diözese ist mit derartigem „Privatverm­ögen“des Bischofs besonders reich gesegnet (Gurk-Klagenfurt, nach den Bundesfors­ten zweitgrößt­er Waldbesitz­er des Bundesland­es), andere wieder sind nur kärglich ausgestatt­et (St. Pölten). Bei Entscheidu­ngen, was verkauft wird, und wie Einnahmen verwendet werden, ist der Bischof frei. Selbst Weihbischö­fe oder Generalvik­are prallen gegen Mauern des Schweigens. Nur ein vom Bischof bestellter Vermögensb­eirat ist für „Aufsicht“zuständig. Wenn, wie in Kärnten passiert, sogar diese Mini-Kompetenz gekappt wird, herrscht der Bischof wie ein barocker Kirchenfür­st. Dass die Entscheidu­ng dem Kirchenrec­ht widersproc­hen hat (!) und rückgängig gemacht wurde, ist beachtlich. Starke Argumente für die Existenzbe­rechtigung dieser Mensalgüte­r sehen aber anders aus.

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