Der süße Geschmack von Nachhaltigkeit
„Nirgendwo sonst wird noch kurz vor Beginn der Veranstaltung über den perfekten Reifegrad von Äpfeln diskutiert und warum manche Äpfel mehlig schmecken.” Mit diesen Worten eröffnete „Die Presse”Chefredakteur Rainer Nowak das seit mittlerweile acht Jahren stattfindende Stakeholder Forum der REWE International AG. Schauplatz des alljährlichen Nachhaltigkeit-Events waren die ehemaligen kaiserlichen Stallungen der Arena21 im Wiener Museumsquartier, die am 3. Oktober bis auf den letzten Platz gefüllt war. Dabei drehte sich alles um das Thema Nachhaltigkeit, die tief in der Unternehmensphilosophie verankert ist, wie der REWE International AG Vorstand Marcel Haraszti erklärte. Die Herausforderung sei, die Kunden auf den Geschmack von nachhaltigen Produkten zu bringen, ohne sie aber damit zu überfüttern. Ziel sei es, das Thema langfristig konstant im Bewusstsein der Öffentlichkeit, aber auch der rund 43.000 Mitarbeiter zu verankern. Dafür nutzte man die Gelegenheit, um mit namhaften Persönlichkeiten über relevante Zukunftsthemen zu diskutieren und für Nachhaltigkeitsthemen zu sensibilisieren.
Der Teufel auf dem Teller
Wie gesunde und nachhaltige Ernährung aussehen kann und wie eben nicht, beschreibt der deutsche Ernährungswissenschaftler und „schonungslose Ernährungsaufklärer” Uwe Knop in seinem Vortrag beim Stakeholder Forum. Knop lässt dabei mit pointierten sowie radikalen Thesen aufhorchen. „Egal, ob vegan, paleo oder LowCarb – vergessen Sie all diese kulinarischen Hypes”, rechnet Knop gleich zu Beginn seines Vortrag mit aktuellen Ernährungstrends ab. All diese Trends verschwinden meist nach kurzer Zeit wieder. Was heute als gesund gilt, kann morgen schon wieder ungesund sein - und umgekehrt. Das Attribut „gesunde” Ernährung ist daher nicht nachhaltig, sondern vorgeschoben. „Vor einigen Jahren war noch das Fett der Teufel auf dem Teller, heute ist es der Zucker.” Das gleiche einer “kulinarischen Hexenjagd”, so Knop - tatsächlich gebe es nämlich keinen belegten Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum und Erkrankungen wie Fettleibigkeit. Seine Kritik: Fast alle wissenschaftlichen Studien zu Ernährung sind voll von methodischen Mängeln und daher unbrauchbar. Ernährungsregeln basieren auf bloßen Vermutungen der Hypothesen. Immer mehr Ernährungswissenschaftler schlagen in dieselbe Kerbe. Jürgen König, Leiter des Instituts für Ernährungswissenschaften der Uni Wien, kritisiert etwa, dass zwar ständig der Stellenwert gesunder Ernährung propagiert werde, es aber „bis heute keine schlüssigen Studien für die optimale Ernährung vorgelegt wurden.”
Jeder Mensch is(s)t anders
Knop fordert, das Thema Ernährung gänzlich neu zu denken. “Es gibt keine gesunde Ernährung für alle”, sagt der Ernährungswissenschaftler und Buchautor. “Jeder Mensch ist anders und hat unterschiedliche Bedürfnisse. Es gibt daher so viele gesunde Ernährungen, wie es Menschen gibt.” Was das für die REWE Group bedeutet? Keinen kulinarischen Trends folgen, die ohnehin schnell wieder gegessen sind. Nachhaltig wäre es, sich als Supermarkt für alle zu positionieren, die gerne genussvoll essen. Das Sortiment sollte so vielfältig gestaltet sein, dass jeder Kunde auf seine individuelle Rechnung kommt - Veganer, Paleos und LowCarber genauso, wie „normale” Kunden, die alles essen.
Vom gefährlichen Halbwissen
Als nächster Festredner betrat Gerhard Fehr die Bühne des Veranstaltungssaals. Der Verhaltensökonom und Unternehmensberater hielt seinem Vorredner eingangs entgegen, dass es sehr wohl gesundheitsfördernde Ernährungsformen gebe. Er selbst habe mit Hilfe einer LowCarbDiät in zwei Jahren über 30 Kilogramm abgenommen. In einem stimmte er Uwe Knop aber zu: „Wir brauchen echtes Wissen über unsere Ernährung.” Man solle sich davor hüten, mit Halbwissen die Welt verändern zu wollen. Angesichts mangelnder wissenschaftlicher Belege sieht er die Ernährungswissenschaft gar in einer tiefen Krise. Ohne ein in der Bevölkerung verankertes Grundbedürfnis nach nachhaltigen Produkten, hätten REWE Group und andere Lebensmittelkonzerne das Thema Nachhaltigkeit längst aus ihrer Unternehmensstrategie gestrichen, machte Fehr aufmerksam. Er verweist dabei auf eine aktuelle Studie, der zufolge 31 Prozent der Österreicher bereit sind, für einen bewussten Lebensstil ihren Konsum zu ändern. Immerhin 56 Prozent versuchen bedingt nachhaltig zu leben, solange sie sich dabei nicht zu sehr einschränken müssen. Die restlichen 13 Prozent bezeichnet Fehr als „Unbelehrbare”, die überhaupt kein Interesse an nachhaltigen Produkten zeigen. Insgesamt lasse sich daraus ein klarer Trend ablesen, dass das generelle Bedürfnis nach einem nachhaltigen Lebensstil zunehme. Wie aber schafft man es, dass Menschen bewusster einkaufen? „Man muss den Kunden kleine Anreize anbieten, um ihre Bedürfnisse nach Nachhaltigkeit zu befriedigen”, erklärt Fehr. Dabei dürfe man aber keinen Druck ausüben, sondern Stück für Stück den Kunden in die richtige Richtung stupsen. Oberstes Gebot ist dabei Freiwilligkeit und identitässtiftende Maßnahmen. „Nudging” nennt man das im Fachjargon, dabei wird versucht, das Verhalten von Menschen in die gewünschte Richtung zu beeinflus- sen. „Langfristig stärkt Nachhaltigkeit die Beziehung zum Kunden und ist somit ein positives Investment für die Zukunft”, so Fehr.
Im Zweifel für die Umwelt
Im Anschluss diskutierten die beiden Redner Uwe Knop und Gerhard Fehr gemeinsam mit Rainer Nowak und Hanna Simons, stellvertretende WWF Österreich-Geschäftsführerin und Abteilungsleiterin für Natur- und Umweltschutz über zukünftige Herausforderungen einer nachhaltigen Ernährungsökonomie. Simons betonte, dass es nicht-nachhaltige Produkte in Österreich eigentlich gar nicht mehr gebe, da diese (auch auf Druck von NGO´s) gar nicht mehr zugelassen seien. Trotzdem gebe es diesbezüglich noch „viel zu tun.” Nach einem nachhaltigen sowie nahrhaften Mittagessen rundeten am Nachmittag drei Workshops das umfangreiche Programm des diesjährigen REWE Group-Stakeholder Forums ab. Interessierte hatten dabei noch die Möglichkeit, Fragen zum Thema Nachhaltigkeit zu stellen oder aktiv an möglichen Lösungsansätzen mitzuarbeiten. Die Veranstaltung wurde gemäß dem Generalthema – natürlich – als Green Event ausgerichtet.