Pleiten, Pech und Pannen von Putins GRU
Der Bundesheeroberst in Diensten des russischen Militärgeheimdienstes ist einer von mehreren Fällen, die zuletzt publik wurden. Von der Vergiftung in Salisbury bis hin zum Cyberangriff in Lausanne: Warum die GRU-Spione so häufig in den Medien sind.
Mut, Ehre und Uneigennützigkeit – das seien die Werte eines GRU-Agenten. So formulierte es Wladimir Putin unlängst in einer Rede. Anlass war das 100-jährige Bestehen des Militärgeheimdienstes, das Anfang November mit einem großen Festakt im Moskauer Theater der russischen Armee gefeiert wurde.
Normalerweise verstecken sich die Vertreter der geheimnisumwitterten Behörde in einem Gebäude im Nordwesten Moskaus, das wegen seiner eigentümlichen Form im Volksmund „Aquarium“genannt wird. Im Theatersaal saßen dafür Sitz an Sitz hochdekorierte Militärs, darunter Verteidigungsminister Sergej Schojgu und Generalstabschef Waleri Gerassimow. Offiziell untersteht der hauptsächlich im Ausland operierende Geheimdienst dem Generalstab. Der in die Kritik geratene Chef des GRU, Igor Korobow, ist nicht auf den vom Kreml verbreiteten Fotos zu sehen. Zuletzt mehrten sich die Gerüchte, er könnte abgelöst werden.
Es war ein Abend des Lobes für die Mitarbeiter des GRU, dessen Kürzel schlicht „Hauptverwaltung für Aufklärung“bedeutet: Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije. Er ist einer von mehreren russischen Nachrichtendiensten. Hinter geschlossenen Türen ist der Präsident wohl weniger zufrieden mit der Performance des GRU in den vergangenen Monaten.
Als eine Institution, die im turbulenten 20. Jahrhundert stets die nationalen Interessen Russlands verteidigt habe, so präsentiert sich der Militärge- heimdienst in der Öffentlichkeit. Doch in letzter Zeit ist der GRU öffentlich bloßgestellt worden. Gleich mehrfach.
Zuletzt in Österreich. Ein pensionierter Bundesheeroberst aus Salzburg war fast 30 Jahre lang für den Dienst tätig. Per Weltempfänger erhielt er seine Befehle, per Satellitenkommunikation übermittelte er seine Berichte. Sein Kontaktmann trug den Namen „Jurij“. Welle von Enttarnungen. Ein westlicher Geheimdienst brachte die österreichischen Behörden auf die Spur. Über die Hintergründe kann nur gemutmaßt werden. Sollte das moskaufreundliche Wien gebremst werden? Oder wurden die Aktivitäten der Russen dem befreundeten Dienst einfach zu bunt?
Zuletzt gab es eine ganze Welle von Enttarnungen russischer Agenten. Im Ost-West-Konflikt sind auch die Geheimdienstaktivitäten zu einem Schauplatz des Kräftemessens geworden. Während unbestritten ist, dass viele Staaten neben Residenten (den offiziellen Vertretern der Nachrichtendienste) „illegale“Spione zur Informationsgewinnung nutzen, lässt Moskau seine Spione derzeit besonders intensiv ermitteln. Man nimmt den viel beschworenen neuen „Kalten Krieg“wörtlich.
Häufig machen westliche Dienste diese Aktivitäten nicht publik. Man beobachtet einfach weiter zum Zweck der Informationsgewinnung. Das Öffentlichmachen signalisiert: Wir wissen, was ihr treibt, seid euch nicht zu sicher! Die Arbeit des GRU aber ist ins Licht der Öffentlichkeit gerückt: So gaben die niederländischen Behörden bekannt, dass sie vier Agenten im April ausgewiesen haben.
Die Männer hatten versucht, sich Zugang zu Daten der OPCW, der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen, zu verschaffen. Das Labor Spiez in der Schweiz soll ihr nächstes Ziel gewesen sein – eine Information, die unlängst zu schwerer Verstimmung zwischen dem neutralen Land und Moskau geführt hat. In den USA hat Sonderermittler Robert Mueller Anklage gegen zwölf GRU-Agenten erhoben. Auch die Namen jener Spione, die im September 2016 in Lausanne einen Cyberangriff gegen eine Konferenz der Antidopingagentur Wada starteten, sind bekannt. Dutzende Agenten enttarnt. Zu einem wahren Desaster aber wurde für den GRU die Operation im britischen Salisbury. Nicht nur sind die Namen der beiden Agenten dank der Recherchen von Investigativjournalisten publik. Auch die Identitäten von Dutzenden weiteren Agenten sind an die Öffentlichkeit gelangt. Für den GRU ist das eine Schmach. Viele Jahre mühseliger Aufbauarbeit sind dahin. Bei dem Festakt sagte Putin, er vertraue auf den Professionalismus und die Entscheidungsfreude der Agenten. „So leistet jeder von ihnen alles für Russland und sein Volk.“Die Frage ist, wie lang noch.