Die Hofburg, hinter Prunk und Tapetentüren
Mitten in der Stadt, im Herz des ewig geschäftigen politischen bis touristischen Treibens, wird es völlig still. Düster und warm, Staub leuchtet in den einzelnen Sonnenstrahlen, die in den Dachstuhl dringen. Das jahrhundertealte Holz, das die Habsburger die Donau hinunter schiffen ließen, um sich in Wien eine Burg zu bauen, riecht schwer und süß. „Man tritt ein in einen Raum der Stille“, sagt Reinhold Sahl.
Schnell ist es damit vorbei, wenn er, als Burghauptmann heute quasi der Herr über die Hofburg, über das Labyrinth des Dachbodens in das Innere der Michaelerkuppel führt. Mystische Stille weicht lautem Staunen, Holz bis in die Spitze, eine Eisentreppe führt ganz bis oben, nach unten gibt ein metallenes Gitter den Blick frei. Passanten, Touristen, Taxis und Fiaker passieren Dutzende Meter weiter unten das alte Tor zur Innenstadt – nicht ahnend, dass sie von oben gesehen werden. Von einem der wenigen völlig verborgenen Orte an einer der bekanntesten Adressen der Stadt.
Diese Adresse, die Hofburg, steht dieser Tage besonders im Fokus. Mit der Ausrufung der Republik jährt sich auch der Tag, an dem die Hofburg nach mehr als sechs Jahrhunderten als Sitz der Habsburger an die Republik gegangen ist. Auch, wenn diese Übergabe im November 1918 unspektakulär vonstattengegangen ist. In diesen Tagen, in denen sich in Wien die Ereignisse überstürzt haben, war die Hofburg verwaist. Kaiser Karl und Zita verbrachten die letzten Tage der Monarchie in Schönbrunn, das Schloss galt als letzte Bastion habsburgischer Macht – und in der Innenstadt hatte sich die Garde schon Tage vor der Ausrufung der Republik zurückgezogen. So ging die Hofburg ins Eigentum der Republik über.
Dieser Tage rückt die Hofburg in den Fokus, schließlich wurde hier gestern, Samstag, in der Neuen Burg nach vielen Jahren der Debatten darüber das Haus der Geschichte eröffnet (siehe rechts). Auch als Zwischenquartier des Parlaments ist die Burg dauernd präsent – aber man kennt sie ohnehin. Jeder Wiener, jeder, der hier war oder das Wiener Geschehen irgendwie mitverfolgt, kennt die berühmte(ste) Tapetentür (der Weltgeschichte), kennt die Hofreitschule, Nationalbibliothek, die Redoutensäle mit all den Veranstaltungen, kennt Palmenhaus oder Albertina. Geist(er) der HAbsburger in jeder Ecke. Aber, die Hofburg ist mehr, noch nach vielen hundert Jahren gibt es Geheimnisse, wie Sahl sagt. Er ist als Burghauptmann Chef der Immobilienverwaltung des Bundes für historisch wichtige Gebäude – als solcher kennt er die Hofburg bis in die versteckten Winkel. Und da offenbaren sich Geheimnis- Die Bauteile der Hofburg se. Dass der Kaiser ein Notbett, eine Schlafkoje für die akute Müdigkeit zwischendurch hatte, die um 1850 errichtet worden sein muss, habe sich erst vor wenigen Jahren bei Restaurierungsarbeiten hinter einer Wand offenbart, erzählt Sahl. Die Habsburger sind hier zwar seit nun 100 Jahren nicht mehr zu Hause, aber man findet sie in jeder Ecke – von den Museen bis in die Prunkräume der heutigen Präsidentschaftskanzlei, bis in die Tiefen der Hofburg.
Hier, im mehrgeschoßigen Keller (der Großteil davon wird als Archiv genutzt), ist der Prunk weit weg. Es sind unspektakuläre Ecken mit großen Geschichten. Ein Gang etwa, er führt 30 Meter ins Innere, dann ist er zugeschüttet, war im Spätmittelalter ein Durchgang, der von der Bevölkerung in die Innenstadt passiert wurde. Auch die geheimnisumwobenen Gänge und Kellernetzwerke, die die ganze Innenstadt unterirdisch verbinden, wären von der Hofburg aus erreichbar. Heute aber nicht mehr, sagt Sahl. Vieles wurde verschüttet, auch beim U-Bahn-Bau, andere sind aus Sicherheitsgründen nicht mehr zu betreten.
Das Keramikfass, in dem 731 Hektoliter Wein gelagert wurden, ist heute leider leer.