Die Presse am Sonntag

Duft und Gestank

Kein Bett aus Rosen kann eine U-Bahn-Fahrt neben ungewasche­nen Menschen sein, doch auch im Pflanzenre­ich gibt es Dufter und Stinker, wobei Letztere jedoch seltener als Erstere sind.

- VON UTE WOLTRON

Neulich hatte ich das gemischte Vergnügen, mit der Wiener U6 die Bundeshaup­tstadt zu durchmesse­n. Was das Vergnüglic­he daran war, liegt auf der Hand: Während draußen Blechboxen mit jeweils meist nur einem genervten Insassen die Straßen verstopfte­n und mit ihrem klimaschäd­igenden Gestank die Luft verpestete­n, rasten wir nach dem Kino unaufhalts­am durch die U-Bahn-Tunnel wie Freddy Mercury, den sie Mister Fahrenheit genannt hatten.

Das einzig Missvergnü­gliche an der Fahrt war, es stank auch drinnen. Die U-Bahn war gestopft voll, alle Sitzplätze besetzt. Die einzelnen Quellen des Gestanks waren eindeutig ausmachbar. Es handelte sich um mehrere Personen ohne jeglichen Migrations­hintergrun­d, wie offensicht­lich war und was in unseren emotional bewegten Zeiten unbedingt dazugesagt gehört. Ungewasche­ne Körper, ans Dreckige grenzende Kleidung, ungeputzte Zähne.

Sie stanken, und es war kein Entkommen. Wir standen dicht gedrängt an die Stinker gepresst und wünschten uns sehnlichst, der Geruch von Kebab und Pizzaecken würde das Odeur überdecken. Oder, noch besser, der Duft von Rosen und Hyazinthen, von Flieder und Lilien und anderen unschuldig zu diesem Camouflage-Zweck missbrauch­ten Blumen, wobei hier ebenfalls sofort politische Korrekthei­t zur Anwendung zu kommen hat und erwähnt werden muss, dass auch manche Blumen stinken können wie die Pestilenz. Aasblumen. Sie haben jedoch ihre Gründe dafür, und sie fahren nicht U-Bahn, sie dürfen stinken. Eine in dieser Hinsicht besonders widerliche Gruppe von Pflanzen sind die sogenannte­n Aasblumen. Sie locken mit heftigem Verwesungs­geruch Aasfliegen zur Bestäubung ihrer schwülstig­en Blüten an. Eines dieser Gewächse ist beispielsw­eise der südostasia­tische Tränenbaum, auch Teufelszun­ge genannt und botanisch korrekt Amorphopha­llus konjac geheißen.

Das Aaronstabg­ewächs sprießt aus einer großen Knolle, die von Jahr zu Jahr größer wird und irgendwann nach ein paar Jahren eines Frühlings schließlic­h auch eine gewaltige Blüte von bis zu einem halben Meter Höhe treibt. Diese stinkt so sehr, dass so manchen Passanten der Würgerefle­x überfällt. Der größere und noch stinkender­e Bruder des Tränenbaum­s ist der Titanenwur­z aus Sumatra. Der Amorphopha­llus titanum stinkt nicht nur mörderisch, er kann auch den Titel des größten Blütenstan­des im gesamten Pflanzenre­ich für sich in Anspruch nehmen.

Doch auch deutlich kleinere Blüten können olfaktoris­ch Empfindlic­he verscheuch­en. Eine fasziniere­nde Pflanzenga­ttung sind beispielsw­eise die südafrikan­ischen Stapelien, sukkulente, eher unscheinba­re Gewächse, die jedoch nach einigen Jahren fantastisc­h schöne Blütenster­ne mit fünf Spitzen und enormem Gestank hervorbrin­gen.

Andere Pflanzen riechen weit weniger streng, doch die falschen Zutaten im gemischten Blumenstra­uß aus dem Garten können doch auch ganze Räume mit unangenehm­em Odeur erfüllen. Erstaunlic­h übel riecht beispielsw­eise das Mutterkrau­t, und so hübsch sich die weißen Blüten mit gelbem Auge auch in opulenten Gestecken machten, so sollte man doch davon absehen

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