Hüttengaudi und Fischschokolade für China
Premium statt Masse: So lautet das Mantra der wachsenden Mittelklasse in der Volksrepublik. Doch um profitieren zu können, müssen Österreichs Firmen viel Überzeugungsarbeit leisten.
Die Ski zu einem breiten Pflug gespitzt zieht eine Chinesin langsame Kurven. Neben ihr, in kurze Hose und T-Shirt gekleidet, steht ein Skilehrer mit prüfendem Blick. Konzentriert sieht die Frau geradeaus durch eine Scheibe in die Augen einiger Zuschauer auf der anderen Seite. Sie selbst merkt freilich nichts von der Gruppe, die sich vor ihr postiert hat: Mitglieder einer österreichischen Wirtschaftsdelegation, die diese Woche anlässlich der „China International Import Expo“nach Shanghai gereist sind.
Denn die Frau befindet sich nicht auf der Piste, sondern in einem Shanghaier Einkaufszentrum. Der weiße Boden ist kein Schnee, sondern eine Art Laufband für Skifahrer: Ein Teppich, der sich stetig bergauf bewegt. „Das ist ein einseitig verspiegeltes Glas“, sagt ein Mitarbeiter der Indoor-Skihalle Snow51. Weiter hinten schwingt eine ältere Chinesin auf einer Wedelmaschine ihre Hüften. Um den Kopf hat sie eine virtuelle Brille geschnallt, die ihr ein Bergerlebnis im Schweizer Sölden vorgaukelt.
„China wird in die Riege führender Wintersportländer aufsteigen. Das passiert nicht zweimal“, sagt Snow51Gründer Hermann Winkler. Der ExManager für Swarovski Asien hat sein Ski-Start-up, ein Joint Venture mit chinesisch-österreichischer Beteiligung, in das auch der Lifthersteller Doppelmayr investiert hat, vor einem Jahr ins Leben gerufen. Die Olympischen Winterspiele in China 2022 seien eine einmalige Chance für die Skiindustrie.
Geht es nach Staatschef Xi Jinping sollen sich die sogenannten Skifahrertage in der Volksrepublik (die Zahl der Gäste, die an einem Tag zumindest einmal eine Liftanlage benutzt) versiebzehnfachen: von 17,5 Millionen 2017 auf 300 Millionen 2022. Zum Vergleich: Österreich verzeichnete vergangene Saison 55 Millionen Skitage. Möglich wird der Boom durch die wachsende urbane Mittelklasse und ihr neues Konsumverhalten. Die Beratungsfirma McKinsey schätzt, dass bis 2022 vor allem die obere Mittelklasse anwachsen wird (siehe Grafik) – und damit eine Gruppe, die viel Geld für Lifestyle ausgibt. Das neue Golf. Besonders ins Gewicht fällt die Generation, die ab Mitte der 1980er-Jahre geboren wurde, und den Aufschwung der Volksrepublik miterlebt hat. Es sind selbstbewusste, unabhängige Chinesen, die ihre Selbstständigkeit durch Konsum zum Ausdruck bringen. Mit ihren Eltern teilen sie die Anschauung, dass Geld, Macht und sozialer Status ein Zeichen des Erfolgs seien. Längst leben sie nicht mehr nur in den sogenannten „first tier“-Städten im Osten, immer mehr kommen aus den Metropolen im Landesinneren.
Für sie sind Konsumgüter aber nicht mehr alles, um Status zur Schau zu stellen. Wer etwas auf sich hält, der reist und betreibt Sport. Hier scheut die neue Bourgeoisie nicht vor Kosten zurück. Die Devise heißt: Geld wird nur für Aktivitäten ausgegeben, die helfen, den Status zu erhöhen. „Skifahren ist das neue Golfspielen“, erklärt Winkler. Daher hat er mit Stefan Schild, dem Cousin von Ex-Skiläuferin Marlies Schild, einen bekannten Namen an Bord geholt.
Damit sich statusbewusste Chinesen aus den Großstädten nicht mehr vor dem Eingang zum Luxusgeschäft, sondern dem Skilift anstellen, braucht es Überzeugungskraft. Blamiert und frustriert hört jeder Achte nach dem ersten Skiversuch auf der Piste auf. Mit der Indoor-Skihalle will Winkler seinen Kunden die alpine Skikultur vor die Nase setzen: In der städtischen Shoppingmall, wo Eltern am Wochenende Zeit mit ihren Kindern verbringen. Hier soll die ganze Familie ihre Skikarriere starten können, um bestens für die echte Piste vorbereitet zu sein.
Das Hüttengaudi-Feeling kommt auch in der Halle nicht zu kurz: Während chinesische Gäste ein Selfie vor einer mit bunten Skiern bestückten Gondel machen, tönt aus den Lautsprechern „Weus’d a Herz hast wia a Bergwerk“von Reinhard Fendrich. Auf Initiative von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck sollen bald mehr österreichische Skilehrer in China tätig sein und die Alpenrepublik und ihre Skimarken aus erster Hand bewerben.
Auch Josef Zotter muss die Chinesen im wahrsten Sinne des Wortes auf den Geschmack bringen. Isst der Durchschnittsösterreicher 8,6 Kilo 256 Mio. 3% Schokolade im Jahr, sind es in China 200 Gramm. Der Umsatz von Zotter in Fernost macht nur zwei Prozent des Gesamtumsatzes der steirischen Schokoladenmanufaktur von 22 Millionen Euro aus. Doch Schokolade zähle neben Wein und Kaffee zu den großen Konsumtrends in dem 1,4-MilliardenStaat, erklärt Julia Zotter. Mit ihrem Vater führt die 30-Jährige, die als Teenager ein Jahr in China gelebt hat, durch das Tochterunternehmen in Shanghai. Schokolade mit Fisch. Früher wurden in dem ehemaligen Industrieviertel am Ufer des Huangpu Hemden produziert. Vor vier Jahren schuf Zotter hier das Schokoladentheater. Dort können Besucher Schokobrunnen anzapfen, von Cranberry, Erdnuss und Salz bis zu Safran mit Pistazie wildeste Kreationen vom Fließband wählen, Trinkschokolade schlürfen und selbst Schokolade kreieren. Ein wenig wie zuhause in Bergl, aber doch recht anders, meint Josef Zotter. Das beginnt mit dem Namen, den ein buddhistischer Mönch ausgesucht hat: „Zhende“, den Schatz erhalten. Um das schokoladeskeptische Volk zu verführen, setzt Zotter auf „Integration“: Persönliche Führungen und viel Arbeit mit Schulklassen. Denn, wenn es den Kindern gefalle, könne man die Eltern überzeugen, die vielleicht deren Mitarbeiter anlockten. Einen Großteil importieren die Choco- 16% 10 Mrd. ¥ 20% 11 % latier aus Österreich. Im verglasten Werkraum im Herzen der Shanghaier Fabrik fertigen die 25 Angestellten hauptsächlich für die Verkostung. Das liege an den Produktionslizenzen. Und: Noch traue er Chinesen eine qualitätvolle Herstellung nicht zu, erklärt Josef Zotter: „Da kann ich nicht hinsehen.“
Handgeschöpfte Schokolade kostet in Shanghai daher das Dreifache. Das kann in China ein Vorteil sein: Teuer bedeutet hochwertig, und das ist gut für den Körper. Zotters chinesischer Verkaufsschlager ist deshalb hundertprozentige Schokolade. Dicht gefolgt von einer Kombination aus Fisch, Marshmallow und Kokos. Auch das zeichnet chinesische Konsumenten aus: Sie sind experimentierfreudig.
Schokolade zählt neben Wein und Kaffee zu den größten Konsumtrends in China. Wer heute in China erfolgreich sein will, muss interaktiv und digital denken.
Bio kauften Chinesen nicht für die Umwelt, sondern die Gesundheit, erklärt Julia Zotter. Seit Jahren wird China von Lebensmittelskandalen heimgesucht, selbst dem nationalen Bio-Zertifikat trauten Konsumenten nicht. Zotter habe sich in China daher nicht zertifizieren lassen, sagt sie. Ein kleiner Trick genüge, um Qualität zu suggerieren: Sie überklebe das österreichische Zertifikat mit einem weißen Pickerl.
Dass die Expansion in einen fremden Markt frustrieren kann, deutet die Lebensmitteltechnologin nur indirekt an. Jahrelang habe sie in Shanghaier Supermärkten ihre Schokolade beworben. Per Zufall habe Zotter vor Kurzem einen Sendeplatz in einem Teleshop erhalten und binnen Stunden alle der 60.000 eigens produzierten Sets verkauft. Der Fernsehvertrieb ist so mit einem Mal zum wichtigsten Verkaufskanal geworden. Wer heute in China erfolgreich sein will, muss interaktiv und digital denken.
800 Millionen Menschen nutzen das Internet, 500 Millionen Chinesen zahlen mit dem Smartphone, die allgegenwärtige Social-Media-Platt-