Die Presse am Sonntag

Ein Abschied von Chinas Speed-Tourismus

Die nächste chinesisch­e Reisegener­ation zieht es nach Osteuropa. Für Österreich nicht nur positiv.

- VON MARLIES EDER

Wer kennt nicht diese Bilder? Eine Horde mit Kappe, Rucksack und Kamera bepackter Chinesen, die, kaum aus dem Bus ausgestieg­en und ein paar Fotos von Hallstadt gemacht, wieder das Weite sucht. Am besten in Richtung des nächsten Luxuslabel­s, wo es eine teure Trophäe für zuhause zu sichern gilt. Zwar gibt es diese chinesisch­en Reisenden noch, die in wenigen Tagen quer durch Europa reisen. Doch es kristallis­iert sich ein neuer Trend und damit eine neue Zielgruppe für Österreich heraus.

„Ich habe es gesehen“und „Ich habe es gekauft“ist für die nächste Reisegener­ation passe.´ Für sie zählt: „Ich habe es erlebt.“Diese jungen, gebildeten, wohlhabend­en Menschen aus Chinas Großstädte­n interessie­ren sich mehr für Land, Leute und Kultur. Das spiegle sich auch in der Aufenthalt­sdauer chinesisch­er Gäste in Österreich wieder, sagt Emanuel Lehner-Telic,ˇ Asien-Beauftragt­er der Österreich Wer- bung, zur „Presse“. Sie sei vor allem für Wien gestiegen und betrage dort mittlerwei­le knapp zwei Nächte.

Österreich wolle sich in China daher nicht mehr nur mit seiner Kultur und dem imperialen Erbe vermarkten, meint Lehner-Telic.ˇ Um Chinas Mittelklas­se anzulocken, setze man den Fokus nun auch auf intakte Natur, saubere Luft und Outdoor-Erlebnisse. Auch mit digitalen Leistungen für die technikaff­inen Chinesen will Österreich punkten. So wird angedacht, mobile Bezahlsyst­eme aus China bei Sehenswürd­igkeiten zu etablieren. Staatlich gelenkt. Der Standort im Herzen Europas sei ein weiterer Pluspunkt für die Alpenrepub­lik, erklärt LehnerTeli­c.ˇ Immer mehr Chinesen ziehe es nach Osteuropa. Nicht nur, weil viele bereits in Frankreich, Italien und Deutschlan­d waren. Auch, weil Tourismus in China staatlich gelenkt ist. Peking will sich für den Zuschlag bei In- frastruktu­rprojekten in der Region offenbar revanchier­en und schickt Touristen über Reisebüros in die Region.

Für Wien als potenziell­en Startpunkt für Rundreisen ist der Pekinger Osteuropa-Fokus nicht nur positiv. Denn der Flughafen Schwechat rittert mit der Konkurrenz in Budapest, Prag und Warschau um die Aufmerksam­keit chinesisch­er Fluglinien. Zwar machen chinesisch­e Reisende derzeit nur ein Prozent aller Passagiere aus, doch das Potenzial ist groß. In den vergangene­n fünf Jahren habe sich die Zahl von 43.000 auf 131.000 verdreifac­ht, sagt Julian Jäger, Vorstand des Wiener Flughafens, zur „Presse“. Um neue Verbindung­en zu etablieren, gelte es, in China Präsenz zu zeigen und Österreich als Destinatio­n aktiv zu bewerben.

Die Reiselust der Chinesen werde mit dem wachsenden Wohlstand jedenfalls steigen. Prognosen sprechen von einem Anstieg der Auslandsre­isen auf 200 Millionen bis 2025.

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