RUBEL ROLLT
Zur Erfolgsgeschichte des jüngeren britischen Autobaus zählt auch Rolls-Royce – die Wiedergeburt des englischen Chromjuwels ist ein Lehrbeispiel der Markenpflege. Am Standort Goodwood steigt gerade die Betriebsamkeit – und die Sorge, die alle Autobauer au
Tradition ist Goldes wert im Autogeschäft. Ein langes Bestehen, eine reichhaltige Historie, das liefert Narrative zu Identität und Markenpositionierung. Motto: Wer schon so lang dabei ist, macht wohl einiges richtig.
In unserer retroverliebten Zeit schöpfen die Designer mehr denn je aus dem Markenfundus, der sich über Jahrzehnte angesammelt hat. Modellnamen aus Pioniertagen werden wiederbelebt, die Sehnsucht nach Authentischem wird bereitwillig bedient – kleine Auswahl: Heutige Jeeps zitieren mit Scheinwerfern und Kühlergrill das bald 80 Jahre alte Urmodell. Die berühmte BMW-Niere, seit gut 90 Jahren im Fahrtwind vor dem Wasserkühler stehend, schmückt sogar das Elektromodell i3, das dort gar keine Kühler hat. Mercedes – wer es noch nicht weiß – hat überhaupt das Auto erfunden und setzt neben dem Stern auf der Motorhaube zur Sicherheit auch die Unterschrift des Firmengründers Gottlieb Daimler auf die Windschutzscheibe.
Doch wie kaum eine andere Automarke schwelgt Rolls-Royce in der Vergangenheit. Vor zwei Jahren wurden Feiern zum 110. Firmenjubiläum nicht ausgelassen, am liebsten würde man jedes Jahr mit Pomp begehen. Das Erbe des Konstrukteurs Henry Royce ist den Engländern so heilig wie der typische, an antike Säulentempel erinnernde Kühlergrill. Im Doppelpack. Dabei ist der Autobauer in seiner heutigen Form nicht viel älter als der kalifornische Emporkömmling Tesla, und vom Chef abwärts bis zur Technik der Fahrzeuge spricht man mehrheitlich deutsch im Hause RollsRoyce. Dessen Geschichte reicht genau genommen 20 Jahre zurück – als es zu einem der bemerkenswertesten Deals der jüngeren Autohistorie kam.
Zu jener Zeit tobte eine Bieterschlacht um die Chromjuwelen des Empires: die Marken Bentley und Rolls-Royce im Doppelpack (verbunden seit 1931, als Bentley nach der Wirtschaftskrise von Rolls-Royce übernommen wurde). Die Kontrahenten: BMW und Volkswagen.
Die Bayern, unter der Führung des anglophilen und mit passendem Back-
Exemplare
lieferte Rolls-Royce 2017 aus. Dies ohne das Flaggschiff Phantom, das Modell wurde erneuert. 2016 betrug der Absatz 4011 Exemplare.
Euro
kostet das erste SUV von Rolls-Royce, der Cullinan. Allerdings netto. Der Deutsche Torsten Müller-Ötvös, sichtlich über 1,84 Meter groß und seit 2010 Chef von Rolls-Royce, vor dem neuen Flaggschiff Cullinan. ground ausgestatteten Bernd Pischetsrieder (ein Onkel aus englischer Linie hatte den Mini entworfen), waren auf vielen Ebenen bereits gut vernetzt auf der Insel, hatten die bessere Ausgangslage. VW-Patriarch Ferdinand Piech¨ hatte mehr Geld zur Hand, und das war den Aktionären noch willkommener als Pischetsrieders Verbindungen. Faustpfand. Der hatte sich aber einen Trumpf gesichert: die schon lang zuvor ausgelagerten Rechte an Markenname und Logo von Rolls-Royce. Ohne dieses Faustpfand war Piechs¨ teure Akquise mindestens zur Hälfte wertlos.
An einem Stellungskrieg zweier deutscher Marken um zwei englische war niemandem gelegen, so löste man den Knoten schließlich mit einem Schwertstreich: Volkswagen wurde 1998 zum Besitzer von Bentley und der gesamten Produktion beider Marken am traditionellen Standort Crewe, BMW zog mit einem Namen von dannen. Nichts als einem Namen.
Allerdings einem gewichtigen: Wohl niemandem auf der Welt muss man erklären, wofür die Marke RollsRoyce steht. Die auch weiterhin exklu- sivsten und teuersten Autos der Welt mussten also nur noch gebaut werden.
Der Start mit einem weißen Blatt Papier hat technisch sogar Vorteile. BMW fahndete sorgfältig nach einem Produktionsstandort und fand ihn nahe dem englischen Städtchen Goodwood. Die pittoreske Szenerie inmitten einer geschützten Heidelandschaft würde man nicht mit Schloten schänden – Goodwood ist im Grunde nur ein Montagewerk. Die maßgebliche Fahrzeugtechnik wird anderswo gefertigt, hauptsächlich in Deutschland. Die Alukarosserien (Phantom, Cullinan) kommen aus einer Fabrik nahe Dingolfing, Bayern, jene aus Stahl der kleineren Modelle (Dawn, Ghost, Wraith – alles Namen aus der Urzeit) direkt aus dem BMW-Werk, wie auch die Zwölfzylinder. Das Getriebe wird von ZF in Friedrichshafen zugeliefert. Die elektronische Architektur stammt ebenfalls von BMW (kein Schaden für Kenner des insularen Autobaus). Zusammengebaut und lackiert wird in Goodwood, für das hochwertige Finish vor Ort sind Spezialisten der Holz-, Metall- und Lederverarbeitung engagiert (das berühmte Connolly-Leder im Royce ist auch schon Geschichte – ein deutsches Unternehmen liefert die Kuhhaut).
Das alles hatte vielleicht kein sehr englisches, aber doch sehr gutes Auto zur Folge: Dem schon 2003 präsentierten Phantom mochten nur die
Die auch weiterhin teuersten Autos der Welt mussten nur noch gebaut werden.