Die unstillbare Gier nach Exoten
Der Handel mit Wildtieren und Wildtierprodukten ist ein gewinnbringender Geschäftszweig für das organisierte Verbrechen geworden. Ein Anwalt aus Südafrika berichtet.
Frühmorgens war Koji Ikoma mit dem Auto außerhalb der kleinen Stadt Vredendal in der südafrikanischen Provinz Westkap unterwegs, als er in eine Straßensperre der örtlichen Polizei geriet, auf der Suche nach einem Drogendealer. Doch anstatt anzuhalten, gab der japanische Staatsbürger Gas und lieferte sich mit den Beamten eine Verfolgungsjagd. Dabei warf er eine hellblaue Kühltasche aus dem geöffneten Fenster. Der Inhalt: 48 Panzergürtelschweife, kleine, kaum mehr als zwanzig Zentimeter lange Echsen, die aufgrund ihres Knochenpanzers wie Drachen aussehen. Koji Ikoma wurde von der südafrikanischen Polizei festgenommen, vor Gericht gestellt und wegen Fangens bzw. Sammelns, des Besitzes und Transports von geschützten Wildtieren zu 13 Jahren Haft oder einer Geldstrafe von umgerechnet 62.000 Euro verurteilt.
„Ein Paradeurteil“, sagt Kevin Pretorius in einem fensterlosen Sitzungssaal in der Wiener UNO-City. Der Anwalt aus Durban hat sich vor fast zwanzig Jahren auf den Tatbestand des illegalen Handels mit Wildtieren und -pflanzen sowie Wilderei spezialisiert und gilt als Experte für Umweltkriminalität. In Wien hat er an einer Konferenz des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) teilgenommen. Ein Foto nach dem anderen zeigt er her: Die Netzsackerln sind abgebildet, in denen die Panzergürtelschweife (Ouroborus cataphractus) eingepackt waren, die blaue Kühltasche, Handschuhe, ein Brecheisen zum Anheben der Steine und Felsen, unter denen sich die Echsen am wohlsten fühlen. Der verurteilte Koji Ikoma – das stellte sich im Zuge der Ermittlungen heraus – war ein Wiederholungstäter. Allein im Jahr 2017 hatte er 26 Reisen an exotische Orte mit großer Biodiversität unternommen. In Australien war er bereits einmal geschnappt und zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er Tannenzapfenechsen (Tiliqua rugosa) außer Landes hatte schmuggeln wollen.
„Für einen Panzergürtelschweif zahlen Sammler in Japan bis zu 7000 US-Dollar“, erklärt Pretorius. Sie wollen die kleinen putzigen Drachen zu Hause in Terrarien halten. Ungebrochen groß ist in Japan die Nachfrage nach Reptilien. Die Panzergürtelschweife, die nur entlang Südafrikas Westküste vorkommen, gelten deswegen als gefährdet, weil sie bei Tierhaltern so beliebt sind. Aber auch ihr Lebensraum schwindet zusehends und wird von großen Farmen geschluckt. Kriminelle Netzwerke. Der Handel mit Wildtieren und -pflanzen sowie mit Wildtierprodukten ist ein lukratives Business. Da die Nachfrage bei Sammlern weltweit boomt, ist das organisierte Verbrechen längst auch auf diesem Gebiet tätig. Das Risiko ist relativ gering, die Profite sind hoch. Zehn bis zwanzig Milliarden US-Dollar werden nach Schätzungen von Interpol jährlich umgesetzt. Nur der Handel mit Drogen, Waffen und mit Menschen bringe mehr Geld, warnen Interpol, Europol und das UNODC-Büro. Die Netzwerke sind aber oft dieselben. Wildtierprodukte erzielen Gewinne wie im Drogengeschäft. Sogar für die Jäger in den Dörfern oder die Sammler in den Naturreservaten, die nur einen kleinen Bruchteil verdienen, lohnt sich das Geschäft. Bis die Schmuggelware an den Käufer gelangt, geht sie durch viele Hände: Mittelsmänner reichen Produkte oder Tiere weiter, die Ware muss verpackt, verschifft oder per Flugzeug außer Landes gebracht werden. Korruption und Geldwäsche gehen meist mit dem Wildtierhandel einher.
„Wir brauchen weltweit starke Gesetze gegen den Handel mit Flora und Fauna sowie gegen Wilderei“, sagt der Anwalt Pretorius. „Diese müssen klar exekutiert werden, damit solche Verbrechen eingedämmt werden können.“Dazu müssten bestehende Gesetze ernst genommen werden. Eine Schwierigkeit: Wilderer bewegen sich innerhalb eines Naturschutzgebiets über Staatsgrenzen hinweg. Die Gesetze müssten daher in allen betroffenen Ländern gelten, um zielführend zu sein; eine starke internationale Zusammenarbeit sei unabdingbar.
„Schauen wir uns die Jagd auf Nashörner an“, erklärt Kevin Pretorius und zeigt eine Reihe von Tatortfotos aus dem iSimangaliso-Wetland-Park an der Ostküste Südafrikas. „Achtung, verstörende Inhalte“, warnt er. Die Aufnahmen zeigen ein Breitmaulnashorn, dem Teile des Kopfes sowie das Horn abgehackt wurden. „Die Wilderer waren schnell und brutal. Sie haben eine Repetiergewehr mit Schalldämpfer verwendet, dann das Rückenmark durchtrennt und mit einer Axt das Frontal- und das Nasalhorn abgehackt.“Oft seien die Tiere noch am Leben, wenn ihnen die Hörner abgetrennt werden.
Die Wilderer waren noch nicht weit, als ihnen die Parkranger auf die Spur kamen. Nur fünf Stunden nach der Tat konnte die südafrikanische Polizei fünf Männer verhaften: drei aus Mozambique und zwei aus Südafrika. „Tragisch war, dass wir an jenem Tag gleich zwei Nashörner verloren haben. Das Tier war trächtig“, sagt Pretorius. Aufgrund forensischer Arbeit konnten den Männern weitere neun Fälle von Wilderei nachgewiesen werden. Onlinehandel unterbinden. Wilderei sei kein opferloses Verbrechen, betonen UN-Vertreter immer wieder. Es gehe nicht nur um die Biodiversität der Erde, sondern auch die Auswirkungen auf die betroffenen Länder und Kommunen seien weitreichend, zählt ein UNODCBericht die Folgen auf. Die wirtschaftliche Entwicklung wird gehemmt sowie die Sicherheit eines Landes gefährdet. Zudem müssen Parkranger oft ihr Leben riskieren, wenn sie Wilderer jagen.
Doch eines ist klar: Solange die Nachfrage boomt, kann der Handel quer über den Globus kaum eingedämmt werden. Die EU verbietet zwar den Handel mit in der Wildnis gefangenen Tieren gänzlich, viele der Käufer sitzen aber in EU-Ländern. Bestehendes internationales Regelwerk wie das Washingtoner Artenabkommen bietet nicht ausreichend Schutz für bedrohte Tiere. Auch hier müsse angesetzt werden, meint Anwalt Pretorius. Strenge Gesetze nicht nur für die Wilderer, sondern auch für die Käufer.
Der Wildtierhandel beinhaltet relativ wenig Risiko, bringt jedoch große Profite.