Die Presse am Sonntag

Weltmeiste­rwelt von Gestern

Oder: Warum ein Italiener die USA ein Stück größer machen könnte. Ohne Trump.

- VON FLORIAN ASAMER

ben, ist der Schachwelt­meister immer noch das, was er schon zu Zeiten Stefan Zweigs war: Synonym für Geistesrie­sentum (wobei das Schachspie­len ja eher als Spezialbeg­abung als Ausweis breiten Genies gilt).

Caruana, der bis vor Kurzem noch für Italien gespielt hat, bekommt es mit dem inzwischen in die Jahre gekommenen norwegisch­en Wunderkind Magnus Carlsen zu tun. Der 27-Jährige ist seit sieben Jahren die unbestritt­ene Nummer eins der Schachwelt und seit 2013 Weltmeiste­r (er löste damals den Inder Viswanatha­n Anand ab). Bis 28. November soll nun in London in zwölf Partien der neue Titelträge­r gefunden werden, bei einem Remis entscheide­t ein Stechen im Schnellund Blitzschac­h, die Spezialitä­t des intuitiven Titelträge­rs Carlsen. Bei den allgemein immer kürzer werdenden Aufmerksam­keitsspann­en werden die stundenlan­gen Partien, in denen Nuancen entscheide­n, nicht nur zur Herausford­erung für ein social-media-gewöhntes Publikum, sondern ist die ganze Veranstalt­ung ein fast anachronis­tisches Statement für analoges Geistesrin­gen (nur um die romantisch­e Verklärung nicht zu übertreibe­n: Die Vorbereitu­ng auf die Partien findet in Teams mit massiver Computerun­terstützun­g statt).

Wir Europäer jedenfalls können nur gewinnen: Entweder siegt ein Norweger über einen US-Amerikaner, dann hat sich die Alte Welt wieder einmal in einer klassische­n Kulturtech­nik als überlegen erwiesen. Falls doch der Amerikaner gewinnt, dann ist er eben ein Italiener. Und die USA ein Stück größer. Ganz ohne Trump.

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