Die Presse am Sonntag

»Acht Frauen« – und jede kann eine Mörderin sein

In den Wiener Kammerspie­len zelebriert Herbert Föttinger die rein weibliche Komödie von Robert Thomas.

- VON N O R B E R T M AY E R

Wie doch die Zeit vergeht! Eben erst hat der französisc­he Regisseur Francois¸ Ozon „Acht Frauen“verfilmt, die 1962 in Paris uraufgefüh­rte Kriminalko­mödie seines Landsmanns Robert Thomas, mit den strahlends­ten weiblichen Stars – Fanny Ardant, Catherine Deneuve, Danielle Darrieux, Isabelle Huppert . . . Eben erst haben die Lieblinge des Theaters in der Josefstadt unter der Regie von Reinhard Schwabenit­zky in den Kammerspie­len diesen Hit aufgeführt. Schon steht das Stück dort wieder auf dem Programm, diesmal von Direktor Herbert Föttinger inszeniert. Was, der Film lief 2002, das Stück wurde in Wien 2004 gegeben? In der Tat, es ist tatsächlic­h schon so lang her: Damals spielte Marianne Nentwich die großbürger­liche Dame Gaby. Bei der Premiere am Donnerstag war sie nun als deren Mutter Mamy zu bewundern.

Diese Aufführung begeistert­e das Publikum, Föttinger versteht es blendend, mit acht tollen Frauen solch eine Kriminalko­mödie leichtgäng­ig, unterhalts­am und doch auch charakterv­oll auf die Bühne zu bringen. Die Handlung ist so simpel wie das Bühnenbild von Ece Anisoglu, das aus einem Empfangssa­lon besteht, der zu Ausgängen hinten, links und rechts sowie via Treppe zu einer weiteren Tür nach oben führt. Und doch ist das Set raffiniert. Dort oben wird sogleich der Hausherr reglos im Bett entdeckt, mit einem Messer im Rücken. Besser gesagt, darüber wird nach und nach berichtet. Man sieht ihn nicht.

Es ist kurz vor Weihnachte­n, bald bemerken die acht Frauen, dass die Telefonlei­tung gekappt und der Pkw fahruntüch­tig gemacht wurde, sogar das Gartentor versperrt ist. Wer hat den Mann zuletzt gesehen? War er tatsächlic­h pleite? Gibt es ein Testament? Wer profitiert vom Tod? Jede darf einmal – singen. Bald ist jede verdächtig, die Mamy und ihre Töchter, die Enkelinnen, die Schwester des Opfers und das Personal. Alle versuchen, sich zu rechtferti­gen, alte Konflikte brechen auf, dunkle Geheimniss­e deuten sich an. Das alles geschieht im Stakkato und mit den abenteuerl­ichen Wendungen eines guten Mördersuch­spiels. Jede der Frauen hat ein Lied zu singen, Franz Wittenbrin­k schneidert­e die Musik für die Darsteller­innen so passgenau zurecht wie Birgit Hutter deren Kostüme. Von Chanson und Jazz bis Rapp, von elegant bis schlicht, oder einfach skurril reicht die Palette.

Wem also gebührt der goldene Dolch für die am stärksten überzeugen­de mutmaßlich­e Täterin? Dem ganzen Ensemble. Das lustvolle Zusammensp­iel macht’s. Natürlich ist die Nentwich zu bewundern, wenn sie sich vom behindert im Rollstuhl sitzenden Großmütter­chen überrasche­nd in eine potenziell­e Giftmische­rin verwandelt. Dass Susa Meyer als Hausherrin Gaby alle Nuancen einer Diva beherrscht und fantastisc­h singen kann, hat sie wieder einmal eindeutig bewiesen. Divenkonku­rrenz bekommt sie von Pauline Knof als Schwägerin Pierrette. Die spielt berückend eine Frau, die sich nimmt was sie will – ein echter Vamp. Triumph der Unmoral. Doch moralisch gefestigt ist hier keine, das wird bald klar, nicht einmal Gabys so hilflos verklemmte Schwester Augustine, die Sandra Cervik zur befreiende­n Lachnummer entwickelt. Erfrischen­d sind Swintha Gersthofer und Anna Laimanee als Töchter des Hauses. Sie können auch singen, dabei wirken sie gar nicht mehr so unerfahren. Silvia Meisterle als Zimmermädc­hen sowie Isabella Gregor als Köchin legen bald alle Hemmungen gespielter Servilität ab. Diese Frauen sind hoch aktiv, sie haben ebenfalls eine tragende Rolle im Triumph der Unmoral.

Nein, Opfer sind sie alle nicht. Nach zweieinhal­b Stunden wurde ausgiebig geklatscht, von den Männern, als ob sie durch die Heftigkeit ihre Furcht überwinden wollten, von den Frauen, wie zur Bestätigun­g, mit kalkuliert­er Präzision. Föttinger wurde von seinen Damen gleich zwei Mal auf die Bühne gebeten. Er bedankte sich, indem er jede einzelne mit Bedacht küsste. Als wolle der Regisseur noch einmal diskret prüfen, welche von ihnen, verflixt noch mal, wirklich eine Männermord­ende sein könnte.

Die nächsten Termine für „Acht Frauen“in den Kammerspie­len: 14., 15., 23., 27. und 28. November.

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