Wer ist der wahre »Volksfeind« der USA?
Der US-Präsident beschimpfte den Chefkorrespondenten von CNN, dem wurde die Akkreditierung fürs Weiße Haus entzogen. Dort wurde mutmaßlich sogar eine Videoaufnahme des Skandals manipuliert. Wie reagieren amerikanische Medien?
Von der surrealen Pressekonferenz, die der amerikanische Präsident unmittelbar nach den Zwischenwahlen in den USA diese Woche inszenierte, konnte sich jeder politisch Interessierte live ein Bild machen. Donald Trump reagierte wie ein wilder Stier auf ihm offenbar als unbotmäßig erscheinende Fragen von Jim Acosta. Dem hemmungslos als „Volksfeind“beschimpften Chefkorrespondenten des TV-Senders CNN wurde von einer Mitarbeiterin des Weißen Hauses vor laufender Kamera das Mikrofon entwunden. Später entzog ihm das Präsidialamt auch noch die Akkreditierung. Acosta musste draußen bleiben. Das nennt man Zensur. Solche Vorgehensweisen sind an sich nur in Diktaturen üblich.
Wie also reagierte die US-Presse auf diesen Eklat? Die „Washington Post“erzählte noch einmal süffisant eine ältere Geschichte von Acosta, der sich schon vor Beginn der Amtsübernahme des republikanischen Kandidaten mit diesem heftige Wortgefechte geliefert hatte: Eine Livesendung, der CNN- Journalist mit kubanischen Wurzeln „feuert mit einer harten Frage los“. Er will vom Präsidenten wissen, warum dieser die politischen Gefangenen nicht freilasse. „Aber keine Helfer stürzten sich auf Acosta, um sein Mi- krofon wegzuschnappen.“Der Reporter sei auch nicht aus dem Raum gezerrt worden. Warum denn auch? Er fragte da, wie die Zeitung verriet, Kubas Präsidenten Rau´l Castro, den USPräsident Barack Obama 2016 in Havanna besucht hatte. Die seriöse Hauptstadtzeitung setzt einen harten Kontrast zum Umgang mit Medien heutzutage in den USA.
Die „New York Times“verteidigte unbeugsam die Pressefreiheit. „Lasst Jim Acosta seinen Job machen“, fordert das Weltblatt. Die Beziehungen zwischen Präsidenten und Presse seien immer irritierend, so sollte es auch sein. „Die Aufgabe der Nachrichten, Macht infrage zu stellen und herauszufordern, ist für die Demokratie so fundamental wie die Wahl.“Trump aber beweise immer wieder, dass er unfähig sei, mit Kritik oder harten Fragen anders umzugehen als mit spontanen, zornigen und rohen Gegenattacken.“ Wut sei eine Sache, doch der Entzug der Akkreditierung Acostas signalisiere, dass Trump nicht gewillt sei, Journalisten bei Briefings zuzulassen, die harte Fragen stellen. Das aber sei „die grundsätzliche Funktion eines Reporters“.
Der Entzug des Ausweises könnte noch Folgen haben. Die Pressesprecherin des Präsidenten, Sarah Sanders, begründete ihn mit einer schweren Anschuldigung gegen den CNN- Korrespondenten: Er habe sich in der Pressekonferenz beim Gerangel um das Mikrofon gegenüber einer Mitarbeiterin des Hauses danebenbenommen. Die Regierung werde nie tolerieren, „dass ein Reporter eine junge Frau anfasst, die nur ihren Job als Praktikantin im Weißen Haus machen wollte“. CNN dementierte den Vorwurf umgehend. Infowars. Zum Beweis stellte Sanders ein Video in die sozialen Medien, auf dem Acosta offenbar gegen den Arm der Praktikantin schlägt. Dumm nur: Es wurde mutmaßlich manipuliert. Woher stammt der Film? Laut „Washington Post“hat ihn die Website Infowars verbreitet, die auf Verschwörungstheorien setzt. Der Clip auf Twitter sei im Vergleich zum Original beschleunigt worden, sagten mehrere Experten. Es sei auf diesem von Sanders getweeteten Clip auch nicht zu hören, wie Acosta „Pardon me, Ma’am“sage, als er weiterfragen wolle. Das wurde offenbar herausgeschnitten, wie der Vergleich mit dem Original zeigt. Der „Mediator“meint: Zuweilen ist der „Volksfeind“doch ein anderer als vermutet.