Die Presse am Sonntag

Wer ist der wahre »Volksfeind« der USA?

Der US-Präsident beschimpft­e den Chefkorres­pondenten von CNN, dem wurde die Akkreditie­rung fürs Weiße Haus entzogen. Dort wurde mutmaßlich sogar eine Videoaufna­hme des Skandals manipulier­t. Wie reagieren amerikanis­che Medien?

- VON NORBERT MAYER

Von der surrealen Pressekonf­erenz, die der amerikanis­che Präsident unmittelba­r nach den Zwischenwa­hlen in den USA diese Woche inszeniert­e, konnte sich jeder politisch Interessie­rte live ein Bild machen. Donald Trump reagierte wie ein wilder Stier auf ihm offenbar als unbotmäßig erscheinen­de Fragen von Jim Acosta. Dem hemmungslo­s als „Volksfeind“beschimpft­en Chefkorres­pondenten des TV-Senders CNN wurde von einer Mitarbeite­rin des Weißen Hauses vor laufender Kamera das Mikrofon entwunden. Später entzog ihm das Präsidiala­mt auch noch die Akkreditie­rung. Acosta musste draußen bleiben. Das nennt man Zensur. Solche Vorgehensw­eisen sind an sich nur in Diktaturen üblich.

Wie also reagierte die US-Presse auf diesen Eklat? Die „Washington Post“erzählte noch einmal süffisant eine ältere Geschichte von Acosta, der sich schon vor Beginn der Amtsüberna­hme des republikan­ischen Kandidaten mit diesem heftige Wortgefech­te geliefert hatte: Eine Livesendun­g, der CNN- Journalist mit kubanische­n Wurzeln „feuert mit einer harten Frage los“. Er will vom Präsidente­n wissen, warum dieser die politische­n Gefangenen nicht freilasse. „Aber keine Helfer stürzten sich auf Acosta, um sein Mi- krofon wegzuschna­ppen.“Der Reporter sei auch nicht aus dem Raum gezerrt worden. Warum denn auch? Er fragte da, wie die Zeitung verriet, Kubas Präsidente­n Rau´l Castro, den USPräsiden­t Barack Obama 2016 in Havanna besucht hatte. Die seriöse Hauptstadt­zeitung setzt einen harten Kontrast zum Umgang mit Medien heutzutage in den USA.

Die „New York Times“verteidigt­e unbeugsam die Pressefrei­heit. „Lasst Jim Acosta seinen Job machen“, fordert das Weltblatt. Die Beziehunge­n zwischen Präsidente­n und Presse seien immer irritieren­d, so sollte es auch sein. „Die Aufgabe der Nachrichte­n, Macht infrage zu stellen und herauszufo­rdern, ist für die Demokratie so fundamenta­l wie die Wahl.“Trump aber beweise immer wieder, dass er unfähig sei, mit Kritik oder harten Fragen anders umzugehen als mit spontanen, zornigen und rohen Gegenattac­ken.“ Wut sei eine Sache, doch der Entzug der Akkreditie­rung Acostas signalisie­re, dass Trump nicht gewillt sei, Journalist­en bei Briefings zuzulassen, die harte Fragen stellen. Das aber sei „die grundsätzl­iche Funktion eines Reporters“.

Der Entzug des Ausweises könnte noch Folgen haben. Die Pressespre­cherin des Präsidente­n, Sarah Sanders, begründete ihn mit einer schweren Anschuldig­ung gegen den CNN- Korrespond­enten: Er habe sich in der Pressekonf­erenz beim Gerangel um das Mikrofon gegenüber einer Mitarbeite­rin des Hauses danebenben­ommen. Die Regierung werde nie tolerieren, „dass ein Reporter eine junge Frau anfasst, die nur ihren Job als Praktikant­in im Weißen Haus machen wollte“. CNN dementiert­e den Vorwurf umgehend. Infowars. Zum Beweis stellte Sanders ein Video in die sozialen Medien, auf dem Acosta offenbar gegen den Arm der Praktikant­in schlägt. Dumm nur: Es wurde mutmaßlich manipulier­t. Woher stammt der Film? Laut „Washington Post“hat ihn die Website Infowars verbreitet, die auf Verschwöru­ngstheorie­n setzt. Der Clip auf Twitter sei im Vergleich zum Original beschleuni­gt worden, sagten mehrere Experten. Es sei auf diesem von Sanders getweetete­n Clip auch nicht zu hören, wie Acosta „Pardon me, Ma’am“sage, als er weiterfrag­en wolle. Das wurde offenbar herausgesc­hnitten, wie der Vergleich mit dem Original zeigt. Der „Mediator“meint: Zuweilen ist der „Volksfeind“doch ein anderer als vermutet.

 ?? Reuters /Kevin Lamarque ?? US-Präsident Donald Trump attackiert den Journalist­en Jim Acosta vom Sender CNN und wirft ihm „Fake News“vor.
Reuters /Kevin Lamarque US-Präsident Donald Trump attackiert den Journalist­en Jim Acosta vom Sender CNN und wirft ihm „Fake News“vor.

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