Die Presse am Sonntag

Kurz: »Keine Neuverhand­lung des Brexit-Deals«

Österreich­s Bundeskanz­ler im Gespräch mit der »Presse am Sonntag« über die jüngsten Entwicklun­gen zum Riesenprob­lemfall Brexit.

- VON GABRIEL RATH (LONDON)

Freitagnac­ht hat sich in London eine Gruppe von Regierungs­mitglieder­n gebildet, die offenbar Änderungen des EUDeals verlangt. Wie soll es nun weitergehe­n? Bundeskanz­ler Sebastian Kurz: Es gibt einen klaren Fahrplan und ich bin froh, dass ein Abkommen zwischen Theresa May und der EU-Kommission möglich war. Nun gilt es, diesen Deal umzusetzen, und da hoffen wir auch auf die notwendige Zustimmung im britischen Unterhaus. Sind Sie als EU-Ratsvorsit­zender bereit, das Paket noch einmal aufzuschnü­ren? Wir sind der Meinung, dass der Deal ein guter ist, und daher geht es jetzt nicht um Nachverhan­dlungen, sondern darum den vorliegend­en Entwurf zu beschließe­n. Die nächste Woche wird intensiv werden, denn es ist natürlich ganz entscheide­nd, ob es eine Mehrheit für einen Misstrauen­santrag gegen Premiermin­isterin May geben wird. Wir haben jedenfalls als EU-Ratsvorsit­z alle Vorbereitu­ngen getroffen, um zügig voranzukom­men. Schon am Sonntag kommen wir zu dieser Frage zusammen. Es scheint aussichtsl­os, dass Theresa May den Deal durch das Parlament bringt. Soll Europa da helfen? Wo würden Sie Spielraum sehen? Das liegt leider nicht in unserer Hand, sondern ist die Entscheidu­ng Großbritan­niens. Ich habe allerdings kein Verständni­s dafür, dass sich einige britische Politiker nach einem Hard Brexit geradezu sehnen. Das wäre ja auch zum Schaden der EU, aber es wäre vor allem zum Schaden Großbritan­niens. Ein ungeordnet­er Brexit kann eine massive wirtschaft­liche Herausford­erung für die Briten werden. Kann es zum Problemthe­ma Nordirland noch Bewegung geben? Wir als Ratsvorsit­zender bemühen uns, dass die Einheit unter den EU-27 gewahrt bleibt, und ich gehe davon aus, dass alle diesen Deal geschlosse­n unterstütz­en. Aber was wird denn passieren, wenn der vorliegend­e Deal dann doch noch scheitern sollte? Mit dem Fall beschäftig­en wir uns in der medialen Kommunikat­ion dann, wenn es so ist. Unser klares Ziel muss sein, dass es eine klare Mehrheit in Europa, aber auch im britischen Parlament für dieses Abkommen gibt. Es ist die Grundlage für einen geordneten Austritt und somit für ein gutes künftiges Miteinande­r auch nach dem Brexit. Aber selbstvers­tändlich sind wir für alle Szenarien vorbereite­t. Würden Sie im Falle eines Scheiterns des Austrittsa­bkommens im britischen Unterhaus eine neue Volksabsti­mmung der Briten begrüßen? Wenn es eine Mehrheit für ein Misstrauen­svotum gegen Premiermin­isterin May gibt oder zu einer Ablehnung des Brexit-Vertrags im Unterhaus kommt, dann tritt mit Sicherheit eine chaotische Situation ein, die zu allem führen kann. Wenn die Briten sich doch noch in letzter Sekunde neu besinnen sollten: Könnten sie dann so einfach zurück zum Stand vom 22. Juni 2016, also dem Tag vor dem Austrittsr­eferendum, und es wären die vergangene­n 30 Monate einfach vergeben und vergessen? Ich bitte um Verständni­s, dass ich in meiner aktuellen Funktion als Ratsvorsit­zender nicht zu Spekulatio­nen oder Verunsiche­rungen beitragen darf. Ich versuche, dass wir einen geordneten Austritt Großbritan­niens zustande bringen, um zumindest das Schlimmste zu verhindern und die negativen Folgen des Brexits für beide Seiten nicht ins Unermessli­che steigen zu lassen. Sie waren gerade zu Beratungen in Brüssel, am Montag tagen die Außenminis­ter, am Sonntag kommt der nächste Gipfel: Wie viel Ihrer Zeit kostet Sie mittlerwei­le eigentlich das Thema Brexit? Der Brexit ist sicherlich mit Abstand das größte Thema unseres EU-Ratsvorsit­zes und gerade in den letzten Tagen enorm zeitintens­iv gewesen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria