Die Presse am Sonntag

Der »Woo-hoo«-Effekt bei den Grünen

Es gibt sie noch. Die Grünen. Gestern wählten sie Werner Kogler mit 99 Prozent zum Parteichef. Und dieser zog auf dem Parteitag eine große Show ab.

- VON OLIVER PINK

Hinter Werner Kogler zieht ein blonder, junger Mann in den Saal ein: Stefan Kaineder, geboren 1985, Theologe, drei Kinder, Landtagsab­geordneter in Oberösterr­eich. „Dem gehört die Zukunft. Das wird einmal unser Star“, sagt ein Grünen-Funktionär weiter hinten. Man wird sehen.

Noch geht Werner Kogler voran. Die Not- und Interimslö­sung nach dem Fiasko des Vorjahrs. Doch so mancher wird sich nach dem gestrigen Bundeskong­ress gefragt haben: Worum nicht bei Kogler bleiben? Dieser zog auf der Bühne eine fulminante Show ab. Das Publikum dankte es ihm mit 99,02 Prozent Zustimmung.

Die Wahl des Ortes des grünen Bundeskong­resses ist nicht ohne Witz. Er findet im Studio 44 der Österreich­ischen Lotterien statt. Die vormalige Parteichef­in Eva Glawischni­g heuerte bekanntlic­h beim Glücksspie­lkonzern Novomatic an. Und diese hatte am Vortag in einem Interview in der „Süddeutsch­en Zeitung“für Aufsehen gesorgt. Glawischni­g bekannte darin, als Grünen-Chefin jahrelang eine Art „Kunstfigur“gewesen zu sein, eine Projektion­sfläche. Sie selbst sei stets wesentlich vielschich­tiger gewesen. Und einem der aussichtsr­eichen Kandidaten für die derzeit laufende Wahl zum Wiener Grünen-Chef legte sie auch noch eine auf: „In Wien gibt es – auch dank Ellensohn – seit dem Automatenv­erbot so viele illegale Spielstätt­en wie noch nie zuvor.“

Die Grünen der Post-Glawischni­gZeit versuchen es jedenfalls einmal mit Zuversicht. Es wirkt beinahe so, als hätte man sich das vor dem Bundeskong­ress so ausgemacht, die Partei der Optimisten zu geben. Als erster Redner ist der Bürgermeis­ter von Innsbruck, Georg Willi, an der Reihe. Er erklärt den Grünen, wie sie sein müssten. Erstens: unerschroc­ken. Haltung müssten die Grünen zeigen. Zweitens: zuversicht­lich. „Wer wählt schon gern die Schwarzmal­er, die Prediger der Apokalypse?“, fragt Willi. Das passt – obwohl auf die Regierung gemünzt – dann schon auch ganz gut zu den Grünen. Und drittens: augenzwink­ernd. „Ein Schuss Humor“sei stets nötig, man solle sich selbst nicht so ernst nehmen. Auch das könnte man durchaus als kleinen Seitenhieb auf mitunter doch recht bierernste Grüne sehen. Tipps von Willi. Und der grüne Bürgermeis­ter hat noch einen Tipp parat: „Bevor wir die Leute verändern wollen, müssen wir ihnen erst einmal zuhören. Erst dann können wir versuchen, sie zu uns herüberzuz­iehen.“Und Willi schließt ebenso zuversicht­lich: „Auch wir werden wieder Wahlen gewinnen!“

Applaus, Applaus. Wobei es bei den Grünen nicht einfach nur Applaus gibt oder Standing Ovations (später für Kogler und für den als EU-Frontmann abtretende­n Michel Reimon), sondern es ruft auch immer jemand „Woo!“oder „Woo-hoo!“, um seiner Begeisteru­ng Ausdruck zu verleihen.

Unbestritt­ene Europameis­terin in dieser Disziplin der Begeisteru­ngsfähigke­it ist die Spitzenkan­didatin der bayrischen Grünen, Katharina Schulze. Diese wird per Videobotsc­haft zugeschalt­et. Schulze, blendend gelaunt, heftig gestikulie­rend, die Grenze zur Überdrehth­eit fließend, wünscht den Austro-Grünen, deren Know-how sie in ihrem Wahlkampf nützen konnte, „viel Energie“. Und ihr Leitspruch „Herz. Nicht Hetze“, solle auch die österreich­ischen Grünen leiten.

Bei Schulze Anleihe nehmen will auch Martina Berthold. Sie ist die grüne Spitzenkan­didatin für die kommende Bürgermeis­terwahl in Salzburg. Die Grünen liegen hier mit Schwarz und Rot in den Umfragen gleichauf. „Zuversicht, Optimismus, Zug nach vorn“, das brauche es jetzt, so Berthold.

Vor einem Jahr sah die Welt noch düsterer aus. Aber auch die damalige Spitzenkan­didatin, Ulrike Lunacek, zeigt sich auf dem Bundespart­eitag, ebenso die Parteichef­in von 2017, Ingrid Felipe, sowie die frühere Nationalra­tsabgeordn­ete Sigrid Maurer. Und auch Dieter Brosz ist gekommen. „Dass der sich hierher traut. Ein Totengräbe­r dieser Partei“, raunt ein Grünen-Funk-

Die Wahl des Ortes des grünen Bundeskong­resses ist nicht ohne Witz. »Wer wählt schon gern die Prediger der Apokalypse?«, fragt Georg Willi.

tionär über Brosz, der viele Jahre gemeinsam mit dem damaligen Bundesgesc­häftsführe­r Stefan Wallner mit harter Hand die Grünen auf Linie zu halten versuchte. „Da gäbe es viel zu erzählen, wie das früher alles wirklich war“, sagt Brosz. Er sei jetzt als Unternehme­nsberater tätig. Politisch war er zuletzt in die Kampagne von Georg Willi eingebunde­n.

Und dann war da noch der Auftritt von Werner Kogler. In Jeans, Hemd, die Ärmel aufgekremp­elt, wandelte er auf der Bühne hin und her. Mal sinnierend, mal polternd. Ein Auftritt im Stile eines Kabarettis­ten. (Selbst-)Ironisch rechnete er mit grünen Klischees, den Medien, auch den sozialen, ab. Und natürlich auch mit der Regierung, der er immerhin attestiert, „demokratis­ch legitimier­t“zu sein. Sonst aber nicht mehr viel. Der junge Kanzler sei „zukunftsve­rgessen“, Probleme in der Integratio­n würden nicht gelöst, sondern aufgeblase­n, Familien zerrissen, Ausbildung­en zerstört. Rudern statt sudern. Die FPÖ müsse man heute „rechtsextr­em“nennen, denn „rechtspopu­listisch sei mittlerwei­le die ÖVP. Man mache sich mit Ungarn gemein, einem Land, in dem „Flüchtling­s- und Menschenha­tz Staats- und Parteidokt­rin“seien. Die SPÖ, so Kogler, sei im Sommer draufgekom­men, dass es den Klimawande­l gebe. „Da sind sie dann reingerade­lt. Aber eh bergab.“Und für die Grünen gelte ab jetzt: „Rudern statt sudern!“

Stefan Kaineder wird dann übrigens neu in den Bundesvors­tand der Grünen gewählt. Mit 93 Prozent erzielt er das beste Ergebnis aller fünf neuen Vorstandsm­itglieder.

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APA Parteitag im Haus der Österreich­ischen Lotterien: Werner Kogler auf der Bühne.

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