Die Presse am Sonntag

Ein schicksalh­aftes Abkommen

Mit dem Gastarbeit­er-Anwerbeabk­ommen von 1964 nahm die türkische Gemeinde in Österreich systematis­ch Gestalt an.

- VON MANFRED SEEH

Um die für Österreich­s Wirtschaft und Industrie nötige Anzahl an Arbeitern zu rekrutiere­n, schloss Österreich 1964 ein Gastarbeit­er-Anwerbeabk­ommen mit der Türkei ab. Wenn damals auch Deutschlan­d als Zielland attraktive­r war, so entschloss­en sich schließlic­h doch mehr und mehr türkische Arbeiter die Reise nach Österreich anzutreten. Was vielfach als ein-, zwei-, dreijährig­er Arbeitsauf­enthalt geplant war, sollte letztlich bei vielen Menschen dauernden Bestand haben.

So entwickelt­e sich die Beschäftig­ungsquote türkischer Arbeitskrä­fte in den Sechzigern allmählich nach oben. 1965 waren es 3110, 1970 schon 8462 Personen. Im Jahr 1973 wurde wiederum ein Rückgang auf 4851 Türken registrier­t. Jedenfalls konnte sich Ende der 1960er-Jahre die österreich­ische Wirtschaft über das Erreichen der erhofften Kontingent­e freuen. Insgesamt waren die meisten Gastarbeit­er 1973 da: etwa 230.000. Die meisten von ihnen stammten nicht aus der Türkei, sondern aus dem damaligen Jugoslawie­n. Haupteinsa­tzgebiete waren die Bau- branche, Produktion­sbetriebe und die Gastronomi­e.

In den 1980er- und 1990er-Jahren nahm die Zahl der Türken in Österreich stark zu. Viele wanderten aus ihrem Heimatland aus. Seit dem Jahr 1981 gibt es ungefähr 131.000 Einbürgeru­ngen von Türken in Österreich (53.000 in Wien). Weniger Einbürgeru­ngen. Seit 2004 geht die Anzahl der Einbürgeru­ngen deutlich zurück. Zuletzt wurden nicht einmal tausend Personen pro Jahr eingebürge­rt. Insgesamt haben 272.000 Menschen, die hier leben, einen türkischen Migrations­hintergrun­d. Dabei handelt es sich um Einwandere­r erster und zweiter Generation.

Die Zahl der in Österreich lebenden Menschen mit türkischer Staatsbürg­erschaft ist seit 1991 relativ konstant. Anfang des Jahres lebten 117.300 türkische Staatsbürg­er in Österreich. Knapp 50.000 davon in Wien. Türkische Staatsange­hörige weisen eine mehr als doppelt so hohe Arbeitslos­enquote als Österreich­er auf.

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