»Gegen den Semmeringtunnel hat der Bus keine Chance«
Die Attraktivität von Bussen hänge mit der Schieneninfrastruktur zusammen, sagt Ludwig Richard, der die Strecke Wien – Graz betreibt.
Durch Flixbus kam es zu einer Renaissance des Busfahrens. Warum hat es ein deutsches Start-up gebraucht, damit Strecken wie Wien–Graz per Bus attraktiv sind? Ludwig Richard: Ich sage selbst öfter, dass das eigentlich blamabel ist. Zu meiner Ehrenrettung muss ich allerdings hinzufügen, dass wir bei Meinfernbus, das inzwischen in Flixbus aufgegangen ist, von Anfang an als Business Angel und Gesellschafter dabei waren. Flixbus hat den Verkehr aber so radikal neu gedacht, dass wir als etabliertes Unternehmen dies nicht in der Geschwindigkeit und Konsequenz umgesetzt hätten. Die Idee, dass Buslinien so funktionieren wie eine Low-CostAirline – da war ich mir nicht sicher, ob das funktioniert. Und das ist ja nun einmal das Konzept von Flixbus. Wie haben sich die Passagierzahlen gegenüber früher verändert? Bevor wir mit Meinfernbus im Jahr 2014 begonnen haben, war die Strecke Wien–Graz eine Regionalbuslinie für Pendler, die viele Haltestellen hatte und aufgrund der langen Reisezeit für die Langstrecke unattraktiv war. Insofern ist es heute ein ganz anderes Produkt, das wir anbieten. Wie ist die Situation heute? Wir fahren bis zu 22 Mal am Tag. Am Wochenende gibt es mehr Verbindungen als Dienstag bis Donnerstag. Im Schnitt befördern wir damit rund 1000 Personen pro Tag. Die Fahrgastzahlen in den einzelnen Bussen variieren je nach Wochentag und Tageszeit aber sehr stark. So bieten wir im Gegensatz zu früher nun auch bis spät in die Nacht Verbindungen an. Am Wochenende fährt etwa der letzte Bus aus Wien erst um 23 Uhr los. Zahlt sich das Ganze für Sie bereits aus, schreiben Sie Gewinne? Es gibt gut ausgelastete Phasen und es gibt schlecht ausgelastete Phasen. In Summe ist es derzeit kostendeckend. Wir würden das Ganze aber nicht schon so lange machen und stetig weiter ausbauen, wenn wir uns nicht einen Erfolg versprechen würden. Haben sich im Gegensatz zu früher die Fahrgäste in den Bussen eigentlich stark verändert? Ja. Das trifft aber auf die Fernbusse generell zu. Denn das neue Angebot schafft eine neue Nachfrage. Es gibt Leute, die nun in Städte fahren, die sie vorher einfach nicht besucht hätten, wenn es dieses Angebot nicht gäbe. Oder Studenten, die auswärts studieren und nun häufiger ihre Familie besuchen können. Die günstigen Preise der Fernbusse ermöglichen vielen nun eine Mobilität, die sie vorher nicht hatten. Wien–Graz ist die größte Fernbusstrecke in Österreich. Welche ergäbe noch Sinn? Aufgrund der geringen Größe und vor allem der wenigen großen Städte ist die Zahl an Verbindungen, die man in Ös- terreich erschließen wollte, eher begrenzt. In Deutschland mit den vielen mittelgroßen Städten ist das anders. Ich sehe also keinen ganz großen Bedarf bei Verbindungen, die heute nicht schon erschlossen sind. Für uns als Unternehmen wäre die Strecke Graz– Salzburg interessant gewesen. Da haben wir aber keine Genehmigung erhalten, sondern ein Mitbewerber. Alles was wirtschaftlich Sinn ergibt, wird also schon gefahren. Inwiefern ist das für Sie als traditionelles Familienunternehmen ein Problem, dass Sie nun unter fremder Flagge fahren? Das ist halt ein Zeichen unserer Zeit. Die Händler, die bei Amazon ihre Waren anbieten, sind auch unbekannt. Flixbus ist ein Riesenunternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern. Unter denen ist kein einziger Fahrer und sie betreiben keinen einzigen Bus. Der Großteil ihres Personals sind Programmierer. Sie machen aber den Vertrieb und haben mit den Kunden so den wichtigsten Stellhebel in der Hand. Von Gewerkschaften kommt oft der Vorwurf, dass Flixbus Subunternehmer unter Kostendruck setzen würde, den diese dann an die Fahrer weitergeben. Stimmt das? Kostengünstig zu produzieren ist in jedem Markt wichtig. Im Busbereich sind Lohn- und Sozialstandards ein Riesenthema. Das ist nicht nur beim Fernbus so, sondern auch im Nahverkehr, wo bei Ausschreibungen immer der Bil-
Ludwig Richard
führt seit 2005 in dritter Generation das in Wien beheimatete Familienunternehmen Dr. Richard. Das Busunternehmen wurde 1946 gegründet und betreibt mit rund 1000 Bussen Nah-, Regional- und Fernbuslinien in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Seit 2014 fährt Dr. Richard für Flixbus die Linie 096 Wien–Graz, sowie die Linie X96 Graz–Flughafen Wien. ligste zum Zug kommt. Je internationaler man fährt, desto mehr kommen aber unterschiedliche Entlohnungsregelungen ins Spiel. Und dadurch steigt auch der Druck. Unsere Philosophie ist, dass wir überall, wo wir tätig sind, die lokalen Standards zahlen. In Österreich ist das der Kollektivvertrag. Wir halten uns von Strecken fern, wo etwa mit osteuropäischen Standards gefahren wird. Da haben wir keine Chance. . . . unser Hauptkonkurrent ist das Auto, der Individualverkehr. Dennoch stehen Sie in Konkurrenz zur Bahn. Hat der Bus hier nicht einen unfairen Vorteil, da externe Kosten wie CO2-Ausstoß nicht ausreichend berücksichtigt werden? Jeder Reisende, der nicht im Auto sitzt, ist für die Umwelt ein Vorteil. Ob der jetzt im Zug oder im Bus sitzt, ist dabei nicht so relevant. Im Gegensatz zu Deutschland zahlen wir in Österreich für unsere Busse ja auch AutobahnMaut. Das sind hohe sechsstellige Beträge im Jahr, zusätzlich zur Mineralölsteuer. Das Verkehrssystem Straße ist also auch unter Einbeziehung der externen Effekte manchmal effizienter als das System Schiene. Wir würden allerdings niemals zwischen Wien und Salzburg fahren, da es dort bereits eine tolle Bahnverbindung gibt. Auch bei Wien–Graz wird der Bus, sobald es den Semmeringtunnel gibt, wohl keine Chance mehr haben.