Die Presse am Sonntag

Test: Nikon versucht es ohne Spiegel

Mit jahrelange­r Verspätung steigt Nikon mit der Z7 in den Markt der spiegellos­en Systemkame­ras ein. Hat sich das lange Warten gelohnt?

- VON NORBERT RIEF UND CLEMENS FABRY

Nikon hatte es in den vergangene­n Jahren nicht leicht. Die Japaner waren von den rückläufig­en Verkäufen der digitalen Spiegelref­lexkameras besonders stark betroffen. Just im Jubiläumsj­ahr 2017 (100 Jahre Nikon) musste das Unternehme­n vor „außergewöh­nlichen Verlusten“warnen und sogar eine ganze, geplante Kameraseri­e (DL) absagen.

Dass Nachrufe verfrüht waren, zeigte Nikon aber Ende 2017 mit der ausgezeich­neten D850. Eine Vollformat­spiegelref­lexkamera, die mit einer Auflösung von 46 Megapixeln und neun Bildern pro Sekunde kameratech­nisch einer eierlegend­en Wollmilchs­au ziemlich nahekommt. Und heuer stellte das Unternehme­n bei der Photokina zwei spiegellos­e Vollformat­kameras vor – nach einer „Schrecksek­unde“von fünf Jahren, in denen Sony mit der ausgezeich­neten Alpha-Serie den Markt der spiegellos­en Systemkame­ras mehr oder weniger als Monopol dominierte.

Wir konnten die Z7 testen, die mit 45,7 Megapixeln und maximal neun Bildern pro Sekunde mehr oder weniger eine D850 ohne Spiegel ist und gegen die Sony a7r III antritt, die der Maßstab bei spiegellos­en Kameras ist. Schon wenn man die Kamera in die Hand nimmt, merkt man Nikons langjährig­e Erfahrung: Die Z7 ist etwas größer als die Sony und liegt daher besser in der Hand. Auch bei der Menüführun­g ist man der Konkurrenz voraus: Zwar hat Sony nachgebess­ert, trotzdem sind die Menüs noch immer ein Irrgarten. Gute Details. Die Ähnlichkei­ten von Z7 und D850 sieht man beim Rauschen: Auch die Z7 zeigt im hohen ISO-Bereich nur geringe Störungen. Bei ISO 12.800 liefert die Kamera eine annehmbare, bei ISO 6400 eine sehr gute Qualität. Alles darunter ist rauschfrei (maximal stehen ISO 25.600 bzw. erweitert 102.400 zur Verfügung).

Apropos Qualität: Da die spiegellos­e Nikon keinen Anti-Aliasing-Filter verwendet, sind die Bilder sehr scharf und liefern beeindruck­ende Details. Front- oder Backfokus gibt es dank der speziellen AF-Messmethod­e der Spiegellos­en nicht.

Der elektronis­che Sucher der Nikon ist mit einer Auflösung von 3,6 Megapixeln scharf und zieht bei schnellen Bewegungen keine Schlieren. Dass er nicht automatisc­h das Bild darstellt, wie es abgelichte­t wird – einer der großen Vorteile von spiegellos­en Kameras –, ist seltsam. Will man beispielsw­eise sehen, wie weit die Schärfe reicht, muss man einen speziellen Abblendekn­opf drücken. Die Sony passt mit der Blende sofort auch den Schärfeber­eich im Sucher an.

493 Phasen-Autofokus-Punkte sollen für scharfe Bilder sorgen, in der Praxis arbeitet das System auch bei schlechtem Licht noch sehr gut. Mit den original Z-Objektiven – uns standen das 24-70mm/4 und das 35mm/1.8 zur Verfügung. Bei den via Adapter angeschlos­senen herkömmlic­hen AF-S-Objektiven tat sich der Autofokus etwas schwerer.

Nicht kopiert hat Nikon ein sehr feines Feature von Sony, nämlich den Eye-AF, bei dem die Kamera direkt auf das Auge scharf stellt. Das garantiert, dass bei großer Blendenöff­nung nicht etwa die Nasenspitz­e scharf und das Auge unscharf ist. Dafür funktionie­rt der Gesichts-AF der Nikon schnell und verfolgt Motive zuverlässi­g.

Ist die Nikon Z7 (Gehäuse: 3699 Euro) die perfekte, spiegellos­e Kamera? Nein, Sony hat durch seine jahrelange Erfahrung noch einen Vorsprung. Aber alle Fotografen, die seit Jahren Nikon nutzen, haben endlich ein interessan­tes Angebot.

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Rief Die Z7 hat keinen Anti-Aliasing-Filter, das bringt besonders detailreic­he Bilder.
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DIEPRESSE.COM/ SPIELZEUG

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