Das Platzen aller Träume
Zwei Brüder geraten auf die schiefe Bahn. Hatten sie je eine Chance? Autor Lukas Rietzschel sagt es nicht. Er weiß es aber auch nicht. Eine gute Geschichte sollte in zwei bis drei Sätzen gepitcht werden können, heißt es. Bei Lukas Rietzschels Roman „Mit der Faust in die Welt schlagen“genügt schon ein Satz. Er könnte lauten: „Zwei perspektivlose Brüder radikalisieren sich, nachdem sie die falschen Männer kennengelernt haben.“Oder auch: „Zwei Brüder, ein trister Ort und viele leichte Antworten.“Eigentlich genügen sogar nur zwei Wörter: „Schlechter Umgang.“Eine gute Geschichte erzählt das Buch dennoch nicht.
Nicht, weil die Entwicklung der Figuren nicht irgendwie nachvollziehbar ist. Oder, weil aktuelle Ereignisse nicht geschickt eingearbeitet werden. Oder es an mutigen gesellschaftspolitischen Thesen fehlt. Sondern, weil die Sehnsucht nach bzw. die Angst vor dem Verlust der Heimat – gewissermaßen der rote Faden der Handlung – derart eindimensional und plakativ beschrieben wird, dass es viel zu wenig Identifikationspotenzial gibt, um ernsthaft und nachhaltig aufgewühlt zu werden.
Natürlich braucht es diesen Anspruch nicht unbedingt. Man kann den Brüdern Philipp und Tobias auch, sagen wir, gleichgültiger folgen. Sie begleiten, wie sie in der sächsischen Provinz aufwachsen, Ärger in der Schule haben und um ihren geliebten Großvater trauern. Geschlossene Fabriken, Plattenbauten und Abwanderung kriegen sie natürlich auch mit. Am Ende brennt die geplante Flüchtlingsunterkunft. Musste es so weit kommen? Rietzschel beantwortet diese Frage nicht. Was für ihn sprechen würde. Aber: Er stellt nicht einmal die Frage. Lukas Rietzschel: „Mit der Faust in die Welt schlagen“, Ullstein, 320 Seiten, 20,60 Euro