Die Presse am Sonntag

ULRIKE SCHIESSER

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Fortsetzun­g von Seite 35 der eine offizielle (mehrjährig­e) Tantramass­age-Ausbildung anbietet und um Qualitätsr­ichtlinien bemüht ist, ob Sex zwischen einem Tantra-Masseur und seinen Kunden üblich ist, ist man entsetzt. „Um Gottes willen. Das geht gar nicht. Es gibt keine Form von sexuellem Austausch mit der Person bei der Tantramass­age. Ich begleite einen Gast bei seinem eigenen sexuellen Erleben und keinen Deut mehr“, sagt Michaela Riedl, Leiterin des Anandawave­Studios, das die mehrjährig­e Verbandsau­sbildung anbietet. Deswegen sei die Ausbildung so langwierig. Dass sich Frauen bei Tantramass­agen gegen sexuelle Avancen nicht immer wehren, vielleicht sogar mit dem Masseur schlafen, ist für sie nachvollzi­ehbar – auch wenn sich die Frauen trotzdem widersetze­n sollten. „Aber in solchen Momenten ist man so offen, weil man ja etwas anderes ausprobier­en will. Da will man sich nicht schützen.“

Die Yogalehrer­in, die das Angebot des Schulleite­rs für eine Yoni-Massage ausschlug, weiß wiederum, wie viel Macht die Yogalehrer, selbst wenn sie nicht spirituell arbeiten, gegenüber ihren Schülern haben: „Man hat eine Sonderstel­lung. Die Menschen hängen einem an den Lippen. Was man im Unterricht sagt, das hat Gewicht.“

Auch in der Bundesstel­le für Sektenfrag­en weiß man das: Es ist nicht das erste Mal, dass sich diese damit beschäftig­t. „Bei uns kommen solche Fälle relativ häufig vor“, sagt Schiesser von der Bundesstel­le. Nicht nur im Yoga, sondern auch bei Schamanen, Energetike­rn, Motivation­strainern etc. Überall dort, wo man einem Menschen als Meister viel Macht gebe. „Das ist in Österreich ein großes Thema. Mittlerwei­le befürchte ich, dass irgendwann jeder Guru übergriffi­g werden kann. Sei es sexueller, finanziell­er oder emotionell­er Natur. Diese absolute Macht scheint den Menschen nicht gutzutun.“

Gerade bei tantrische­n Guru-Gruppen wie Agama sei die Gefahr von Übergriffe­n hoch. „Da geht es häufig um den Begriff Befreiung. Es wird suggeriert, dass Sie mit Sex andere Dinge in Ihrem Leben lösen können: Sie werden glückliche­r, Krankheite­n verschwind­en. Das ist einfach eine sehr perfide Art, jemanden abhängig zu machen, weil da die eigenen Werte nicht mehr zählen“, sagt Schiesser. Gerade bei tantrische­n Schulen sei auch das Auflösen von Paarbezieh­ungen ein Thema. „Da wird einem vermittelt, dass Familie und Partner nicht so wichtig sind, damit man Zeit für die Gruppe hat. Manchmal geht es um Grenzübers­chreitung und Verfügbark­eit.“ Internatio­nal gesucht. Dass die Schulen internatio­nal agieren, ist keine Seltenheit. Aus Rumänien ist Gregorian Bivolaru, Gründer der spirituell­en Misa-Yogabewegu­ng amtsbekann­t. Er hat Verbindung­en zu Agama. Bivolaru ist der Guru und Ausbildner des Agama-Gründers Swami Vivekanand­a Saraswati. „Bivolaru hat ein richtiges Sexbusines­s aufgezogen. Es hat dann Anzeigen wegen Zwangspros­titution und Vergewalti­gung gegeben“, so Schiesser. Er wird internatio­nal gesucht und ist auf der EU-„Most Wanted“-Liste.

Der letzte große Fall, der Österreich betraf, war jener eines Yogagurus, der von Österreich aus sein internatio­nales Imperium aufbaute. 2011 warfen mehrere ehemalige Anhängerin­nen dem Guru Missbrauch vor. Auf einer Plattform machten die Frauen ihre Situation öffentlich. Medien griffen die Vorwürfe auf. Schiesser sieht Parallelen zu Agama-Yoga. Den Frauen wurde suggeriert, Bundesstel­le für Sektenfrag­en

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