Ski fahren um jeden Preis
360 Grad Österreich: An diesem Wochenende haben viele Wintersportorte ihre Skigebiete eröffnet. Heuer war es besonders schwierig, dafür den Schnee zu erzeugen.
Twitter ist ein Hund. Seit vier Jahren schaufeln sie in Kitzbühel Mitte Oktober aus großen Depots den Schnee auf zwei Pisten, verteilen ihn auf eine Länge von knapp zwei Kilometern und starten damit die Wintersaison.
Heuer aber postete jemand ein Foto von den weißen Streifen in einer grün-braunen Landschaft unter einem strahlend blauen Himmel auf dem sozialen Netzwerk. Und weil man in Wien zu der Zeit gerade überlegte, ob man vielleicht noch einmal schwimmen gehen soll (am Samstag, 13. Oktober, hatte es 22 Grad) und die lautstärkste Twitteria in der Bundeshauptstadt angesiedelt ist, glaubte man, die Welt gehe unter. Jetzt sei wohl endgültig die „Piefke-Saga“von Felix Mitterer Realität geworden.
Man gewöhnt sich besser an solche Anblicke, wie man sie vor einigen Jahren auch in Schladming sah. Die Temperaturen mögen sich nicht wie Winter anfühlen, aber die Seilbahnen, die Zehntausenden Beschäftigten und insgesamt die österreichische Wirtschaft brauchen Schnee und Skipisten – und dafür ist kein Preis zu hoch.
13,3 Milliarden Euro werden in Österreich mit dem Wintertourismus umgesetzt. Die Wertschöpfung aus dem Tourismus (direkt und indirekt) lag laut Wirtschaftskammer im Gesamtjahr 2017 bei 58,8 Milliarden Euro. Das sind knapp 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In der vergangenen Wintersaison zählte man in Österreich 71,8 Millionen Nächtigungen – ein neuer Rekord. Und jeder Wintergast gibt im Schnitt pro Tag 153 Euro aus.
Was sind da im Vergleich beispielsweise die etwa zehn Millionen Euro, die man jedes Jahr in Ischgl, Österreichs viertgrößtem Skigebiet, für die Schneeerzeugung aufwendet? Das Skifahren hat den einstigen Bergbauernort im Tiroler Paznauntal reich gemacht, dessen Einwohner einst für den Bau des ersten Lifts ihre gesamten Ersparnisse riskiert haben.
„Ohne technischen Schnee geht es heute nicht mehr“, erklärt Michael Rothleitner, Leiter des Schneezentrums Tirol. Mehr als zwei Drittel der österreichischen Skipisten könnten mittlerweile künstlich beschneit werden, in vielen Skigebieten sind es sogar 100 Prozent.
Man beachte übrigens den Unterschied: Technischer Schnee, nicht künstlicher Schnee – „weil auch der Schnee aus den Kanonen natürlich ist“, wie Rothleitner betont. Es ist wie das Reinheitsgebot beim bayerischen Bier: In Tiroler Schnee kommt nur Wasser – und sonst nichts.
Als ein Tiroler Skigebiet einen Antrag stellte, „Snowmax“zu testen, war die Empörung groß. Die Technik kommt aus den USA. Man setzt dabei auf die abgetöteten Pseudomonas-syringae-Bakterien. Ihr Eiweiß lässt Wasser auch bei plus fünf Grad Celsius zu schneeähnlichem Pulver werden, bei minus drei Grad entsteht bereits pulvriger, weicher Schnee. In den USA werden ganze Skigebiete mit der „Snowmax“-Technik beschneit, in der Schweiz ist dies in manchen Kantonen möglich.
In Tirol überlegt man nach der „Snowmax“-Debatte ein offizielles gesetzliches Verbot von jeglichen Zusatzstoffen im technischen Schnee. Schon jetzt muss das Wasser, das zur Erzeugung verwendet wird, Trinkqualität haben. In Salzburg beispielsweise genügt Badewasserqualität.
Zusätze werde man noch lang nicht brauchten, glaubt Rothleitner. Früher einmal konnte man erst bei minus sechs Grad guten Schnee erzeugen, heute gehe das schon bei einem einzigen Minusgrad. Die Düsentechnik sei besser geworden, die Erfahrung größer – und im Kühtai forschen Mitarbeiter des Zentrums bereits an der Schneeerzeugung der Zukunft. Schnee zum Ernten. Womit sich viele Skigebiete in den vergangenen Jahren den Saisonauftakt gerettet haben, ist das sogenannte Snowfarming. Beim „Anbauen“von Schnee werden während der Saison große Mengen erzeugt. Der Schnee wird in Depots zusammen-
Prozent
der Pisten in Österreich können mittels Lanzen und Schneekanonen künstlich beschneit werden.
Schnee, der technisch (wie es die Liftbetreiber nennen) erzeugt wird, kostet etwa drei Euro.
Milliarden Euro
beträgt die Wertschöpfung des Tourismus laut Wirtschaftskammer direkt und indirekt in Österreich pro Jahr. Allein mit dem Wintertourismus werden 13,3 Milliarden Euro umgesetzt.
Millionen
Nächtigungen zählte man in Österreich in der vergangenen Wintersaison. So viele wie noch nie – und um fast fünf Prozent mehr als in der vorherigen Saison. geschoben, mit Hackschnitzeln oder Isolierplatten und Planen abgedeckt, um ihn gegen Regen und Wärme zu schützen. Mehr als 80 Prozent des Schnees lassen sich so über den Sommer retten – und half heuer eben in Kitzbühel, die Saison schon Mitte Oktober zu eröffnen.
Jeder Wintertourist gibt in Österreich im Schnitt 153 Euro pro Tag aus. In Ischgl lässt man den Schnee aus 950 Lanzen und 150 Kanonen rieseln.
In Ischgl macht man das nicht, dort baut man auf die 950 Lanzen und 150 Kanonen, aus denen man den Schnee rieseln lassen kann. Heuer erst sehr spät, weil der Oktober noch so warm war. „Ich mache das jetzt seit 28 Jahren, aber so einen Oktober habe ich noch nie erlebt“, erklärt Serafin Siegele, Pistenchef in Ischgl und damit verantwortlich für die 239 Kilometer Abfahrt.
Erst am 18. November sei es heuer kalt genug geworden, um die Schneeerzeugung zu starten. Es hat genügt für eine 30 Zentimeter hohe Schicht, etwa ein Drittel der Pisten sind seit vergangenem Donnerstag befahrbar. Am ersten Tag waren bereits 3800 Menschen mit ihren Skiern unterwegs. Gestern, Samstagabend, eröffnete man mit dem traditionellen „Top of the Mountain Concert“offiziell die Saison. Heuer flog man dafür Jason Derulo ein.
Auch in Kitzbühel geht es an diesem Wochenende mit mehr Skiliften los. Das Schneeband am Hahnenkamm aber war nur von kurzer Dauer: Schon nach zwei Wochen war es nicht mehr befahrbar. Man habe wieder auf Wanderbetrieb umgestellt, erklärten die Bergbahnen Mitte November.
Einstimmen auf Weihnachten:
Christkindlmärkte abseits des Trubels und Weihnachtstraditionen, die fast schon vergessen sind.