»Dann führen wir eine Digitalsteuer ein«
Finanzminister Hartwig Löger über die Gefahren, bei Förderungen zu sparen, die Steuerreform, seine Sympathiewerte und die Konsequenzen, falls die umstrittene Digitalsteuer auf europäischer Ebene scheitert.
Sie haben gerade eine Novelle zur Transparenzdatenbank in Begutachtung geschickt mit dem Ziel, bei den Förderungen einzusparen. Sind Sie so ungern Politiker? Hartwig Löger: Ganz im Gegenteil. Ich mag die Politik, und ich liebe die Transparenz – und Transparenz ist die wichtigste Grundlage, um Entscheidungen über Förderungen treffen zu können. Aber es gibt ja politisch kaum Gefährlicheres, als Förderungen zu streichen. Schneller kann man Wähler kaum verlieren. Wir geben für Förderungen jedes Jahr 17 Milliarden Euro aus, das sind fast fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ist das Geld der Steuerzahler, und deshalb ist es wichtig, hier eine faire und transparente Grundlage zu haben, um zu wissen, was mit diesem Geld passiert – ob es bei den Richtigen ankommt und ob möglichst viele Menschen Unterstützung bekommen. Die Menschen sind ja immer gern bereit, zu sparen – aber bei den anderen, selten bei sich selbst. Mit der Transparenzdatenbank wollen wir eben erkennen, wohin die Förderungen gehen. In 50 Prozent der Fälle wissen wir das nicht. Sollte jemand Doppelförderungen oder Mehrfachförderungen erhalten, ist es im Interesse aller, wenn man hier eingreift und im Gegenzug mehr Menschen die Möglichkeit gibt, Förderungen zu erhalten. Es geht in der Frage schlicht um Fairness und Gerechtigkeit. Das Wifo hat in einer Studie schon vor mehreren Jahren festgestellt, dass man ohne Probleme sofort fünf Mrd. Euro pro Jahr einsparen könnte. Wie viel würden Sie denn gern bei den Förderungen einsparen? Das primäre Ziel sind nicht Einsparungen, sondern eine faire Verteilung. Wir haben bei der Budgeterstellung für 2018 quer durch in allen Ressorts 190 Millionen Euro an Förderungen herausgenommen. Diese Förderungen waren einfach nicht mehr zweckmäßig. Förderungen sollen Förderungen sein, aber nicht eine Art permanentes Einkommen. Zu einem internationalen Thema: Sagt Ihnen der Begriff Finanztransaktionssteuer noch etwas? Ja, natürlich. Ein wenig erinnert Ihre Idee einer Digitalsteuer für Internetfirmen an die Finanztransaktionssteuer Ihres Vorgängers Hans Jörg Schelling. Über die Transaktionssteuer wurde jahrelang diskutiert, herausgekommen ist am Ende nichts. Wir haben immer gesagt, dass die Digitalsteuer eine notwendige Maßnahme für eine faire Besteuerung ist. Wenn traditionelle Unternehmen rund 23 Prozent Steuer bezahlen, digitale Unternehmen nur acht bis neun Prozent und die großen internationalen Firmen sogar deutlich weniger – da geht es nicht nur um Fairness, sondern auch um die langfristigen Einnahmen des Staats. Sonst können wir viele Leistungen bald nicht mehr finanzieren. Aber eine dreiprozentige Abgabe auf den Umsatz von Internetunternehmen, die weltweit mehr als 750 Millionen Euro umsetzen, wird von sieben der 27 EU-Staaten – bereits ohne Großbritannien – kritisch bis ablehnend gesehen. Als wir das Thema aufgegriffen haben, haben noch 20 EU-Staaten die Idee abgelehnt. Heute sind es mindestens 20 Befürworter. Wir haben intensiv gearbeitet und sind auf einer sehr positiven Entwicklung. Es gibt auf technischer Ebene einen gemeinsamen Vorschlag mit allen Ländern. Wie die politische Entscheidung der EU-Finanzminister zu diesem Thema beim Treffen am kommenden Dienstag aussehen wird, kann man heute noch nicht sagen. Manche Länder zieren sich bekanntlich noch. Ich vertraue darauf, dass wir Finanzminister eine gemeinsame Entscheidung finden werden. Die Digitalsteuer wäre ja nur eine Interimslösung, langfristig wollen wir eine andere Lösung, nämlich in Form einer digitalen Betriebsstätte. Das ist auch eine der Ideen, die auf OECD-Ebene in Diskussion sind. Die OECD strebt bis Mitte 2020 eine globale Lösung an, unsere interimistische Lösung, die Digitalsteuer, würde von der hoffentlich bald kommenden globalen Lösung abgelöst werden. Und wenn die europäische Lösung am Dienstag nicht durchgeht? Dann führen wir in Österreich eine eigene Digitalsteuer ein. Wir können das bereits mit der anstehenden Steuerreform umsetzen, weil ich das schon habe vorbereiten lassen. Wir haben derzeit auf Printwerbung eine Abgabe in der Höhe von fünf Prozent, für Onlinewerbung sind es aktuell null Prozent. Die Regierung will keine neuen Steuern einführen, aber es wäre eine gerechte Lösung, die Abgabe von fünf Prozent auf die Printwerbung auf drei Prozent zu senken und dafür die Online-Werbung ebenfalls mit drei Prozent zu besteuern. Das wäre eine faire Balance, und die Werbeabgabe bliebe unterm Strich weitgehend aufkommensneutral. Apropos Steuerreform: Sehen Sie Ihren Staatssekretär, Hubert Fuchs, auch so selten wie die Öffentlichkeit? Ich sehe ihn regelmäßig, wir haben ständig Treffen. Hintergrund der Frage ist, dass Hubert Fuchs angeblich direkt in der Arbeitsgruppe sitzt und fast täglich intensiv mit den Experten an der Steuerreform arbeitet. Das stimmt, er bringt mit seiner Vergangenheit als Steuerberater sehr viel Expertise mit. Er sitzt selbst in der Arbeitsgruppe, über dieser Gruppe gibt es einen Lenkungsausschuss, in dem auch ich drinnen bin, der die Vorschlä- ge aus der Arbeitsgruppe koordiniert und darüber entscheidet. Schon 2015 haben SPÖ und ÖVP von der größten Steuerreform aller Zeiten gesprochen. Ihre soll mit einem Volumen von fünf Milliarden Euro gleich groß werden. Die Regierung schürt hier hohe Erwartungen. Als Finanzminister steht man immer unter Erfolgsdruck. Es gibt aber nicht nur die Steuerreform, wir setzen mit Anfang 2019 den Familienbonus plus um, der eine enorme steuerliche Entlastung für Familien bringt. Bei der Steuerreform geht es außerdem nicht nur um monetäre Fragen, sondern auch um eine strukturelle Vereinfachung. Es gibt in den Steuergesetzen zu viel Bürokratie, wir streben eine deutliche Verbesserung an. Werden auch ökologische Aspekte in die Steuerreform einfließen? Die Steuerreform soll auf jeden Fall mithelfen, die Klimaziele, zu denen sich die Bundesregierung verpflichtet hat, zu erreichen. Da wird es auch entsprechende Anpassungen geben. Die Steuerreform 2015 ist ziemlich untergegangen in der Debatte über die Registrierkassenpflicht. Fürchten Sie, dass Ihnen das bei dieser Reform auch passieren könnte? Wenn ich so ein Thema drinnen hätte, würde ich es auf jeden Fall rausnehmen. Die Steuerreform 2015/2016 hat eine spürbare Entlastung gebracht und positive Wirkungen für die Wirtschaft gezeigt. Aber das ist eben in der Debatte über die Gegenfinanzierung weitestgehend ignoriert worden. Wir streben diesmal Einsparungen im System und in der Verwaltung an, um so die Entlastungen zu finanzieren. Sie werden die Registrierkassenpflicht aber auch nicht streichen? Die Registrierkasse funktioniert. Es gibt da und dort die Notwendigkeit für kleinere Anpassungen und Vereinfachungen, die wird es auch geben. Aber ich denke nicht daran, daraus wieder eine große Debatte zu machen. Es gibt von einigen Bundesländern den Ruf nach Steuerhoheit, sie wollen die Höhe der Einkommen- und die Körperschaftsteuer selbst festlegen. Wie lang, glauben Sie, dauert es diesmal, bis die Diskussion darüber wieder einschläft? Die Grundidee finde ich richtig und interessant. Es gibt ähnliche Diskussionen ja schon sehr lang und immer wieder. Im Finanzausgleich 2017 hat man einen ersten Schritt gesetzt und den Ländern die Hoheit über die Abgabe zur Wohnbauförderung übertragen. Die nie in Anspruch genommen wurde. Das stimmt. Mit Stand 2018 hat kein Bundesland die Chance genützt, eine eigene Abgabenhöhe festzulegen. Das bringt ein wenig zum Ausdruck, dass man offensichtlich dieses erste Feld der Autonomie nicht aktiviert. Und die anderen Felder, Einkommen- und Körperschaftsteuer, vermutlich auch nicht. Wir haben von den Ländern zu diesem Thema keine einheitliche Position, daher gibt es aktuell auch keine Gespräche dazu. Ich gehe davon aus, dass das bei den Verhandlungen zum nächsten Finanzausgleich ein Thema sein wird – und dann werden wir auch darüber reden. Sie liegen in den Beliebtheitswerten weit vorn, wie auch früher einige Ihrer Vorgänger im Ressort. Haben die Österreicher eine leicht masochistische Ader, weil sie ausgerechnet den Finanzminister so mögen? Es liegt wahrscheinlich daran, dass Finanzthemen mehr ein sachliches, nicht unbedingt ein emotionales Thema sind. Es wird über Inhalte gesprochen, man kann klare Aussagen treffen. Ich glaube, die Umfragewerte haben in erster Linie einen sachlichen Hintergrund. Nicht den, dass Sie vielleicht bei den Menschen so sympathisch ankommen? Ich hoffe, dass mich viele sympathisch wahrnehmen. Aber Sympathie ist nicht der entscheidende Faktor für den politischen Erfolg eines Finanzministers.