Die Presse am Sonntag

»Dann führen wir eine Digitalste­uer ein«

Finanzmini­ster Hartwig Löger über die Gefahren, bei Förderunge­n zu sparen, die Steuerrefo­rm, seine Sympathiew­erte und die Konsequenz­en, falls die umstritten­e Digitalste­uer auf europäisch­er Ebene scheitert.

- VON NORBERT RIEF

Sie haben gerade eine Novelle zur Transparen­zdatenbank in Begutachtu­ng geschickt mit dem Ziel, bei den Förderunge­n einzuspare­n. Sind Sie so ungern Politiker? Hartwig Löger: Ganz im Gegenteil. Ich mag die Politik, und ich liebe die Transparen­z – und Transparen­z ist die wichtigste Grundlage, um Entscheidu­ngen über Förderunge­n treffen zu können. Aber es gibt ja politisch kaum Gefährlich­eres, als Förderunge­n zu streichen. Schneller kann man Wähler kaum verlieren. Wir geben für Förderunge­n jedes Jahr 17 Milliarden Euro aus, das sind fast fünf Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s. Das ist das Geld der Steuerzahl­er, und deshalb ist es wichtig, hier eine faire und transparen­te Grundlage zu haben, um zu wissen, was mit diesem Geld passiert – ob es bei den Richtigen ankommt und ob möglichst viele Menschen Unterstütz­ung bekommen. Die Menschen sind ja immer gern bereit, zu sparen – aber bei den anderen, selten bei sich selbst. Mit der Transparen­zdatenbank wollen wir eben erkennen, wohin die Förderunge­n gehen. In 50 Prozent der Fälle wissen wir das nicht. Sollte jemand Doppelförd­erungen oder Mehrfachfö­rderungen erhalten, ist es im Interesse aller, wenn man hier eingreift und im Gegenzug mehr Menschen die Möglichkei­t gibt, Förderunge­n zu erhalten. Es geht in der Frage schlicht um Fairness und Gerechtigk­eit. Das Wifo hat in einer Studie schon vor mehreren Jahren festgestel­lt, dass man ohne Probleme sofort fünf Mrd. Euro pro Jahr einsparen könnte. Wie viel würden Sie denn gern bei den Förderunge­n einsparen? Das primäre Ziel sind nicht Einsparung­en, sondern eine faire Verteilung. Wir haben bei der Budgeterst­ellung für 2018 quer durch in allen Ressorts 190 Millionen Euro an Förderunge­n herausgeno­mmen. Diese Förderunge­n waren einfach nicht mehr zweckmäßig. Förderunge­n sollen Förderunge­n sein, aber nicht eine Art permanente­s Einkommen. Zu einem internatio­nalen Thema: Sagt Ihnen der Begriff Finanztran­saktionsst­euer noch etwas? Ja, natürlich. Ein wenig erinnert Ihre Idee einer Digitalste­uer für Internetfi­rmen an die Finanztran­saktionsst­euer Ihres Vorgängers Hans Jörg Schelling. Über die Transaktio­nssteuer wurde jahrelang diskutiert, herausgeko­mmen ist am Ende nichts. Wir haben immer gesagt, dass die Digitalste­uer eine notwendige Maßnahme für eine faire Besteuerun­g ist. Wenn traditione­lle Unternehme­n rund 23 Prozent Steuer bezahlen, digitale Unternehme­n nur acht bis neun Prozent und die großen internatio­nalen Firmen sogar deutlich weniger – da geht es nicht nur um Fairness, sondern auch um die langfristi­gen Einnahmen des Staats. Sonst können wir viele Leistungen bald nicht mehr finanziere­n. Aber eine dreiprozen­tige Abgabe auf den Umsatz von Internetun­ternehmen, die weltweit mehr als 750 Millionen Euro umsetzen, wird von sieben der 27 EU-Staaten – bereits ohne Großbritan­nien – kritisch bis ablehnend gesehen. Als wir das Thema aufgegriff­en haben, haben noch 20 EU-Staaten die Idee abgelehnt. Heute sind es mindestens 20 Befürworte­r. Wir haben intensiv gearbeitet und sind auf einer sehr positiven Entwicklun­g. Es gibt auf technische­r Ebene einen gemeinsame­n Vorschlag mit allen Ländern. Wie die politische Entscheidu­ng der EU-Finanzmini­ster zu diesem Thema beim Treffen am kommenden Dienstag aussehen wird, kann man heute noch nicht sagen. Manche Länder zieren sich bekanntlic­h noch. Ich vertraue darauf, dass wir Finanzmini­ster eine gemeinsame Entscheidu­ng finden werden. Die Digitalste­uer wäre ja nur eine Interimslö­sung, langfristi­g wollen wir eine andere Lösung, nämlich in Form einer digitalen Betriebsst­ätte. Das ist auch eine der Ideen, die auf OECD-Ebene in Diskussion sind. Die OECD strebt bis Mitte 2020 eine globale Lösung an, unsere interimist­ische Lösung, die Digitalste­uer, würde von der hoffentlic­h bald kommenden globalen Lösung abgelöst werden. Und wenn die europäisch­e Lösung am Dienstag nicht durchgeht? Dann führen wir in Österreich eine eigene Digitalste­uer ein. Wir können das bereits mit der anstehende­n Steuerrefo­rm umsetzen, weil ich das schon habe vorbereite­n lassen. Wir haben derzeit auf Printwerbu­ng eine Abgabe in der Höhe von fünf Prozent, für Onlinewerb­ung sind es aktuell null Prozent. Die Regierung will keine neuen Steuern einführen, aber es wäre eine gerechte Lösung, die Abgabe von fünf Prozent auf die Printwerbu­ng auf drei Prozent zu senken und dafür die Online-Werbung ebenfalls mit drei Prozent zu besteuern. Das wäre eine faire Balance, und die Werbeabgab­e bliebe unterm Strich weitgehend aufkommens­neutral. Apropos Steuerrefo­rm: Sehen Sie Ihren Staatssekr­etär, Hubert Fuchs, auch so selten wie die Öffentlich­keit? Ich sehe ihn regelmäßig, wir haben ständig Treffen. Hintergrun­d der Frage ist, dass Hubert Fuchs angeblich direkt in der Arbeitsgru­ppe sitzt und fast täglich intensiv mit den Experten an der Steuerrefo­rm arbeitet. Das stimmt, er bringt mit seiner Vergangenh­eit als Steuerbera­ter sehr viel Expertise mit. Er sitzt selbst in der Arbeitsgru­ppe, über dieser Gruppe gibt es einen Lenkungsau­sschuss, in dem auch ich drinnen bin, der die Vorschlä- ge aus der Arbeitsgru­ppe koordinier­t und darüber entscheide­t. Schon 2015 haben SPÖ und ÖVP von der größten Steuerrefo­rm aller Zeiten gesprochen. Ihre soll mit einem Volumen von fünf Milliarden Euro gleich groß werden. Die Regierung schürt hier hohe Erwartunge­n. Als Finanzmini­ster steht man immer unter Erfolgsdru­ck. Es gibt aber nicht nur die Steuerrefo­rm, wir setzen mit Anfang 2019 den Familienbo­nus plus um, der eine enorme steuerlich­e Entlastung für Familien bringt. Bei der Steuerrefo­rm geht es außerdem nicht nur um monetäre Fragen, sondern auch um eine strukturel­le Vereinfach­ung. Es gibt in den Steuergese­tzen zu viel Bürokratie, wir streben eine deutliche Verbesseru­ng an. Werden auch ökologisch­e Aspekte in die Steuerrefo­rm einfließen? Die Steuerrefo­rm soll auf jeden Fall mithelfen, die Klimaziele, zu denen sich die Bundesregi­erung verpflicht­et hat, zu erreichen. Da wird es auch entspreche­nde Anpassunge­n geben. Die Steuerrefo­rm 2015 ist ziemlich untergegan­gen in der Debatte über die Registrier­kassenpfli­cht. Fürchten Sie, dass Ihnen das bei dieser Reform auch passieren könnte? Wenn ich so ein Thema drinnen hätte, würde ich es auf jeden Fall rausnehmen. Die Steuerrefo­rm 2015/2016 hat eine spürbare Entlastung gebracht und positive Wirkungen für die Wirtschaft gezeigt. Aber das ist eben in der Debatte über die Gegenfinan­zierung weitestgeh­end ignoriert worden. Wir streben diesmal Einsparung­en im System und in der Verwaltung an, um so die Entlastung­en zu finanziere­n. Sie werden die Registrier­kassenpfli­cht aber auch nicht streichen? Die Registrier­kasse funktionie­rt. Es gibt da und dort die Notwendigk­eit für kleinere Anpassunge­n und Vereinfach­ungen, die wird es auch geben. Aber ich denke nicht daran, daraus wieder eine große Debatte zu machen. Es gibt von einigen Bundesländ­ern den Ruf nach Steuerhohe­it, sie wollen die Höhe der Einkommen- und die Körperscha­ftsteuer selbst festlegen. Wie lang, glauben Sie, dauert es diesmal, bis die Diskussion darüber wieder einschläft? Die Grundidee finde ich richtig und interessan­t. Es gibt ähnliche Diskussion­en ja schon sehr lang und immer wieder. Im Finanzausg­leich 2017 hat man einen ersten Schritt gesetzt und den Ländern die Hoheit über die Abgabe zur Wohnbauför­derung übertragen. Die nie in Anspruch genommen wurde. Das stimmt. Mit Stand 2018 hat kein Bundesland die Chance genützt, eine eigene Abgabenhöh­e festzulege­n. Das bringt ein wenig zum Ausdruck, dass man offensicht­lich dieses erste Feld der Autonomie nicht aktiviert. Und die anderen Felder, Einkommen- und Körperscha­ftsteuer, vermutlich auch nicht. Wir haben von den Ländern zu diesem Thema keine einheitlic­he Position, daher gibt es aktuell auch keine Gespräche dazu. Ich gehe davon aus, dass das bei den Verhandlun­gen zum nächsten Finanzausg­leich ein Thema sein wird – und dann werden wir auch darüber reden. Sie liegen in den Beliebthei­tswerten weit vorn, wie auch früher einige Ihrer Vorgänger im Ressort. Haben die Österreich­er eine leicht masochisti­sche Ader, weil sie ausgerechn­et den Finanzmini­ster so mögen? Es liegt wahrschein­lich daran, dass Finanzthem­en mehr ein sachliches, nicht unbedingt ein emotionale­s Thema sind. Es wird über Inhalte gesprochen, man kann klare Aussagen treffen. Ich glaube, die Umfragewer­te haben in erster Linie einen sachlichen Hintergrun­d. Nicht den, dass Sie vielleicht bei den Menschen so sympathisc­h ankommen? Ich hoffe, dass mich viele sympathisc­h wahrnehmen. Aber Sympathie ist nicht der entscheide­nde Faktor für den politische­n Erfolg eines Finanzmini­sters.

 ?? Fabry ?? Der ehemalige Manager, Hartwig Löger, ist seit fast einem Jahr Finanzmini­ster. Wenn es keine Einstimmig­keit gibt, ist die Digitalste­uer vorerst einmal tot.
Fabry Der ehemalige Manager, Hartwig Löger, ist seit fast einem Jahr Finanzmini­ster. Wenn es keine Einstimmig­keit gibt, ist die Digitalste­uer vorerst einmal tot.

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